Opfer im Rollstuhl: Teilbedingt für Lenkerin

Nach einem Verkehrsunfall ist am Freitag eine 48-jährige Wienerin zu eineinhalb Jahren Haft - ein Drittel davon unbedingt - verurteilt worden. Die Frau stieß laut Anklage in Favoriten eine 26-Jährige nieder. Das Opfer sitzt seither im Rollstuhl und ist ein Pflegefall.

„Sie liegt seit diesem Tag im Spital. Sie war auf dem Weg zu einer Geburtstagsfeier, auf die sie sich sehr gefreut hat. Und dann wurde ihr Kopf zermalmt“, sagte der Vater der jungen Frau, ein Rechtsanwalt, der nun die rechtlichen Interessen seiner Tochter vertritt. Er machte als Privatbeteiligter einen Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 500.000 Euro geltend. 100.000 Euro sprach ihm Richter Christian Gneist zu.

Frau angefahren: Angeklagte vor Gericht

ORF

Die Angeklagte vor Gericht

Angeklagte bereits enthaftet

Die Angeklagte wurde noch am Freitagnachmittag enthaftet, da sie seit dem Unfall in U-Haft gesessen war und ihr diese Zeit auf den unbedingt ausgesprochenen Strafteil angerechnet wurde. Das Urteil ist rechtskräftig. Verteidiger Sebastian Lesigang verzichtete nach Rücksprache mit seiner Mandantin auf Rechtsmittel.

Dass die Frau den Schaden in finanzieller Hinsicht wiedergutmachen kann, dürfte bei realistischer Betrachtung auszuschließen sein. Formal muss sie zwar die 100.000 Euro binnen zwei Wochen bezahlen, die 48-Jährige ist infolge einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer diagnostizierten Depression allerdings frühpensioniert und besachwaltert.

Pkw in Schule gestohlen

Laut rechtskräftigem Urteil entwendete sie am 14. November 2013 in der Schule, die zwei ihrer drei mittlerweile erwachsenen Kinder besucht hatten, einer Lehrerin ihren Pkw, indem sie in das Gebäude eindrang und der Pädagogin ihre Handtasche mit den Fahrzeugschlüsseln stahl. Mit dem BMW, mit dem sie danach von dem an sich überwachten Lehrerparkplatz davonbrauste, unternahm die 48-Jährige zwei Tage später eine „Spazierfahrt“, wie Staatsanwältin Valerie Walcher formulierte.

Die 48-Jährige, die zu diesem Zeitpunkt weder alkoholisiert war noch unter dem Eindruck sonstiger bewusstseinsverändernder Substanzen stand, touchierte am Abend des 16. November auf der Laxenburger Straße zunächst einen geparkten Pkw. Der BMW wurde dabei erheblich beschädigt.

Drei Kreuzungen bei Rotlicht überfahren

Die Lenkerin setzte ihre Fahrt ungerührt fort und überfuhr hintereinander bei Rotlicht drei Kreuzungen. Im Kreuzungsbereich Laxenburger Straße/Gudrunstraße krachte es dann. Die Frau verriss ohne ersichtlichen Grund den Pkw, geriet auf den Gehsteig und stieß einen Verkehrszeichensteher um, der auf die 26-Jährige fiel und die Frau, die gerade vorschriftsmäßig die Straße überqueren wollte, zu Boden warf.

Für diese waren die Folgen fatal. Die 26-Jährige erlitt einen offenen Schädelbruch, eine Hirnprellung, eine Zwischenhirnblutung, Brüche der Augenhöhle und des Schläfenbeins, einen Bruch des linken Jochbogens, eine Nasenbeinfraktur und zahlreiche Wirbel- und Rippenbrüche.

„Es war leider Automatikschaltung“

„Ich möchte mich bei der Familie entschuldigen, wenn das akzeptiert wird“, sagte die Angeklagte. Sie behauptete, eine Freundin, die sie nicht namentlich nennen könne, habe ihr telefonisch den Pkw für das Wochenende „angeboten“. Ein Mann habe ihr dann die Schlüssel vorbeigebracht. Sie habe mit dem fremden Fahrzeug eine ehemalige Schulfreundin besuchen wollen. Während der Fahrt sei ihr dann „schwindlig“ geworden: „Weil ich einen niedrigen Blutdruck habe.“

Sie habe gegen ihren Schwindel in ihrer Handtasche nach einer Wasserflasche gesucht, diese aber nicht gefunden. Das Auto habe sie nicht anhalten können: „Es war leider eine Automatikschaltung. Mit der bin ich das letzte Mal vor 20 Jahren gefahren.“ Außerdem habe sie „die Bremse nicht richtig erwischt“.

Laut Gutachten der Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter war die 48-Jährige ungeachtet ihrer psychischen Erkrankung zum Tatzeitpunkt zurechnungs- und damit schuldfähig. Ihre Persönlichkeitsstörung hatte die Frau nie fachspezifisch oder medikamentös behandeln lassen. Der Führerschein wurde ihr nach dem tragischen Unfall von Amts wegen abgenommen.