Pizzera: „Auf der Bühne geb’ ich Vollstoff“

„Sex, Drugs & Klei’n’Kunst“ heißt das zweite Programm von Paul Pizzera. Am Donnerstag hat der 25-jährige Kabarettist damit Premiere in Wien gefeiert. Im Gespräch mit wien.ORF.at erzählt Pizzera, wie er mit Erfolgsdruck und Bühnensucht umgeht.

Paul Pizzera ist 25 Jahre jung und gilt als der „Stadionrocker unter den Kabarettisten"(Kronen Zeitung). Mit seinem zweiten Soloprogramm "Sex, Drugs & Klei’n’Kunst“ steht er heuer 180 Mal auf der Bühne. In Graz gibt es erst ab Juni wieder Karten, im Kabarett Niedermair in Wien erst wieder ab Mai. Bewaffnet mit E-Gitarre, spitzer Feder und einer Überdosis Selbstironie erzählt der junge Steirer in seinem Musikkabarett von einem Jungen, der nie erwachsen werden will.

wien.ORF.at: Ihr Programm „Sex, Drugs & Klei’n’Kunst“ war schon vor der Premiere für Monate ausverkauft. Wie fühlt sich das an?

Paul Pizzera: Ich habe unfassbares Schwein gehabt, dass das so angelaufen ist mit meinem zweiten Programm. Das hat es de facto bisher noch nicht gegeben. Es ist schon klar, du kannst nicht nichts können, wenn du so erfolgreich bist. Aber ich bin halt auf der Bühne auch nicht anders als sonst. Authentizität ist das Wichtigste, das du mitgeben kannst, wenn du das machst. Ich bin hammerdankbar, dass ich in dieser kurzen Zeit so viel Erfolg mit Kabarett habe.

Paul Pizzera mit "Sex, Drugs & Klei'n'Kunst"

Ludwig Rusch

Kabarettist Paul Pizzera „leidet“ seit drei Jahren unter „Bühnensucht“

wien.ORF.at: Keiner der österreichischen Kabarettisten legte in Ihrem Alter so einen Karrierestart hin. Wie geht es Ihrem Ego?

Pizzera: Wahnsinnig schlecht, sonst stellst du dich nicht auf die Bühne. Es gibt da einen Spruch. „Mothers are the fathers of comedy.“ Also wenn man nicht den Zuspruch der Mama suchen würde, gäbe es keinen Grund, sich auf die Bühne zu stellen. Als Bühnenkünstler hast du einerseits gar keinen Zuspruch und andererseits Vollgas. Die Anerkennung, die du brauchst, holst du dir von dritten, weil du sie privat vielleicht nicht bekommst. Und dann passt es wieder für eine Zeit lang. Und daraus entwickelt sich eine Sucht.

Veranstaltungshinweis

Wien-Premiere von „Sex, Drugs & Klei’n’Kunst“ von Paul Pizzera, am Donnerstag, 23. Jänner, um 19.30 Uhr im Kabarett Niedermair

Bei mir ist es ja momentan wirklich krank, was abgeht. In Fürstenfeld waren vorige Woche 650 Zuschauer. Wenn du dort die Hütte zerlegst, da kommst du dir vor, wie der genialste Harri der Welt. Aber am nächsten Tag, wenn du in der Wohnung alleine den Geschirrspüler ausräumst, ist das wieder weg. Da applaudiert halt keiner. Es ist arg, was in deiner Psyche los ist, weil du permanent vom Regen in die Traufe gehst.

Im Sommer habe ich immer einen Monat frei. Da werde ich ganz unruhig. Nach zwei Wochen fühle ich mich wie ein junger Ersatzspieler, der bei einem Fußballspiel eingewechselt werden will und zum Trainer sagt: „Ich mach das Spiel.“ Aber allgemein gesagt: Es wäre gelogen, wenn ich nicht sagen würde, dass es sich nicht saugeil anfühlt auf der Bühne. Deswegen mache ich es ja.

wien.ORF.at: Wie sieht Ihr Alltagsleben derzeit aus?

