YLine-Prozess: „Mehr Schein als Sein“

Fast 13 Jahre nach der Pleite der Internetfirma YLine stehen elf Angeklagte wegen Untreue, Bilanzfälschung und schweren Betrugs in Wien vor Gericht. YLine sei „Schein als Sein“ gewesen, sagte der Staatsanwalt zum Auftakt.

Die vom Ex-IBM-Manager Werner Böhm im April 1998 gegründete Firma galt als ein Shootingstar des New-Economy-Hypes um die Jahrtausendwende. Aktien wurden an der Wiener Börse und an der damaligen Brüsseler Wachstumsbörse EASDAQ ausgegeben, forciert von der US-Investmentbank Lehman Brothers. Im Zuge eines großen Computergeschäfts mit IBM, das einige Nummern zu groß war, ging YLine schließlich 2001 pleite. Dieser Deal wird im Prozess eine zentrale Rolle spielen. Der Masseverwalter übermittelte 2002 im Auftrag der Gläubiger eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft.

Das börsenotierte Unternehmen sei nicht darauf ausgerichtet gewesen, reale Umsätze zu generieren, sondern in der Öffentlichkeit ein möglichst gutes Bild zu erzeugen, um Kapital einzusammeln, sagte Staatsanwalt Alexander Marchart.

Aktienkurse gepusht und dann verkauft?

„Es gab keine Umsätze, es kam kein Geld herein“, so der Ankläger. Stattdessen habe man auf neues Kapital durch Kapitalerhöhungen gesetzt. Die erworbenen Beteiligungen seien de facto wertlos gewesen und hätten auch keine Umsätze hereingebracht.

YLine sei eigentlich schon zu Jahresende 2000 zahlungsunfähig gewesen, zumindest aber im Jänner 2001. Statt aber dann - wie es das Gesetz verlange - die Reißleine zu ziehen und einen Konkurs zu beantragen, seien weiterhin Aktivitäten gesetzt worden, um die Aktienkurse zu pushen. Immer wenn dies gelungen sei, habe man versucht eigene Aktienpakete möglichst gewinnbringend zu verkaufen.

Werner Böhm

APA/Hans Punz

Hauptangeklagter Werner Böhm im Gerichtssaal kurz vor Prozessbeginn

Böhm beteuerte Unschuld

Der Verteidiger des im YLine-Prozess Hauptangeklagten Werner Böhm, Gründer und ehemaliger Chef der Internet-Firma YLine, hat in seinem Plädoyer die Unschuld seines Mandanten betont. Er hoffe, dass in einem fairen Verfahren gelingen werde, die Schöffen von der Unschuld Böhms zu überzeugen, so Böhm-Anwalt Oliver Scherbaum.

Es gehe bei diesem Strafverfahren nicht darum, ein Spektakel zu veranstalten, sondern nach 13 langen Jahren die Geschichte von YLine aufzuarbeiten. Böhm habe selbst im September 2001 den Konkursantrag eingebracht.

Die YLine-Causa sei nicht so einfach, wie es der Staatsanwalt auf Basis eines Jahre nach der Insolvenz erstellten Sachverständigengutachtens in seiner Anklage vorgebracht habe. Einem Unternehmen stünde dagegen nur ein kleines Zeitfenster für Entscheidungen zur Verfügung und es habe nicht den Vorteil der späten Erkenntnis über Marktentwicklungen. Auf diesem im Jahr 2005 erstellten Gutachten basiere die Anklage aber fast vollständig. Da seien andere Marktgegebenheiten bekannt gewesen als in den Jahren 1999 oder 2000.

Lange Verfahrensdauer als Milderungsgrund?

Die von der Anklage vorgeworfenen spekulativen Geschäfte oder unrechtmäßigen Bereicherungen werde man nicht finden, sehr wohl aber den Paradefall, wie internationale Unternehmen ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen, ohne Rücksicht auf die Existenz ihrer Vertragspartner nur auf ihren Vorteil schauten, so Anwalt Scherbaum.

Er spielte dabei auf den Kauf von 30.000 IBM-Computern durch YLine hin, deren hohe Rückzahlungsraten laut Anklage schlussendlich zur Zahlungsunfähigkeit der YLine geführt haben. „Sie werden Enttäuschungen über nicht eingehaltene und vorgetäuschte Zahlungsversprechen von Geschäftspartnern, großen Unternehmen und Freunden finden“, so der Anwalt von Böhm.

Scherbaum führte auch die lange Verfahrensdauer für seinen Mandanten ins Treffen. Heute, im Jahr 2014, dürfte es kaum mehr möglich sein, aufzuklären, was damals in den Jahren 2000 und 2001 los gewesen sei.

Vorwurf: Betrug, Bilanzfälschung, Untreue

Zahlreiche weitere Verhandlungtermine bis Juni sind bereits fixiert. Die Anklage spricht von Untreue, gewerbsmäßigem schweren Betrug, betrügerischer Krida und grob fahrlässiger Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen. Der Strafrahmen reicht bis zu zehn Jahren Haft. Allein der durch die Untreuehandlungen bei der YLine verursachte Schaden beläuft sich laut Anklageschrift auf über 26 Millionen Euro. Hauptangeklagter ist Böhm. Der heute 49-Jährige hat alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe immer bestritten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Langwierige Ermittlungen

Im September 2001 war das Unternehmen insolvent. Noch im Juni 2001 hatte die US-Investmentbank Lehman Brothers zum aggressiven Kauf der YLine Aktie geraten. YLine sei nie vom Gedanken geleitet gewesen, „Geld zu verdienen“, „sondern vielmehr darauf bedacht gewesen - insbesondere durch die Aufnahme von Eigenkapital am Kapitalmarkt - eine geeignete Finanzierung der laufenden Aufwendungen sicherzustellen“, begründete der Masseverwalter im Jahr 2002 seine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft im Auftrag der YLine-Gläubiger.

Fertiggestellt wurde die Anklage nach jahrelangen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die die Causa erst mit ihrer Gründung im September 2011 übernommen hatte. Ende 2012 lag dann die Anklage vor. Nach Einsprüchen stellte das Oberlandesgericht (OLG) Wien das Verfahren gegen einen der ursprünglich zwölf Angeklagten wegen Verjährung der Vorwürfe ein. Nun kommt es aber zur Hauptverhandlung. Die lange Verfahrensdauer könnte dabei durchaus strafmildernd ausgelegt werden, wie etwa die Causa Libro gezeigt hat.

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