Strasser erneut schuldig gesprochen

Dreieinhalb Jahre Haft wegen Bestechlichkeit: In der Neuauflage des Prozesses gegen Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser ist ein erneuter Schuldspruch, aber eine Reduktion der Strafe erfolgt. Das Urteil wurde kurz vor 20.00 Uhr verkündet.

Das Gericht erachtete es als erwiesen an, dass sich Strasser als damaliger ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament zur entgeltlichen Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung bereit erklärt hatte - mehr dazu in news.ORF.at.

Verteidigung: „Das ist strafrechtlich nix“

Ernst Strasser habe „nie im Leben vorgehabt, sich in die EU-Gesetzgebung einzumischen“, auch wenn er den als Lobbyisten getarnten Journalisten etwas anderes vorgemacht habe. Das betonte Verteidiger Thomas Kralik in seinem Schlussplädoyer. Strasser habe „kein strafbares Verhalten gesetzt“ und sei daher freizusprechen. Sein Mandant habe mit den vermeintlichen Lobbyisten zwar EU-Richtlinien besprochen, aber keine Änderungsvorschläge weitergeleitet. Seine Gesprächspartner hätten von ihm auch gar kein „konkretes Amtsgeschäft verlangt“, sagte Kralik. Fazit des Anwalts: „Das ist strafrechtlich nix.“

Ernst Strasser machte von seinem Recht auf ein Schlusswort nicht Gebrauch. Er habe „etwas vorbereitet“, erklärte er, als ihm Richterin Helene Gnida das Wort erteilte, ziehe es aber vor, sich den Ausführungen seines Anwalts anzuschließen. Im Anschluss zog sich der Senat zur Beratung über die Schuld- und Straffrage zurück.

Anklage: „Abänderungsanträge weitergeleitet“

Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna betonte zuvor in ihrem Schlussplädoyer, Strasser habe Einfluss auf konkrete Richtlinien gegen Geld zugesagt. Sie erwähnte unter anderem die Elektroschrottrichtlinie und die Anlegerschutzrichtlinie, die in den Gesprächen mit den „Lobbyisten“ Thema gewesen sein. Der Angeklagte habe gewusst, dass er das Honorar nicht nur für allgemeine Beratungstätigkeit forderte, denn die „Lobbyisten“ hätten klar gesagt, dass ihre Klienten Einfluss auf Gesetze wollen und etwa Gesetzestexte verändert haben wollen.

In diesem Zusammenhang seien eben auch explizite Vorhaben genannt worden, die gerade im EU-Parlament diskutiert wurden. Die Staatsanwältin erinnerte daran, dass Strasser auch vorgefertigte Abänderungsanträge an Kollegen weitergeleitet hatte. Er habe sich „auftragskonform“ verhalten, daran sehe man, dass er es ernst genommen habe. Dass das Geld nicht ausgezahlt wurde, dürfe nicht als mildernd gewertet werden, appellierte Maruna. Strasser hätte die Interessen seiner Wähler vertreten müssen und nicht sein Mandat verkaufen dürfen, meinte sie.

Ernst Strasser

APA/Helmut Fohringer

Videobefragung von Journalisten scheiterte

Zuvor beantwortete Strasser, der sich nicht schuldig bekannte, weitere Fragen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Kurz nach 15.00 Uhr begann per Videoschaltung die Befragung jener beiden britischen Reporter, die Strasser in Schwierigkeiten gebracht hatten.

Doch die Befragungen dauerten nicht lange. Beide mussten wegen technischer Probleme abgesagt werden. Dem Gericht sei es trotz zweitägiger Tests nicht gelungen, eine funktionierende Videoverbindung nach London aufzubauen, hieß es aus dem Gerichtssaal. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf die Einvernahmen und griff auf die Protokolle aus dem ersten Verfahren zurück. Das Urteil wurde für den Abend erwartet.

Angeblich vier Vorhaben beeinflusst

Strasser habe sich - so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft - gegenüber den britischen Reportern bereiterklärt, für 100.000 Euro Jahreshonorar Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen. Die Journalisten hatten die entsprechenden Gespräche verdeckt mitgefilmt. Als die „Sunday Times“ die Bänder im Frühjahr 2011 veröffentlichte, musste Strasser zurücktreten.

Die Staatsanwältin nannte vier Gesetzesvorhaben, bei denen Strasser aktiv geworden sein soll: die EU-Richtlinien zum Elektroschrott, zur Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten, zu gentechnisch verändertem Saatgut und zum Anlegerschutz.

Strasser relativierte Agentengeschichte

In der Neuauflage des Prozesses ging es darum, ob Strasser nachgewiesen werden kann, dass er sich konkret für Gesetzesvorhaben eingesetzt hat - denn nur das ist strafbar. Strasser selbst sagte, dass er nur für allgemeine Beratungen zur Verfügung stehen habe wollen. Er habe die „rote Linie“ zwischen erlaubt und verboten strikt eingehalten.

Strassers Anwalt Thomas Kralik räumte jedoch im Verfahren ein, die bisher von Strasser vorgetragene Agentengeschichte sei etwas „überspitzt formuliert“ gewesen. Im ersten Prozess hatte Strasser erfolglos versucht, das Gericht davon zu überzeugen, er habe die getarnten Journalisten von Anfang an für Vertreter eines westlichen Geheimdienstes gehalten und sich nur zum Schein auf die Gespräche mit ihnen eingelassen, um sie zu enttarnen - mehr dazu in Strasser relativiert Agentengeschichte (wien.ORF.at; 4.3.2014).

Ernst Strasser

APA/Helmut Fohringer

Die Richterin hatte die Agentengeschichte mehrmals hinterfragt. So wollte sie etwa wissen, weshalb Strasser keine Zeugen zu den Treffen mitgenommen habe. Strasser sagte darauf, dass jede Änderung seines Verhaltens auffällig gewesen wäre. Er habe bei seinen Gesprächspartnern „Bedenken“ gehabt und prüfen wollen, ob es sich tatsächlich um „reale Geschäftspartner“ handelte.

Vier Jahre Haft im ersten Urteil

Bereits 2013 wurde Strasser wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde aber vom Obersten Gerichtshof wegen eines Formalfehlers aufgehoben und an die erste Instanz zurückverwiesen. Aus Sicht der Höchstrichter wurde nicht klar genug herausgearbeitet, dass Strasser das Geld für die Beeinflussung einer konkreten EU-Richtlinie - und nicht der EU-Gesetzgebung allgemein - verlangt hatte.