Prozess: Statt Terrorcamp nur Urlaub?

Ein 20-jähriger Mann ist heute wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Wien vor Gericht gestanden. Er bestritt aber, eine Ausbildung bei der radikalislamischen Al-Nusra-Front in Syrien durchlaufen zu haben. Er sei nur auf Urlaub gewesen.

Der Angeklagte, ein gebürtiger Türke, war im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern und mehreren Geschwistern nach Österreich gekommen. Er absolvierte die Schule und anschließend eine Lehre und war - wie die Staatsanwältin betonte - gut integriert. Zuletzt habe es aber öfters Probleme mit den Eltern gegeben, nachdem er begonnen hatte, die Altun-Alem-Moschee in Wien-Leopoldstadt zu besuchen.

Diese gelte als Salafisten-Zentrum, bemerkte die Anklägerin. Der dort tätige Imam predige eine strenge Form des Islam und rufe zum bewaffneten Kampf gegen „Ungläubige“ auf, wobei speziell der syrische Machthaber Baschar al-Assad als Gegner angesehen werde.

Anklage: In Bombenbau und Waffengebrauch geschult

Anfang Sommer 2013 verschwand der damals noch 19-Jährige plötzlich, ohne dass seine Familie etwas von seinem Verbleib wusste. Die Eltern machten sich Sorgen und erstatteten schließlich Abgängigkeitsanzeige.

Angeblich in syrischem Terror-Camp: Prozess gegen 20-Jährigen Wiener

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Angeklagter vor Prozessbeginn

Sie und auch die Brüder des Burschen berichteten der Polizei, der junge Mann habe sich zuletzt sehr verändert. Er habe sich nach seiner Arbeit regelmäßig bis weit nach Mitternacht in der Moschee aufgehalten, fünfmal täglich gebetet, einen Bart und einen Kaftan getragen und den Eltern aufgetragen, nicht mehr fernzuschauen, weil dort spärlich bekleidete Frauen zu sehen seien.

Nach Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden soll der junge Mann am 20. Juni Österreich verlassen haben und über Ungarn und die Türkei in ein Terrorcamp an der syrischen Grenze gelangt sein. Dort soll er im Juli bei der für Bomben- und Selbstmordanschläge bekannten Al-Nusra-Front im Bombenbau und Waffengebrauch geschult worden sein.

Verteidiger: Nur „jugendliche Prahlerei“

Diese Darstellung beruht auf Angaben von Brüdern und einem Freund des Angeklagten, mit denen er im fraglichen Zeitraum über Skype und Facebook Kontakt hatte. Diesen teilte er unter anderem mit, er befinde sich in Syrien und lasse sich „zum Kampf ausbilden“. Er nannte in diesem Zusammenhang auch Al-Nusra, die als verlängerter Arm von Al-Kaida gilt. Dabei habe es sich um „unbedachte Aussagen, jugendliche Prahlerei“ gehandelt, hielt dem Verteidiger Georg Haunschmidt entgegen. Sein Mandant habe in Wahrheit nie syrischen Boden betreten und keinen Kontakt zu Terroristen gehabt.

Der Angeklagte selbst erklärte in seiner ausführlichen Einvernahme, er habe ohne Wissen seiner Familie eine Schwester seiner Mutter im Nordosten der Türkei besucht: „Ich wollte auf Urlaub gehen. Ich wollte mich ein bisschen erholen.“ Er habe das türkische Staatsgebiet nie verlassen und unter anderem an einer Hochzeit teilgenommen, was er mit Fotos, die er dem Gericht vorlegte, zu untermauern trachtete.

Zwei Zeugen beim nächsten Verhandlungstermin

Die Brüder und der Freund, die im Vorjahr dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) noch bereitwillig Angaben zum möglichen Aufenthaltsort des Vermissten geliefert und damit die Basis für die Anklage geliefert hatten, zogen ihre Angaben im Zeugenstand teilweise mit entschiedener Vehemenz zurück.

Ein Bruder sagte dem Schöffensenat, er habe den Ermittlern gegenüber gelogen. Der Freund, der dem 20-Jährigen beispielsweise via Facebook „Ich hoffe, dass Allah deinen Jihad annimmt“ geschrieben hatte, erklärte, damals „psychische Probleme“ gehabt zu haben. Die Aussagen des Angeklagten, in Syrien bei der Al-Nusra-Front zu sein, habe er nicht ernst genommen: „Das waren Witze.“

Zum nächsten Verhandlungstermin sollen zwei Zeugen anreisen, die laut Verteidiger belegen können, dass sich der Angeklagte Ende Juni und den gesamten Juli hindurch durchgehend in der Türkei befunden habe. Der 20-Jährige, der Anfang Dezember bei seiner Einreise nach Österreich festgenommen worden war, bleibt vorerst in U-Haft.