Vergewaltigung in Gefängnis: 15 Monate Haft

Ein 17-Jähriger, der im Mai 2013 in der Justizanstalt Josefstadt einen 14-Jährigen vergewaltigt haben soll, ist zu 15 Monaten unbedingter Haft verurteilt worden. Zwei Mitangeklagte erhielten wegen Körperverletzung Haftstrafen auf Bewährung.

Der 17-Jährige war wegen Vergewaltiung, Körperverletzung und Nötigung angeklagt. „Sie sind sicher kein Sexualtäter“, meinte der Richter in der Urteilsbegründung. Er bezeichnete die Misshandlung mit dem Besenstiel als „klassisches Demütigungsverhalten von Jugendlichen im Zuge der Haftbedingungen“. „Fast noch grauslicher“ fand Gerstberger, dass der 14-Jährige zuvor vom Fußboden Abfall und Speisereste aufessen hatte müssen, in die der Hauptangeklagte zusätzlich hineingespuckt hatte.

Allerdings hielt das Gericht dem gebürtigen Südamerikaner zugute, dieser habe bei der Verhandlung „einen guten Eindruck gemacht und das Gefühl gegeben, sich mit der Tat auseinanderzusetzen“. Der Hauptangeklagte absolviert in der Justizanstalt Gerasdorf eine Schlosserlehre und soll dort eine Art Musterhäftling sein.

Bewährungsstrafen für Mitangeklagte

Bei den beiden Mitangeklagten war bei der Strafbemessung auf zwei jeweils aus Raubüberfällen resultierende Vorstrafen Bedacht zu nehmen. Je vier Monate wurden daher als Zusatzstrafen zu Freiheitsstrafen von 24 zu 21 Monaten verhängt und auf Bewährung ausgesprochen, da sich die Burschen, die sich der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung schuldig gemacht hatten, seit längerem wieder auf freiem Fuß befinden und mittlerweile einen Job bzw. eine Lehrstelle gefunden haben.

Der Hauptangeklagte meldete gegen seine Verurteilung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Der Staatsanwalt gab zu sämtlichen Urteilen vorerst keine Erklärung ab. Dem vergewaltigten Burschen wurden vom Gericht 700 Euro zugesprochen. Mit seinen darüber hinausgehenden Ansprüchen gegen die drei Angeklagten - Opfervertreterin Irene Oberschlick hatte insgesamt 15.000 Euro geltend gemacht - wurde er auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

„Bin nicht so ein Mensch“

Der 17-Jährige hatte sich nicht schuldig bekannt. „Mir ist wichtig zu sagen, dass Sie wissen, dass ich nicht so ein Mensch bin. Ich weiß, es schaut anders aus“, sagte er. Sein Verteidiger hatte zuvor darauf hingewiesen, dass es keine objektiven Beweise für die Vergewaltigung gebe: Am Tag nach der inkriminierten Misshandlung mit einem Besenstiel habe man bei einer ärztlichen Untersuchung beim 14-Jährigen keine entsprechenden Verletzungsspuren feststellen können. Dieser habe auch nicht über Schmerzen geklagt.

Die Verteidiger der beiden Mitangeklagten wiesen den Vorwurf zurück, die Vergewaltigung nicht verhindert zu haben. Jener Bursch, der den 14-Jährigen zu Beginn ebenfalls geschlagen und getreten hatte, hatte die Körperverletzung zugegeben. Die Rechtsvertreterin des Dritten meinte demgegenüber, ihr Mandant habe von dem Ganzen überhaupt nichts mitbekommen, weil er in seinem Bett geschlafen habe.

Öffentlichkeit wurde ausgeschlossen

Nach dem Vortrag der Anklage war die Öffentlichkeit am Dienstag von der Verhandlung ausgeschlossen, bei der Urteilsverkündung waren wieder Zuschauer zugelassen. Die Angaben des 14-Jährigen, der im Ermittlungsverfahren eingehend kontradiktorisch vernommen wurde, wurden auf einer DVD abgespeichert und standen dem Schöffensenat zur Beweiswürdigung zur Verfügung. Dem Burschen blieb daher ein Zeugenauftritt bei Gericht erspart.

