75. Jahrestag: Gedenken an Novemberpogrome

Zum 75. Mal jährten sich die Novemberpogrome von 1938. In Wien wurden tausende Juden vertrieben oder verschleppt, ihre Geschäfte geplündert und Synagogen angezündet. Zahlreiche Veranstaltungen erinnern dieses Wochenende daran.

Die Pogrome werden heute noch oft mit dem Nazi-Ausdruck „Reichskristallnacht“ bezeichnet. Für viele Historiker markieren sie den Beginn der Shoa, der gezielten Auslöschung der jüdischen Bevölkerung. In Österreich wurden in der Nacht auf den 10. November 1938 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert. „Es wurden tausende Juden in den Sofiensälen inhaftiert, unter entsetzlichen Bedingungen“, sagt der Historiker Oliver Rathkolb.

Frau mahlt Spruch auf den Boden

APA/Schlager

Vienna Project: „Was passiert, wenn wir vergessen, uns zu erinnern?“

Die gezielten Ausschreitungen nach der Aktivierung der SS-Ortsgruppen beschränkten sich allerdings nicht auf eine Nacht, sondern dauerten mehrere Tage an. Allein im „Kreis Wien I“ wurden 1.950 Wohnungen zwangsgeräumt und 42 Synagogen in Brand gesteckt und verwüstet. Hunderte Juden begingen Suizid. In Wien begann die Gewalt am 9. November 1938 bereits in der Früh, sagt Rathkolb: „Nicht nur in Wien, sondern auch in Graz und Innsbruck wurde schon in der Früh versucht, durch das Zünden von Handgranaten Synagogen zu zerstören.“

TV-Hinweis:

In „Wien heute“ sprachen Zeitzeugen über die Novemberpogrome, den Beitrag ist online in der ORF TVThek zu sehen.

Anlässlich des Gedenktages finden am Wochenende in Wien zahlreiche Veranstaltungen statt. Der Bogen reicht von Ausstellungen über Lesungen, Vorträge oder Filmpräsentationen bis hin zu neuen Ansätzen. Schon am Donnerstag hielt Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg eine Gedenkrede im Parlament, am Freitag legte Bundespräsident Heinz Fischer einen Kranz beim Mahnmal für die jüdischen Opfer der Shoa nieder.

Fischer legt Kranz nieder

APA/HBF/Pusch

Heinz Fischer bei der Kranzniederlegung

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) nahm am Samstag an einer Gedenkveranstaltung im 13.Bezirk teilnehmen. Im Volkstheater fanden Lesungen unter dem Titel „Lebendiges Gedenken“ statt. Beim Gedenkstein vor dem ehemaligen Aspangbahnhof im dritten Bezirk wurde eine Mahnwache abgehalten.

Gedenken in Bundesländern

Auch in den anderen Bundesländern wird den Opfern der Novemberpogrome gedacht. In Tirol wurde durch einen kürzlich entdeckten Briefverkehr die Brutalität der Nationalsozialisten deutlich - mehr dazu in Judenhatz: Innsbruck war brutalste Stadt (tirol.ORF.at). In Salzburg hatte das Novemberpogrom den tiefsten Einschnitt in der Geschichte der Israelitischen Kultusgemeinde bedeutete. Am 12. November 1938 wurde Salzburg für „judenrein“ erklärt - mehr dazu in Das Novemberpogrom in Salzburg (salzburg.ORF.at).

Der Eisenstädter Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics und Superintendent Manfred Koch finden klare Worte zu der Pogromnacht vor 75 Jahren. Die Botschaft eines gemeinsamen Briefes an ihre Pfarrgemeinden: Die Kirchen tragen Mitschuld an der Verfolgung der Juden - mehr dazu in Novemberpogrome: 75 Jahre danach (burgenland.ORF.at). In Amstetten fand anlässlich der Pogrome vor 75 Jahren eine „Lange Nacht des Erinnerns“ mit einem Zeitzeugen statt, mit dabei war der Zeitzeuge George Wozasek - mehr dazu in Pogrome 1938: Lange Nacht des Erinnerns (noe.ORF.at).

Auch in der Israelitischen Kultusgemeinde in Graz wird der Opfer der Novemberpogrome gedacht. Die Mitgliederzahl der Gemeinde schrumpft jedoch stetig: Derzeit zählt man 100 Mitglieder - mehr dazu in Israelitische Kultusgemeinde Graz schrumpft (steiermark.ORF.at).

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