Pizzera: Ich fahre pro Jahr 40.000 Kilometer mit dem Auto. Ich kenne inzwischen alle Autobahnraststätten in Österreich und ja, meine Ernährung ist nicht die Beste. Vor den Auftritten gibt es immer eine kalte Platte, weil sie für die Veranstalter am einfachsten zum Herrichten ist. Wenn ich frei habe mache ich dafür viel Sport zum Ausgleich.

wien.ORF.at: Dass Sie sportlich sind, ist auf den Pressefotos zu sehen, für die Sie oberkörperfrei posiert haben. Oder ist das Photoshop?

Pizzera: Da ist gar nichts Photoshop! Vor dem Fotoshooting habe ich eine Woche lang Liegestütze gemacht. Mit dem Titel „Sex, Drugs & Klei’n’Kunst“ kannst du kein liebes Pressefoto machen. Mein Fotograf, der wunderbare Ludwig Rusch, ist ein alter Rolling-Stones-Fan. Mit dem bin ich viele coole Rockerposen durchgegangen. Und dann meinte er, ich soll mein Leiberl ausziehen. Es ist schlussendlich ein sehr untypisches Plakat geworden, das aber am meisten ausgesagt hat. Und wenn jetzt mehr Mädels kommen, bin ich auch nicht böse.

Paul Pizzera mit "Sex, Drugs & Klei'n'Kunst"

Ludwig Rusch

Zur Person

Paul Pizzera wurde im Jahr 1988 in Deutschlandsberg geboren und startete 2007 seine Karriere als Poetry Slammer. Im Jahr 2011 gewann er den 25. Grazer Kleinkunstvogel und brachte sein erstes Soloprogramm „Zu wahr, um schön zu sein“ heraus. Seit 2012 ist Pizzera mit der „Langen Nacht des Kabaretts“ erfolgreich. 2014 folgte sein zweites Kabarettprogramm „Sex, Drugs & Klei’n’Kunst“.

wien.ORF.at: Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Pizzera: Sehr viele junge Leute halten Kabarett für altväterisch. Ich kann einem 50-Jährigen auf der Bühne nichts erzählen, aber einen 25-Jährigen schon. Vielleicht ist das der Punkt. Zu mir kommen viele junge ins Kabarett. Und mit Musik ist es etwas einfacher. Lieder kannst du dir öfter anhören, als einen Witz.

wien.ORF.at: Wie schaffen Sie es, bei jedem Auftritt gut gelaunt zu sein?

Pizzera: Ich bin nicht jeden Abend gleich gut drauf. Wie es mit meiner Freundin vor zwei Jahren aus war, hab ich auch spielen müssen und das war schon heftig. Weil damals hätte ich mich lieber mit einer Flasche Jim Beam zurückgezogen. Aber so viel Profi musst du sein. Das ist der Anspruch in diesem Beruf. Warum soll das Publikum einen schlechteren Abend haben, weil es dir nicht gut geht? Der Herzchirurg muss auch immer seinen Job machen.

Das Problem ist vielmehr, dass ich nach Auftritten sehr gerne sitzen bleibe. Das geht halt nicht jedes Mal, sonst bist du bald hin. Denn bei einem Bier bleibt es ja nicht. Entweder gar nichts oder Vollstoff. An dem halte ich fest und das muss so blieben. Aber ich hab noch eine Riesengaudi dabei. Und ich möchte, dass das Publikum merkt, dass ich für sie alles tue und ich mich für sie auf der Bühne zerreiße. Sie haben ja auch bezahlt dafür. Und einfach Lieder runterspielen mag ich nicht.

wien.ORF.at: Es heißt, das zweite Programm ist das schwierigste. Wie ist es Ihnen gegangen?

Pizzera: Für das erste hast du ewig Zeit. Für das zweite bewerten sie dich. Wegen den hohen Zuschauerzahlen war der Druck schon da. Aber ich hab gewusst, dass ich mich nicht mit einem Scheiß auf die Bühne stelle. Bei der Premiere in Graz war ich aber so nervös wie in meinem Leben noch nicht. Es fühlte sich an wie eine Prüfung, zu der du aber gern hingehst, weil du zeigen willst, was du kannst.

