Größte Schaurestaurierung des Belvedere
„Um die Fachwelt und die breite Öffentlichkeit im Sinne unserer zentralen musealen Aufgabe der Vermittlung über den Fortlauf dieses außergewöhnlichen Restaurierungsprojekts zu informieren, haben wir den Weg der Schaurestaurierung gewählt (...)“, sagte Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere. Besucher können jeden Donnerstag und Dienstag miterleben, wie ein aus acht Flügelbildern bestehendes Altarensemble von Rueland Frueauf d.Ä. untersucht, konserviert, restauriert und wissenschaftlich erforscht wird.
Belvedere, Wien
Schaurestaurierung des Altars von Rueland Frueauf d. Ä.
Wissenschaftler lassen sich über Schultern schauen
Mehr als zwei Jahre arbeiten die Experten an den Werken im Oberen Belvedere. An zwei Tagen in der Woche sind die Türen zur temporären Werkstatt im Oktogon geöffnet. Die Besucher können hier die Arbeit der Restauratoren live und aus nächster Nähe miterleben und jederzeit den aktuellen Fortschritt ablesen.
Ein begleitender Blog gibt auf schaurestaurierung.belvedere.at Auskunft über die jüngsten Entwicklungen.
Beteiligt an den Arbeiten sind Wissenschaftler der Akademie der bildenden Künste Wien, der Universität Darmstadt, der Universität Hamburg und des Zentrallabors des Bundesdenkmalamts. So orientiert sich etwa der Befund und der Zustand der Tafeln an den visuellen und mikroskopischen Untersuchungen sowie Betrachtungen im ultravioletten Licht und Röntgenaufnahmen, die Manfred Schreiner vom Naturwissenschaftlichen Labor der Akademie der bildenden Künste Wien durchführt.
Die acht Tafelgemälde erfüllten als Flügel des Altars eine gemeinsame Funktion. Die Konservierung und Restaurierung der im Belvedere bewahrten acht Tafeln soll den massiven Eingriffen nach Auflösung ihrer originalen Funktion im ehemaligen Altargefüge sowie den vergangenen Überarbeitungen und Restaurierungen gerecht werden. Ziele sind die Sicherung der originalen Bildträger und Malschichten sowie die ästhetische Annäherung an das Erscheinungsbild der Gemälde als Ensemble.
Belvedere, Wien
Tafeln durch massive Eingriffe stark geschwächt
Die Geschichte der Tafeln ist typisch für die Kunst- und Kulturgeschichte der letzten Jahrhunderte. Der Zeitpunkt der Demontage aus dem Altargefüge ist bislang nicht bekannt. 444 Jahre nach ihrer Entstehung wurden die vier beidseitig bemalten Tafelbilder in den Jahren 1930 bis 1934 im Kunsthistorischen Museum in Wien in acht Bildtafeln aufgespalten. Dieser massive Eingriff hat die Tafeln stark geschwächt. Bewegungen und Verformungen infolge von wechselnder Holzfeuchtigkeit führten vereinzelt zu Rissbildungen in den Malschichten.
Schaurestaurierung Rueland Frueauf der Ältere, bis Herbst 2015, Oberes Belvedere, Dienstag und Donnerstag, 10.00 bis 18.00 Uhr.
Ausfluglöcher in Rand- und Fugenbereichen weisen Spuren eines früheren Wurmbefalls auf. Haftungsverluste und Blasenbildung von Malschichten entstanden. Es kam zu Farb- und Grundierungsverlusten bis zum Holzbildträger. Montagelöcher, die noch vor der Spaltung durch die beidseitig bemalten Tafeln gebohrt worden waren, lassen auf eine Fremdverwendung schließen.
Der Zustand der acht Tafeln ist heute weitgehend stabil, dennoch zeigen sich vielfältige Schadensbilder, wie Rissbildungen, Oberflächenverschmutzungen, Malschichtblasen und Aufstellungen, zu stark gereinigte und damit reduzierte, wie auch verätzte Malschichten, gealterte, spröde Kittungen, nachgedunkelte Farbergänzungen sowie gegilbte, inhomogen aufgetragene Firnisse, die die Malerei fleckig erscheinen lassen.
Belvedere, Wien
Ausstellung im Herbst 2015
Die Forschungsergebnisse und -erkenntnisse durch die maltechnischen Untersuchungen und während der Restaurierung werden in einen Ausstellungskatalog einfließen, die restaurierten Tafeln werden in einer Sonderausstellung präsentiert und anschließend in die Dauerausstellung der Sammlung Mittelalterlicher Kunst des Belvedere integriert.
Die Ergebnisse der Schaurestaurierung werden in der ersten umfangreichen Rueland Frueauf-Ausstellung im Herbst 2015 im Unteren Belvedere gezeigt. Die wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnisse werden ebenfalls in diese Ausstellung einfließen, die sich erstmals dem Vater und dem Sohn Frueauf sowie deren Kreis widmet.