Ärzte protestieren vor dem AKH

„Personal-Raubbau heißt Medizin-Abbau“: Unter diesem Motto ist am Dienstag die Betriebsversammlung der Ärzte des AKH gestanden. Die Ärzte verschärfen ihre Gangart im Streit über die Streichung von Nachtjournaldiensten.

Die Ärzte ließen sich auch vom Nieselregen nicht abhalten und versammelten sich mit Regenschutz und Regenschirmen vor dem Spital. Die Aula im Eingangsbereich wollte das AKH nicht zur Verfügung stellen. So wurde vor dem Krankenhaus eine Bühne für die Redner zusammengebaut.

Betriebsrat: „An eine Grenze gestoßen“

Der Betriebsratsobmann des wissenschaftlichen Personals der MedUni Wien, Thomas Perkmann, meinte: „Das AKH ist bisher nicht zusammengebrochen, weil das Personal alle Kürzungen aufgefangen hat. Wir glauben aber, dass wir jetzt an eine Grenze gestoßen sind. Die Belastung für die Ärzte hat ein nicht mehr tragbares Ausmaß erreicht.“ Man sei zu Gesprächen bereit, Personalreduktionen würden aber auch Leistungsreduktionen für die Patienten der Wiener Universitätskliniken bedeuten. Notfälle seien nicht betroffen.

Ärzte vor dem AKH

APA/Herbert Neubauer

Ärzte protestierten im Nieselregen

Eine Teilnehmerin von einer der Universitätskliniken für Innere Medizin klagte: „Es geht nicht mehr. Wir schauen nur noch in den Computer. Wir haben keine Zeit für die Patienten - und für die Ausbildung der jungen Kollegen schon gar nicht mehr.“ „Wir machen für die Patienten das Leben schwer, das ist traurig und unnötig. Es geht hier nicht um Beträge, das ist aus meiner Sicht wirklich eine Ausrede“, meinte ein Arzt aus der Augenklinik. „Es wird in Zukunft viel längere Wartezeiten geben, und das AKH mit der Vollversorgung wird nicht mehr in diesem Ausmaß zur Verfügung stehen“, warnte ein Kollege aus der Frauenklinik.

Unterstützung der Ärztekammer

Der Protest der Ärzte der MedUni Wien findet seit seinem Beginn die volle Unterstützung der Wiener Ärztekammer. Präsident Thomas Szekeres: „Wir gehen nicht gern auf die Straße. Aber es gibt keine andere Möglichkeit.“

Rektor Wolfgang Schütz habe einfach elf Journalnachtdienste ohne entsprechende Planung gestrichen. Das treffe Ärzte und Patienten: „Es fehlen die Ärzte für wichtige Leistungen in der Nacht. Für Schmerzpatienten, für die Versorgung psychiatrischer Patienten, für die Versorgung gebärender Frauen. Dafür müssen die übrig gebliebenen Ärzte in der Nacht die doppelte Arbeit verrichten. Wir unterstützen selbstverständlich den Protest der Ärzte der MedUni Wien.“

Diese habe bei einseitigen Einsparbestrebungen andererseits Geld für Neubauten für Hunderte Beschäftigte in der Verwaltung und für ein Millionenbudget aufseiten des Rektorats.

Selbstanzeigen wegen Überlastung

Seit Jahresbeginn gibt es am AKH um elf Nachtjournaldienste weniger. Die Ärzte befürchten dadurch noch mehr Zusatzbelastungen im Nachtdienst. Daran konnte auch das Versprechen des Rektors, zusätzlich 22 Ärzte für die Dienste am Tag aufzunehmen, nichts ändern - mehr dazu in Weiter Protest gegen Kürzung. Als zusätzliches Druckmittel werden die Ärzte künftig Meldung machen, wenn sie infolge Überlastung Patienten gefährdet sehen - mehr dazu in AKH: Ärzte drohen mit internen Anzeigen.

