Minderjähriger Taschendieb abgängig

Der womöglich erst zwölfjährige Taschendieb, der am Freitag im Wiener Straflandesgericht nach 16 Tagen im Gefängnis wieder entlassen worden ist, ist laut Jugendamtssprecherin Herta Staffa nun abgängig.

Der Richter hatte den Burschen - im Unterschied zum Staatsanwalt - im Zweifel für unter 14 erklärt. Damit ist er strafunmündig - mehr dazu in Junger Taschendieb auf freiem Fuß. Der Bub war am Freitag nach einer polizeilichen Einvernahme in die „Drehscheibe“ - eine Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - gebracht worden. Dort dürfte er „nicht mal die Nacht verbracht haben“, sagte Staffa. Als sein Fehlen bemerkt wurde, wurde sofort eine Abgängigkeitsanzeige bei der Polizei erstattet. „Wir können ihn nicht einsperren“, erklärte Staffa.

Bub als Teil von „Kinderbande“

Zuvor hatte der Bub keine Auskünfte über seine Person, sein Alter oder seine Herkunft erteilt, „er redet nicht darüber“, sagte Staffa. Bereits vor seiner Festnahme am 22. Jänner soll sich der Bub öfters in der „Drehscheibe“ aufgehalten haben, allerdings stets nur tageweise.

Dem nur 1,55 Meter großen, schmächtigen und ausgesprochen kindlich wirkenden Buben war vorgeworfen worden, seit vergangenem November in der Bundeshauptstadt gewerbsmäßig und als Teil einer kriminellen Vereinigung 25 Personen - vorwiegend Touristen - bestohlen zu haben. Er dürfte einer auf Taschendiebstähle spezialisierten, europaweit tätigen „Kinderbande“ angehört haben.

Streit über Strafmündigkeit

Der Amtsarzt hielt den gebürtigen Bosnier, der Analphabet ist und nie eine Schule besucht hat, für jedenfalls 14 Jahre, wahrscheinlich 16 bis 18 Jahre. Dem widersprach allerdings ein zahnärztliches Gutachten, das Richter Andreas Hautz in Auftrag gegeben hatte. Demnach sind einige Zähne im Unterkiefer noch nicht ganz durchgebrochen, laut der Sachverständigen ist der Bub um die 14 Jahre.

Staatsanwalt Jörgen Santin hatte beim Prozess am Freitag mit aller Kraft versucht, dem Kind nachzuweisen, dass es bereits das 14. Lebensjahr vollendet hatte. Das nicht zuletzt deshalb, weil der Bub unter einem Alias-Namen bereits in Belgien straffällig geworden ist, ehe er in Österreich festgenommen wurde. Im dortigen Strafverfahren hatte er angegeben, am 1. Jänner 1999 geboren zu sein, sagte Gerhard Jarosch, Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft am Freitag. Auch in einem zweiten Verfahren habe der Bub 1999 als Geburtsjahr genannt. Anhand von Fingerabdrücken stehe fest, dass es sich um denselben Buben handelte.

Das kam im Prozess am Freitag nicht zur Sprache. Santin beantragte nach der Erstattung des zahnärztlichen Gutachtens eine Untersuchung des linken Handwurzelknochens des Burschen. Als dies vom Richter abgewiesen wurde, forderte er „die körperliche Untersuchung des Angeklagten, insbesondere der Geschlechtsorgane“. „Jetzt wird’s lächerlich“, entfuhr es da dem Richter, ehe er diesen Antrag abschmetterte, weil es sich dabei um einen „unzulässigen Erkundungsbeweis“ handle.

Gleich wieder aus Drehscheibe geflüchtet

In der Drehscheibe ist der Bub kein Unbekannter. So sei er schon mehrmals von der Polizei dorthin gebracht worden, diesmal ist er aber gleich wieder geflüchtet. „Er war nur vier Minuten bei uns, hat uns den Stinkefinger gezeigt und ist abgehauen“, sagte Drehscheiben-Leiter Norbert Ceipek gegenüber der Tageszeitung „Die Presse“.

„Der Junge ist sicher ein Opfer von Menschenhandel, und zu den Verbrechen wurde er gezwungen. Ich wünsche ihm kein Gefängnis. Aber wenn niemand die Hintergründe aufklärt, dann muss er weitermachen“, so Ceipek, der den Burschen unter seinem Alias-Namen kennt.

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