Strasser relativiert Agentengeschichte

Der Lobbyingprozess gegen Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser wird derzeit neu aufgerollt. Das Ersturteil - vier Jahre Haft wegen Bestechlichkeit - war wegen eines Formalfehlers aufgehoben worden. Strasser bekannte sich erneut nicht schuldig.

Strassers Anwalt Thomas Kralik räumte ein, die bisher von Strasser vorgetragene Agentengeschichte sei etwas „überspitzt formuliert“ gewesen. Im ersten Prozess hatte Strasser erfolglos versucht, das Gericht davon zu überzeugen, er habe die getarnten britischen Journalisten von Anfang an für Vertreter eines westlichen Geheimdienstes gehalten und sich nur zum Schein auf die Gespräche mit ihnen eingelassen, um sie zu enttarnen. Diese Darstellung wurde sowohl von Strasser als auch von seinem Verteidiger relativiert.

Der zweite Prozess gegen den früheren ÖVP-Innenminister und EU-Abgeordneten Ernst Strasser am Straflandesgericht.

APA/Georg Hochmuth

Strasser kam nach einem Skiunfall mit Krücken und Gips zur Verhandlung

Strassers Verantwortung im ersten Rechtsgang sei „ein bisschen unpräzise“ gewesen, räumte Kralik ein: Tatsächlich sei sein Mandant in einem „Spannungsverhältnis“ gestanden zwischen dem legitimen Wunsch, einen Kunden für seine Firma zu akquirieren, und seiner Vorsicht angesichts des ungeklärten Hintergrunds der vermeintlichen Lobbyisten.

„Nicht zugestimmt, Gesetze zu beeinflussen“

Strasser wies in seinem Eingangsstatement die Vorwürfe der Anklage zurück: „Ich habe weder irgendwann zu irgendeiner Zeit zugestimmt, irgendwelche Gesetze zu beeinflussen, und es gibt auch keinen Vertrag“, so der Abgeordnete.

Bezüglich der Firma der vorgeblichen Lobbyisten („Bergman & Lynch“) habe es von Anfang an widersprüchliche Informationen gegeben. Daher sei er „sehr skeptisch“ gewesen, weil er aus seiner Zeit als Innenminister vieles gewusst habe, was erst durch WikiLeaks und Edward Snowden öffentlich bekanntgeworden sei. Wie schon im ersten Prozess betonte Strasser, Vorschläge der Lobbyisten lediglich zur Prüfung an seine Fraktionskollegen weitergeleitet zu haben.

Kritische Befragung durch Richterin

Dass er trotz bestehender Verdachtsmomente den Kontakt mit den vorgeblichen Lobbyisten nicht abgebrochen hatte, begründete Strasser damit, dass er seinen Verdacht verifizieren habe wollen „und für den Fall, dass sich das als bedenkenlos herausstellt, schauen (wollte), was man mit denen machen kann“. Einem befreundeten Steuerberater, der die Firma der Lobbyisten überprüft hatte, habe er von seinem Geheimdienstverdacht nichts erzählt, „weil ich nicht wollte, dass es Zeugen gibt“. An den Verfassungsschutz habe er sich nicht gewandt, weil er gewusst habe, dass er den Beamten Beweise hätte liefern müssen.

Die Richterin ging auch die Protokolle jener Videos durch, die die britischen Journalisten bei den Treffen mit Strasser 2010/11 angefertigt hatten, und ließ mehrmals deutliche Zweifel an seiner Verteidigungslinie erkennen. Die Richterin hielt Strasser Gesprächspassagen entgegen, in denen er etwa empfiehlt, mit Regierungsstellen in Berlin und Rom Kontakt aufzunehmen, weil er dort Kontakte habe.

Auch ein Honorar will Strasser von den vorgeblichen Lobbyisten nicht gefordert haben. Zwar ist auf den Videos dokumentiert, wie er ihnen erklärt, dass seine Klienten 100.000 Euro jährlich bezahlen. Und auf die Frage, ob das also 25.000 Euro alle drei Monate bedeute, antwortet Strasser: „Wie auch immer, ja, und dann gibt es die Steuer.“ Eine Honorarforderung in dieser Höhe will er darin aber nicht erkennen, wie Strasser der Richterin versicherte.