Bereits Mitte Oktober vergangenen Jahres gab es heftige Proteste wegen der Auswirkungen der zwischen Betriebsrat und MedUni Wien abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Die Ärzte im Journalnachtdienst gehen seither nach 25 Stunden aus dem patientenbezogenen Dienst und sollen sich im Nachtdienst eventuell noch der Forschung etc. widmen. Das Ergebnis: Es fehlten jeden Vormittag 173 Ärzte für den Routinebetrieb inklusive der Ambulanzen, so der Betriebsrat.

Ärzte vor dem AKH

APA/Herbert Neubauer

Ärzte halten Luftballons mit ihren Forderungen

Schmerzpatienten: Volksanwalt prüft

Aufregung gibt es derzeit vor allem bei der Behandlung von Schmerzpatienten. Im Rahmen der Journalnachtdienstkürzungen wurde nämlich der Dienst eines Assistenzarztes im 24-Stunden-Schmerzdienst der Klinischen Abteilung für spezielle Anästhesie und Schmerztherapie abgeschafft. Im Rahmen dieses Dienstes wurden rund um die Uhr besonders schwer zu behandelnde Patienten betreut.

Das ruft nun die Volksanwaltschaft auf den Plan. „Der Journaldienst, der außergewöhnlich stark leidenden Patienten nach schwerwiegenden Eingriffen oder Krebspatienten bei unerträglichen Schmerzen beistand, muss sofort wieder eingerichtet werden", sagte Volksanwalt Günther Kräuter. „Jetzt müssen halt die Patienten leiden. Jetzt müssen sie warten und mit den Maßnahmen vorliebnehmen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden“, sagte der Primar der Abteilung, Hans-Georg Kress, gegenüber wien.ORF.at.

Rektor hält an Streichungen fest

MedUni-Wien Rektor Wolfgang Schütz lassen unterdessen die Proteste kalt: „Die Strukturreformen werden fortgesetzt, an der Anzahl der reduzierten Journaldienste wird festgehalten“, sagte er. In einem Gespräch zwischen ihm, Betriebsrat und der ärztlichen Direktion des AKH sei am Montag vereinbart worden, dass im Zuge der Umstrukturierungen alle Journaldienste evaluiert würden.

Bei der bisher vorgenommenen Kürzung von elf Nachtdiensten sollten für jeden zwei zusätzliche Ärzte aufgenommen werden. Damit würde die MedUni Wien die Ressourcen untertags erhöhen. Auch die Schmerzversorgung in der Nacht sei keineswegs gefährdet.

Stöger: Sache der Geschäftsführung

Für Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) ist der aktuelle Ärzteprotest eine Sache zwischen der Geschäftsführung und den Ärzten. Es gehe um Arbeitszeitfragen „die dort zu klären sind“, meinte der Ressortchef. Er fühle sich zuständig für die Versorgung der Patienten, und es sei „natürlich die Aufgabe“ der Krankenhausleitung, qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen, wenn Patienten Hilfe brauchen. Wenn weniger Ärzte in der Nacht arbeiten, könnten mehr am Vormittag eingesetzt werden, so seine „Logik“.

Mitterlehner zeigt Verständnis für Proteste

Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat Verständnis für den Protest der Ärzte als „Mittel, um Meinung zu artikulieren“. Er wünscht sich eine Lösung des Problems, „das sicher nicht durch uns entstanden ist“. Er sieht das Rektorat der Medizin-Uni Wien gefordert, so der Minister, aus dessen Budget die Ärzte bezahlt werden.

Wichtig ist Mitterlehner, dass „Patientenversorgung und Qualität nicht verschlechtert werden“. Ob es mehr Geld für die Uni geben wird, ließ der Minister offen. Er verwies darauf, dass derzeit an einer Gesamtlösung für den klinischen Mehrbedarf aller medizinischen Unis in Wien, Graz und Innsbruck sowie unter Einbeziehung der geplanten neuen Medizinfakultät in Linz gearbeitet werde. Die derzeitigen Probleme am AKH würden in diesen Prozess einbezogen. Ziel sei es, „möglichst eine für alle befriedigende Lösung zu erreichen“.

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