„Rassenbiologisches Institut“ an Uni Wien erforscht

Das „Rassenbiologische Institut“ der Universität Wien hat in der NS-Zeit „Rassengutachten“ erstellt. Das Institut sollte das größte im Deutschen Reich werden, aber der Kriegsverlauf durchkreuzte die Pläne. Am Mittwoch werden bei einer Tagung Forschungsergebnisse dazu präsentiert.

Der Historiker Thomas Mayer untersuchte nun in seiner Dissertation die Institutsneugründung der Nazis. Bereits im Mai 1938, wenige Wochen nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, begannen die Planungen für das „Rassenbiologische Institut“. Hier sollten Forscher mehrerer Disziplinen nebeneinander und miteinander in Grundlagen- und angewandter Forschung arbeiten. „Den Plänen nach wäre das Institut das größte dieser Fachrichtung im ganzen Deutschen Reich gewesen“, sagte Mayer.

„Beurteilen, ob eine Person ‚arisch‘ war oder nicht“

Doch der Kriegsverlauf beendete die ambitionierten Pläne: Erst 1942 nahm das Institut - in einer etwas kleineren Variante, aber immer noch mit beachtlichem Forschungsbudget - seine Arbeit auf. Die Aufgaben von Abteilungen wie „Biostatistik“ bis „Rassenhygiene“ waren vielfältig: Man experimentierte mit Fliegen- und Mäusekulturen, suchte anhand menschlicher Tumorzellen nach einer Heilung für Krebs und vermaß Kopf- und Nasenlängen, um vermeintliche morphologische Eigenschaften bestimmter „Rassen“ und deren Vererbung festzustellen.

Direktor des Rassenbiolog. Intitutes Univ Wien (1942-1945):

Lothar Löffler

Oliver Paget

Der Direktor des „Rassenbiologischen Instituts“: Lothar Löffler

Hatte man diese Methode in den 1920er und 1930er Jahren schon genutzt, um etwa Entscheidungen in Alimentationsverfahren zu treffen, wurden nun anhand morphologischer Merkmale „Rassengutachten“ erstellt. „So wollte man etwa beurteilen, ob eine Person ‚arisch‘ war oder nicht.“ Meist seien diese Gutachten dann genutzt worden, um Menschen als jüdisch zu verfolgen, erläutert der Historiker, der seine Dissertation am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien schreibt.

Für seine Forschungen hat er kürzlich den von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) vergebenen Bader-Preis für die Geschichte der Naturwissenschaften gewonnen. „Mich hat interessiert, welche Disziplinen im NS-Regime als besonders förderungswürdig erachtet wurden – sowohl vonseiten der wissenschaftlichen Akteure als auch von Politik und Verwaltung“, so Mayer.

Trotz Krieges hohe Zuwendungen

Das „Rassenbiologische Institut“ war gleich von mehreren Seiten gewünscht: Sowohl die medizinische Fakultät als auch der spätere Leiter des Instituts, Lothar Loeffler, mit seinen guten Kontakten nach Berlin, und der verantwortliche Staatskommissar Friedrich Plattner hätten die Gründung sehr intensiv betrieben. „Vor allem das umfassende und interdisziplinäre Konzept überzeugte in Berlin. Einerseits etablierte man so einige Fächer, die es zuvor noch nicht an der Uni Wien gegeben hatte, andererseits wollte man die Gutachterfunktion nutzen“, meinte Mayer.

Das „Rassenbiologische Institut“ war eine von neun Institutsgründungen zwischen 1938 und 1945 an der Uni Wien - neben beispielsweise dem Institut für Zeitungswissenschaften und den „Fächern des Frauenschaffens“ die einzige naturwissenschaftliche. „Diese Dominanz der Geistes- und Sozialwissenschaften war ebenso ungewöhnlich wie das hohe Fördervolumen des Institutes“, so der Historiker. Auch in den intensivsten Kriegsjahren erhielt das Institut hohe Zuwendungen - vor allem für seine Grundlagenforschung an Tieren und die Krebsforschung.

Wissenschaftliche Leiter flüchteten

Als sich die Niederlage des Deutschen Reiches und das Ende des Krieges bereits abzeichneten, flüchteten die wissenschaftlichen Leiter nach Deutschland und ließen das Institut verwaist zurück. „Eine Hilfskraft rettete die Fliegen- und Mäusekulturen, sie wurden wenige Jahre später wichtiger Bestandteil des 1948 gegründeten Biologieinstitutes“, schilderte Mayer. Die „Rassengutachten“ sind jedoch bis heute verschwunden.

Da es sich um eine „reichsdeutsche Gründung“ handelte, wurde das Institut nach Kriegsende schließlich aufgelöst. „So ging es allerdings nicht allen Instituten – das ‚Rassenbiologische Institut‘ wurde jedoch vermutlich schon im Frühjahr 1945 als heikel betrachtet“, erklärte der Historiker.

Vor allem der Begriff der „Rassenbiologie“ erfuhr nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieges eine rasche Neubewertung. Bereits 1946 erklärte das Unterrichtsministerium die „Rassenbiologie“ zu einer Pseudowissenschaft und distanzierte sich. „Die Forschungen der experimentellen Genetik wurden an anderem Ort allerdings weitergeführt, während der gesamte Terminus der ‚Rassenbiologie‘ mitsamt dem Institut abgelehnt wurde. Man kann hier sicher von einer wissenschaftspolitischen Strategie sprechen“, sagte Mayer.

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