„Weltuntergang“ im Jüdischen Museum

Viele Juden sind 1914 freiwillig und begeistert für Österreich-Ungarn in den Ersten Weltkrieg gezogen. Dem jüdischen Leben und Sterben widmet sich das Jüdische Museum Wien in der neuen Ausstellung „Weltuntergang“.

„Ich will, dass alle meine Soldaten gläubig sind“, ließ Franz-Joseph I. zu Kriegsbeginn verlautbaren. Ob christlich oder jüdisch, spielte für den Kaiser keine Rolle. Viele freiwillige Meldungen von Juden waren die Folge. „Für die jüdische Bevölkerung Österreich-Ungarns hatte der Erste Weltkrieg weitreichende Folgen“, erklärte Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums, am Mittwoch.

Ausstellung "Weltuntergang" im Jüdischen Museum Wien

Sammlung Patka

Die Rotgardisten Egon Erwin Kisch und Leo Rothziegel, 1918

Besonderes Verhältnis zum Kaiser

Vor 1914 waren die Juden des Habsburger-Reiches gleichgestellt, erstmals konnten sie ihre Religion ohne Einschränkungen ausüben. Franz-Joseph war in der jüdischen Bevölkerung beliebt und geschätzt - der Themenraum „Unser Kaiser“ zeigt das besondere Verhältnis zwischen dem Herrscher und der jüdischen Gemeinde.

Unter anderem sind dort eine Lobeshymne auf den Herrscher, Prunkgeschenke der Gemeinden an Franz-Joseph und Bilder des Kaiserbesuchs in Jerusalem, wo er unter anderem für die dortige Synagoge spendete, zu sehen. Denn vor Ausbruch des Krieges waren die Juden in Jerusalem zu einem großen Teil emigrierte Galizier und damit Untertanen der Monarchie.

„Viele Juden zogen mit großer Begeisterung und patriotisch für Kaiser und Vaterland in den Krieg“, so Spera. Im Angesicht der antisemitischen Pogrome im Zarenreich erhoffte man sich nicht nur Anerkennung in der Bevölkerung, sondern auch eine Verbesserung der Situation für die Juden im Osten Europas. „Ein Trugschluss, wie sich rasch nach Ende des Krieges erweisen sollte“, sagte die Direktorin.

Ausstellung "Weltuntergang" im Jüdischen Museum Wien

Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv

Der Krieg endete mit Zerstörung und einer Zunahme des Antisemitismus

„Weltuntergang“ für jüdische Bevölkerung

Mit Kriegsende nahm der bisher praktisch verbotene Antisemitismus zu, auf der Suche nach einem Sündenbock für den verlorenen Krieg wurde vor allem das völkische Lager in Deutschland bei den Juden fündig. Viele junge Juden überlegten auszuwandern - der Sozialismus und die Zionismusbewegung wurden stärker.

Die jüdische Bevölkerung verlor nicht nur ihre Gleichstellungsrechte, auch wurden viele Familien durch den Zerfall der Monarchie zerrissen: „Für die jüdische Bevölkerung der Donau-Monarchie war es tatsächlich ein Weltuntergang“, erklärte Kurator Marcus G. Patka den Titel der Ausstellung.

Ausstellung mit Erinnerungen

Den Bogen spannt die Ausstellung weit über die vier Kriegsjahre hinaus: Von der Vorkriegszeit geht es über die „Fratze des Krieges“ bis zur gegenwärtigen Situation von Juden im Bundesheer der Zweiten Republik. „Bisher war der jüdische Aspekt des Ersten Weltkriegs weitgehend unerforscht“, sagte Spera. Um die Schau auszustatten, habe das Museum einen Aufruf gestartet, Objekte und Erinnerungen zu teilen - diesem seien Juden aus aller Welt nachgekommen.

Interviews mit Historikern und Experten begleiten die Themengebiete, alte Fotos und die wenigen verfügbaren Videomaterialien werden per Beamer an die Wände projiziert. Von der Decke hängen Banner, die einzelne jüdische Persönlichkeiten oder Schicksale präsentieren.

Ausstellung "Weltuntergang" im Jüdischen Museum Wien

Sammlung Yossi Charny

Karte aus dem Ersten Weltkrieg

Zerstörung der größten jüdischen Lebenswelt

Geografisch verortet ist die Schau sowohl in Wien und in Jerusalem als auch in Galizien: „Das war die Zerstörung der größten jüdischen Lebenswelt, viele Menschen flüchteten schon während des Krieges nach Wien“, sagte Patka. Nach Kriegsende kam es hier zu den ersten antisemitischen Pogromen.

Service:

Die Ausstellung „Weltuntergang. Jüdisches Leben und Sterben im Ersten Weltkrieg“ ist bis 14. September im Jüdischen Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, geöffnet.

Um die große Zeitspanne und die vielen Aspekte von Frauen im Ersten Weltkrieg über Feldrabbiner, die sich sowohl um das religiöse Wohl als auch um die koschere Verpflegung sorgten, bis hin zur Veteranenorganisation „Bund Jüdischer Frontsoldaten“ abzudecken, setzte der Kurator auf wenige, aber aussagekräftige Objekte. Für das Kriegsgeschehen selbst stehen nicht nur die Propagandaplakate der Mittelmächte und der Entente, sondern etwa auch ein Prothesenkoffer.

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