Der 14-Jährige war im vergangenen Frühjahr mit den drei Burschen in einer Zelle der Justizanstalt Josefstadt gesessen. Er war in Haft, nachdem er bei einem versuchten Raubüberfall festgenommen worden war. Probleme dürfte er vor allem mit dem im Oktober 1996 geborenen, ursprünglich aus Südamerika stammenden Hauptangeklagten gehabt haben.

Wie der Staatsanwalt zu Beginn der Verhandlung darlegte, versetzte der Ältere dem Burschen am 6. Mai, nachdem am Abend die Zelle geschlossen worden war, nach einer verbalen Auseinandersetzung zunächst mehrere Ohrfeigen und stieß ihn schließlich zu Boden. Gemeinsam mit einem Mithäftling soll er dem auf dem Boden Liegenden Faustschläge in den Bauch versetzt und den Wehrlosen mit Füßen getreten haben.

Situation hatte sich beinahe beruhigt

Nach Darstellung des Staatsanwalts hatte sich die Situation danach fast schon wieder beruhigt, als der 14-Jährige den dritten Mitgefangenen ansprach, der unbeteiligt zugesehen hatte. Das veranlasste den gebürtigen Südamerikaner, neuerlich auf den 14-Jährigen loszugehen. Er misshandelte ihn laut Anklage zunächst mit einem nassen Geschirrtuch, leerte dann einen Mistkübel auf dem Boden aus und ließ den körperlich unterlegenen Burschen die Abfälle und Essensreste mit einem Löffel essen.

Unter Androhung weiterer Schläge soll er den 14-Jährigen dann gezwungen haben, sich komplett nackt auszuziehen. Der Anklage zufolge musste sich der verängstigte und eingeschüchterte Jugendliche gegen die Wand stellen und wurde von seinem Peiniger mit einem Besenstiel malträtiert. Obwohl der 14-Jährige - wie der Staatsanwalt ausführte - „vor Schmerzen geschrien hat“, kamen die zwei 17-Jährigen diesem nicht zu Hilfe.

Dass sein Mandant den 14-Jährigen zum Essen von Abfällen und zum Ausziehen zwang, nannte der Anwalt des 17-Jährigen „pubertäres Dominanzverhalten“. Der Angeklagte habe „den Besenstiel genommen und dreimal auf den Popo geschlagen oder gepikst“. Das sei „sicher widerwärtig und unakzeptabel“, aber keine „sexuelle Handlung“ gewesen.

Haft blieb nach Vergewaltigung aufrecht

Nach der Vergewaltigung meldete der 14-Jährige den Vorfall, die Verdächtigen wurden verlegt - teilweise in andere Justizanstalten. Der 14-Jährige blieb in Haft. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen versuchten schweren Raubes trotz eines Berichts der Jugendgerichtshilfe, in dem von einer verminderten geistigen Reife des 14-Jährigen die Rede war. Im Bericht kam auch die Vermutung vor, der 14-Jährige könnte noch nicht reif genug sein, um das Unrecht seiner Tat einzusehen. Damit wäre keine Strafbarkeit gegeben gewesen.

Eine psychiatrische Sachverständige teilte die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe. Darauf wurde der Jugendliche von der Richterin mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft unverzüglich enthaftet. Er kam in einer betreuten Wohngemeinschaft unter.

Der Fall hatte für heftige Diskussionen und Kritik an der damaligen Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) gesorgt. Diese hatte in einer ersten Reaktion auf den Übergriff gemeint, der Strafvollzug sei „kein Paradies“. Tage später ruderte sie allerdings zurück und setzte eine Kommission ein, die Verbesserungen im Jugendstrafvollzug in die Wege leitete. Seither ist für minderjährige Häftlinge eine Zweierbelegung zwingend vorgeschrieben.

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