Die Kritiken der Zeitungen waren dann hymnisch, das hätte ich nicht gedacht. Das gibt dir die Bestätigung, die du haben willst. Und Kabarettkritiken lesen ja nur Kabarettisten. Es gibt da dieses Lied von „Eins Zwo“, das trifft es ganz gut. Da heißt es: „Ich will nichts anderes machen als das hier und zwar in Bestform. Und erfüll’ mal wieder mit links die Testnorm.“ So ist das auch bei mir.

wien.ORF.at: Was kann man sich vom neuen Programm erwarten. Sind Sie wieder sehr provokant? Im ersten Programm war ja von YouPorn bis Nazis und schlecht kochender Oma alles dabei.

Pizzera: Das zweite Programm hat weniger YouPorn und weniger Oma dabei. Es ist ein bisschen Politik und sehr viel Liebe drinnen. Es geht um mich und meine Nächsten. Ich habe bis zum Schluss überlegt, ob ich es „Alles aus Liebe“ oder eben „Sex, Drugs und Klei’n’Kunst“ nennen sollte.

wien.ORF.at: Wie schreiben Sie Ihre Programme? Nehmen Sie das Reimwörterbuch zur Hand?

Pizzera: Das geht nicht, weil ich dialektal unterwegs bin. Es ist super, wenn du auf Hochdeutsch reimen kannst, aber da kennt jeder schon alles. Meine Arbeitsweise ist die, dass ich mich mit Stift und Gitarre hinsetze und herumprobiere. Neunzig Prozent werden wieder gestrichen, zehn Prozent bleiben. Das ist auch Handwerk und nicht nur lustig.

Paul Pizzera mit "Sex, Drugs & Klei'n'Kunst"

Ludwig Rusch

Paul Pizzera: „Meine neue Gitarre schaut so sexy aus“

wien.ORF.at: Wie startete Ihre Musikkarriere?

Pizzera: Als ich mit zehn Jahren eine Playstation wollte, hat meine Mama gesagt, sie kauft mir nur eine, wenn ich vorher ein Jahr lang ein Instrument lerne. Ich habe mich für Klavier entschieden, weil ich dachte, das können sich meine Eltern nicht leisten. Aber meine Mama hat ein Keyboard dahergebracht und ich habe Klavier gelernt. Mit 15 Jahren habe ich dann gemerkt, dass Gitarre spielen bei Mädels großen Eindruck macht. Also hab ich tagaus tagein gespielt. Und inzwischen reicht es fürs Kabarett. Und meine neue Gitarre schaut so sexy aus.

wien.ORF.at: Sie waren Sozial- und Lernbetreuer für körperlich behinderte Jugendliche. Warum sind Sie jetzt Kabarettist?

Pizzera: Sozialbetreuer - das macht sich super, weil es sozial, links und aufgeschlossen klingt. Klar, die Arbeit muss dir schon auch liegen. Aber natürlich hab ich das auch wegen des Geldes gemacht. Warum ich Kabarettist bin? Weil ich es mag, wenn sich Leute amüsieren und glücklicher aus dem Kabarett rausgehen, als sie vorher reingegangen sind. Und weil ich wahnsinnig gern unterhalte!

wien.ORF.at: Wie oft werden Sie auf Ihren Namen angesprochen?

Pizzera: Viel zu oft. Würde ich nur für jeden dieser Sätze einen Euro bekommen, wäre ich reich. Kürzlich ist im Theatercafe in Graz eine Dame, Mitte 40, schöne Sprache, zu mir gekommen und hat gesagt: „Wie Sie mit so einem Nachnamen so schlecht über Italien reden können, weiß ich nicht. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“ Dabei kam Italien im Stück gar nicht vor. Viele fragen mich ob es ein Künstlername ist, aber nein, ich heiß einfach so.

wien.ORF.at: Am 1. Februar 2014 wird im Grazer Orpheum eine DVD von „Sex, Drugs & Klei’n’Kunst“ aufgezeichnet. Besteht auch noch die Chance, Ihr erstes Programm zu sehen?

Pizzera: Nein, das erste spiel ich nicht mehr. Das ist aus und vorbei. Es gibt eh eine Live-CD davon. Ich habe inzwischen einen Entwicklungsschritt gemacht. Im neuen Programm bin ich noch mehr ich, das fetzt noch mehr und das passt so. Ich freue mich auf jede Nummer, das ist nun mein neues Baby und hat die volle Aufmerksamkeit.

Das Interview führte Florian Kobler, wien.ORF.at

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