Staatsanwältin nennt vier konkrete Gesetzesvorhaben

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft Strasser vor, sich als Amtsträger gegenüber dem vermeintlichen Lobbyingunternehmen verpflichtet zu haben, auf Gesetze Einfluss zu nehmen und für diese Dienste 100.000 Euro gefordert zu haben. Die Oberstaatsanwältin nannte in ihrem Eröffnungsplädoyer vier konkrete Richtlinien, die Gegenstand der Gespräche mit vermeintlichen Lobbyisten gewesen seien und für deren Beeinflussung Strasser Geld verlangt haben soll.

Der zweite Prozess gegen den früheren ÖVP-Innenminister und EU-Abgeordneten Ernst Strasser am Straflandesgericht.

APA/Georg Hochmuth

Strasser kurz vor Beginn der neuerlichen Verhandlung

Es gehe dabei um eine Richtlinie zur Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten, eine Elektroschrottrichtlinie, eine Richtlinie zu genetisch verändertem Saatgut sowie die Anlegerschutzrichtlinie. Letzteres Thema habe Strasser sogar selbst angesprochen, betonte die Oberstaatsanwältin: Er habe bei einem Gespräch mit den getarnten Journalisten nämlich geplante Regulierungen für Hedgefonds angesprochen und angeregt, das in Angriff zu nehmen.

Karas belastet Strasser erneut

Belastet wurde Strasser neuerlich vom Delegationsleiter der ÖVP in Brüssel, Othmar Karas, der wie schon im ersten Prozess zum Vorgehen Strassers im Zusammenhang mit der Anlegerschutzrichtlinie befragt wurde. Strasser hatte Anfang 2011 einen Abänderungsantrag der Briten an Karas’ Büro übermittelt und dem ÖVP-Delegationsleiter zufolge ein ungewöhnlich intensives Interesse an der Materie an den Tag gelegt. Von Strassers Büro habe es in der Causa acht Anrufe und vier E-Mails gegeben - was „nicht der Gewohnheit entsprochen hat“.

Video- und Telefonaufnahmen werden gezeigt

Der Prozess wird am Donnerstag mit der Vorführung der von den Briten aufgenommenen Videos fortgesetzt. Damals hatte die britische „Sunday Times“ verdeckt mitgefilmte Gespräche mit dem damaligen ÖVP-Delegationsleiter Strasser und drei weiteren EU-Abgeordneten veröffentlicht. Weil auf den Bändern zu sehen ist, wie Strasser 100.000 Euro Jahresgage für seine Dienste verlangt („Of course I am a lobbyist“), musste er zurücktreten und wurde wegen Bestechlichkeit angeklagt.

Journalisten angeblich für Agenten gehalten

Strasser rechtfertigte die Gespräche vor Gericht damit, dass er die als Lobbyisten auftretenden Journalisten durchschaut, sie aber für Geheimdienstagenten gehalten und sich nur zum Schein auf sie eingelassen habe. Das Gericht schenkte dem keinen Glauben und verurteilte ihn zu vier Jahren unbedingter Haft. „Sie werden in Österreich kein Gericht finden, das dieser Verantwortung glauben wird“, sagte der Richter damals.

Urteil für 13. März geplant

Am 13. März sollen die zwei Journalisten im Weg einer Videokonferenz aussagen. Sollte danach - wie vom Gericht angedacht - die Causa abschlussreif sein, wäre mit der Urteilsverkündung erst am späten Abend zu rechnen.

Strasser

APA/ Herbert Pfarrhofer

Strasser nach Aufhebung des Ersturteils

In der Lobbyistenaffäre, über die Strasser gestolpert war, muss wegen einer umstrittenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) ein zweites Mal verhandelt werden. Dieser hatte im vergangenen November das Ersturteil wegen eines Formalfehlers aufgehoben und zurück an die erste Instanz verwiesen.

100.000 Euro für konkretes Amtsgeschäft?

Aufgehoben wurde das Urteil, weil darin aus Sicht der Höchstrichter nicht klar genug herausgearbeitet wurde, dass Strasser die 100.000 Euro für die Beeinflussung einer konkreten EU-Richtlinie - und nicht der EU-Gesetzgebung allgemein - verlangt hat. Das ist für eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit aber nötig. Andernfalls läge bloßes „Anfüttern“ vor - und das war zum Tatzeitpunkt 2010/11 nicht strafbar.

Strasser war im Februar nach einem Skiunfall im Spital gelegen. Er war in Rußbach in Salzburg bei einer Kollision mit einem anderen Skifahrer schwer verletzt worden.