Wiener Prostitutionsgesetz umstritten

Nach knapp drei Jahren der Neuregelung des Wiener Prostitutionsgesetzes zieht die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) eine positive Bilanz. Kritik kommt allerdings vom Verein LEFÖ, der Migrantinnen und Betroffene betreut.

Seit 1. November 2011 ist die Sexarbeit in Wien neu geregelt. „Mit dem Wiener Prostitutionsgesetz haben wir in Bezug auf Straßenprostitution vor allem eines erreicht: Sicherheit um die gesetzliche Regelung statt Schutzzonen-Chaos“, sagte Frauenberger zur APA.

Prostituierte haben keine Vertretung

Frauenberger sprach sich auch für eine verstärkte Einbindung der Betroffenen aus. Diese sei wichtig, „weil es keine Vertretung in dem Sinn gibt“. Grundsätzlich sollen die Sexarbeiterinnen abgesichert sein - sowohl im arbeitsrechtlichen Sinn, als auch was den Schutz vor Ausbeutung und Gewalt betrifft.

Wolfgang Langer von der Meldestelle für Prostitutionsangelegenheiten der Wiener Polizei sieht die Entwicklung durch das neue Prostitutionsgesetz in der Bundeshauptstadt positiv. Das Ziel wurde großteils erreicht, Straßenprostitution gebe es nur mehr an zwei Standorten, sagte der Experte zur APA. Diese Entwicklung sei positiv zu bewerten, denn der Straßenstrich sei unsicher und unhygienisch, die Frauen könnten nun indoor arbeiten.

Kaum Verbesserungen laut LEFÖ

Dem Verein LEFÖ, der Beratung für Migrantinnen anbietet, zufolge habe das Gesetz die Lage für die Straßenprostituierten kaum verbessert. „Die Verlagerung in Gewerbe- und Industriegebiete hat nicht zu Beruhigung geführt“, sagte Helga Amesberger vom Institut für Konfliktforschung. „2011 gab es drei erlaubte Straßenzüge, jetzt nur noch die Brunner Straße mit rund 20 bis 30 Frauen“, sagte LEFÖ-Sprecherin Renate Blum.

Die Zahl der Sexarbeiterinnen, die ihre Tätigkeit auf der Straße ausüben, hat sich laut LEFÖ seit dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes „rapide reduziert“. Langer bestätigte diese Wahrnehmung: Der Straßenstrich befindet sich aktuell nur mehr in der Brunner Straße in Liesing sowie in der Einzingergasse/Autokaderstraße in Floridsdorf - mehr dazu in Floridsdorf: Straßenstrich erregt Gemüter. An beiden Standorten würden nie mehr als 30 Sexarbeiterinnen stehen. „Vor zwei, drei Jahren waren es noch 200 oder 300 Prostituierte“, sagte Langer.

Straßenstrich in Floridsdorf

WIFF

Straßenstrich in Wien-Floridsdorf

Verlagerung in den „Indoorbereich“

Zwei Ziele hat das Prostitutionsgesetz, so Amesberger, die auch Mitglied der Arbeitsgruppe „Länderkompetenzen Prostitution“ ist: Die Verlagerung von Sexarbeit in den Indoor-Bereich und aus den Wohngebieten.

„Die Verlagerung zu neuen Standorten führt zu neuen Bürgerprotesten und Polizeiverordnungen. Man darf auch nicht davon ausgehen, dass alle Betroffenen in den Indoorbereich ausgewichen sind - ein Teil arbeitet Camouflage, also nicht mehr durch den Kleidungsstil sichtbar“ - insgesamt sei die Straßenprostitution unsichtbarer geworden.

Aktuell ist ein neu entstandener, sichtbarer Straßenstrich in Wien-Floridsdorf in der Einzingergasse/Autokaderstraße Thema - mehr dazu in Zeitliche Verbote für Straßenstrich Floridsdorf, zuvor der Bereich Auhof und die Brunner Straße. Dabei war die Zahl von Sexarbeiterinnen in den dafür bekannten Straßen schon vor Inkrafttreten des Gesetzes eher gering. Bis zu 160 Frauen seien es in ganz Wien gewesen, so Amesberger unter Berufung auf eine Evaluierung der Situation durch die Beratungsstelle „Sophie“ aus dem Jahr 2010.

Bessere Hygiene- und Sanitärbedingungen

Einen positiven Aspekt habe das Prostitutionsgesetz, doch dieser beschränkt sich nach Angaben der Sexarbeiterinnen einzig auf die besseren Hygiene- und Sanitärbedingungen, die sich im Zuge des Prostitutionsgesetzes aufgrund der schärferen Auflagen für Bordelle verbessert hätten.

Die vom Flächenwidmungsplan erlaubten Gebiete für Straßenprostitution sind für Blum nicht als Handlungsanleitung zu verstehen und daher nicht maßgeblich. „Sie müssten von politischer Seite als solche anerkannt werden“, ansonsten wären Proteste die bekannte Folge.

1.000 Euro Miete im Laufhaus

Warum Sexarbeit überhaupt auf der Straße angeboten wird, erklärt sich für die Wissenschafterin Amesberger durch massive finanzielle Vorteile: Während für die Miete in einem Laufhaus monatliche Kosten von 1.000 Euro aufwärts anfallen und bei der Arbeit in einem Bordell 40 bis 50 Prozent der Einnahmen an den Betreiber bezahlten werden müssen, entstehen auf der Straße keine Fixkosten, abgesehen von Kondomen und fallweise einem Taxi. „Die Straße hat selbstbestimmtes Arbeiten erlaubt“, argumentierte Blum.

Sind Sexarbeiterinnen verbotener Weise weiterhin in den sogenannten Schutzzonen tätig, dann müssen sie eine gestiegene potenzielle Gefahr, was die Freier betrifft, in Kauf nehmen: „Sie müssen schneller die Bedingungen aushandeln, das erschwert die Anbahnung an sich, aber auch die Einschätzung des Kunden fällt so schwieriger“, erläuterte Amesberger die neue Situation.

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