Nestroy: Jelinek schickt Puppe

Die besten Leistungen der vergangenen Theatersaison sind Montagabend bei der Nestroy-Gala in der Stadthalle ausgezeichnet worden. Preise erhielten unter anderen Christiane von Poelnitz, Gregor Bloeb und Elfriede Jelinek, die eine Puppe vorschickte.

Schauspielerin Sunnyi Melles, Nestroy-Preisträgerin des Jahres 2005, führte durch den Abend, an dem neben den singenden Herren der Volkstheater-Produktion „Die Comedian Harmonists“, Sängerin Ruth Brauer-Kvam und Jazzer Mathias Rüegg (begleitet von Lia Pale und Hans Strasser) auch Studierende des Max-Reinhardt-Seminars mitwirkten.

Poelnitz und Bloeb beste Schauspieler

In der Kategorie „Beste Schauspielerin“ konnte Christiane von Poelnitz einen Nestroy mit nach Hause nehmen. Die Burgschauspielerin wurde für ihre Verkörperung der Titelrolle in Hugo von Hofmannsthals „Elektra“ ausgezeichnet. Mit dem Regie-Nestroy für „Elektra“-Regisseur Michael Thalheimer erhielt die Burgtheater-Produktion noch eine zweite Auszeichnung.

Bildershow: Fotos von der Gala

„Bester Schauspieler“ wurde Gregor Bloeb, der im Theater in der Josefstadt und beim Theatersommer Haag in Felix Mitterers „Jägerstätter“ die Titelrolle des 1943 als Kriegsdienstverweigerer hingerichteten Innviertler Bauern Franz Jägerstätter verkörperte.

Nebenrolle, Nachwuchs und Publikumspreis

Den Nestroy für die beste Nebenrolle durfte Till Firit vom Volkstheater Wien entgegennehmen. Der Leipziger wurde für seine Darstellung des verliebten, schrulligen Gutsbesitzers Lewin in einer Dramatisierung des Tolstoi-Romans „Anna Karenina“ ausgezeichnet.

Das Ensemblemitglied des Theaters der Jugend, Stefan Rosenthal, bekam für seine Darstellung des an Leukämie erkrankten Teenagers Sam in einer Bearbeitung des Romans „Wie man unsterblich wird“ von Sally Nicholls den Nachwuchs-Nestroy. Der 30-Jährige Berliner schloss seine kurze, emotionale Rede mit: „Theater der Jugend, juchuh!“

Der Publikumspreis ging an Florian Teichtmeister, der an seinem 34. Geburtstag nicht nur einen „Nestroy“, sondern auch einen „Happy Birthday“-Chor aus dem Publikum entgegennehmen durfte.

Jelinek-Puppe und Burgtheater-Billeteur

Elfriede Jelinek nahm den Autorenpreis für ihr Stück „Schatten (Eurydike sagt)“ wie erwartet nicht persönlich entgegen, hatte aber unter dem Titel „Meine gute Textwurst“ eine Dankesrede verfasst, die sie selbst per Toneinspielung vortrug, als Synchronstimme für die von Puppenspieler Nikolaus Habjan geführte (und im ausgezeichneten Stück mitwirkende) Jelinek-Puppe.

Puppenspieler und Regisseur Nikolaus Habjan mit einer Elfriede-Jelinek-Puppe und dem Nestroy-Preis

APA/Herbert Neubauer

Puppenspieler Nikolaus Habjan

Jelinek nahm in ihrem Text u. a. Bezug auf den jüngst in Diskussion geratenen Vertrag des Burgtheaters mit der Firma G4S: „Anlässlich der Geburtstagsfeiern des Burgtheaters hat ein Billeteur versucht, auf die Situation der outgesourcten Mitarbeiter, wie er einer ist, hinzuweisen. Ein Krake, Dienstleistungs-Multi, der, unter all dem, was er sonst noch zu tun hat, auch Programmhefte im Theater verteilen lässt, so wie er gleichzeitig, aber auch zu andrer Zeit, Bootsflüchtlinge und Asylanten bewacht, wurde mit dieser Aufgabe betraut. Der Mann durfte sich nicht aussprechen, weil die Zeit der Veranstaltung zu weit fortgeschritten war. Ich kann hier auch nicht für ihn sprechen, ich müsste ihn schon selbst sprechen lassen. Dafür spricht in den Foren jeder von ihm und kaum einer von der Veranstaltung.“

Auch Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann, dessen Laudatio von Dramaturgin Amely Haag gehalten wurde, nahm wie Jelinek auf den Billeteur Bezug: „Der Billeteur Christian Diaz hat recht! Es braucht mutige Menschen wie ihn, um die Ohnmacht zu überwinden. Ihm gebührt ein Nestroy!“ Diaz enterte daraufhin kurz selbst die Bühne und rief die übrigen Bundestheater-Intendanten dazu auf, sich mit Hartmann zu treffen und sich mit ihm zu solidarisieren.

Die besten Aufführungen

Den Nestroy für die „Beste deutschsprachige Aufführung“ gewann „Reise durch die Nacht“ der österreichischen Autorin Friederike Mayröcker, inszeniert von Katie Mitchell am Schauspiel Köln. Die mit dieser Saison nach Hamburg gewechselte Kölner Intendantin Karin Beier nahm den Preis entgegen.

Beste Bundesländer-Aufführung wurde „Hakoah Wien“, die von der israelischen Regisseurin Jael Ronen im Schauspielhaus Graz entwickelte berührende Geschichte eines jüdischen Fußballers und seiner Freundin im Wien der 30er Jahre. Als beste Off-Produktion wurde das Stück „Habe die Ehre“ ausgezeichnet, eine von Ibrahim Amir geschriebene und von den Wiener Wortstätten in Kooperation mit dem Theater Nestroyhof Hamakom produzierte „Ehrenmordkomödie“.

Kritik an Subventionsrückgang

Der Spezialpreis ging an den Direktor des Wiener Theaters der Jugend, Thomas Birkmeir. Er wurde „für zehn Jahre innovatives, zeitgemäßes Kinder- und Jugendtheater“ ausgezeichnet. Birkmeir erinnerte in seiner Dankesrede („We deserved it“) an den „Heldenplatz“-Skandal vor genau 25 Jahren und die damalige Rolle der Politik. Seit 1999 seien die meisten Theatersubventionen real um 30 bis 40 Prozent geschrumpft. „Das halte ich für eine untragbare Situation für eine Kulturnation“, so Birkmeir.

Die in Wien lebende Münchnerin Annette Murschetz wurde für ihre Bühnenbilder der Trilogie „In Agonie“ von Miroslav Krleza (eine Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Residenztheater München) mit dem Ausstattungs-Nestroy ausgezeichnet.

Luc Bondy mit Nestroy-Preis

APA/Herbert Neubauer

Luc Bondy

Lebenswerk-Preisträger Luc Bondy

Burgschauspielerin Johanna Wokalek hielt abschließend die Laudatio auf Lebenswerk-Preisträger Luc Bondy. Der Regisseur und langjährige Intendant der Wiener Festwochen wurde mit Standing Ovations geehrt und nahm seine Auszeichnung aus den Händen von Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) entgegen. „Ich geb Dir den Preis unter einer Bedingung: Dass Dein Lebenswerk in Wien nicht abgeschlossen ist“, so der Stadtrat.

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