Neonazi-Homepage: Diskussion wegen Akteneinsicht

Die Veröffentlichung der Daten zweier Anzeiger auf der Neonazi-Homepage Alpen-donau.info heizt die Diskussion über den Umgang mit der Akteneinsicht in Strafverfahren erneut an. Staatsanwalt Gerhard Jarosch hält Maßnahmen gegen die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten für nötig.

Jarosch, der Vorsitzende der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte, ist der Meinung, dass man Verfahrensbeteiligte schützen muss. Versuche, solche Veröffentlichungen zu sanktionieren, seien in der Vergangenheit immer politisch gescheitert. Aber man könnte überlegen, dass personenbezogene Daten von Opfern, Beschuldigten und Zeugen prinzipiell nicht in den Akt kommen - also technische Vorkehrungen getroffen werden, dass die Polizei diese Daten zwar erfasst, die anderen Verfahrensbeteiligten sie aber nicht einsehen können.

Justiz sieht Handlungsbedarf bei Polizei

Die Neonazi-Internetseite Alpen-donau.info hat zwei Personen, die die Polizei auf die Aktivitäten der Website aufmerksam gemacht hatten, im Internet geoutet. Die beiden fühlen sich dadurch bedroht und ärgern sich über die Staatsanwaltschaft Wien. Denn die dürfte die Anzeigen samt Telefonnummern der beiden Betroffenen weitergegeben haben. Gegen diesen Vorwurf wehrt sich nun die Justiz und meint, die Polizei solle in solchen Fällen künftig anders agieren.

Justizsektionschef Christian Pilnacek meint im Ö1-Interview, die Polizei müsste in Fällen, bei denen rechtsradikale Aktivitäten angezeigt werden, Personendaten gar nicht erst an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Denn die Identität der Meldenden sei kein „Ermittlungsfaktum“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Anwalt ortet keine Gesetzeswidrigkeit

Die beiden Personen haben gegen die Veröffentlichung ihrer Namen, Adressen und Telefonnummern kaum rechtliche Mittel. Er sehe keine Gesetzeswidrigkeit, sagte Medienanwalt Alfred Noll zur Austria Presse Agentur (APA). Personen, die sich auf diese Weise engagieren, hätten allerdings die Möglichkeit, bei der Meldestelle den vertraulichen Umgang mit ihren Daten anzufordern.

Anders als Jarosch hält Noll Strafen für den Verstoß gegen ein Verwertungsverbot oder andere Maßnahmen gegen Veröffentlichungen von Aktenteilen nicht für nötig. Laut Strafprozessordnung haben die Verfahrensbeteiligten das Recht der Akteineinsicht und der Anfertigung von Kopien. In Paragraf 54 ist auch ein Verwertungsverbot formuliert, das die Veröffentlichung personenbezogener Daten anderer Beteiligter oder Dritter, die „nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen“ sind, untersagt - aber keine Strafdrohung enthält. Gegen solche Veröffentlichungen vorgehen können Betroffene allenfalls auf dem Zivilrechtsweg, über das Medienrecht.

Für Grüne „unglaublicher Skandal“

Die StPO gestatte aber ausdrücklich, Daten und andere Fakten, die Rückschlüsse auf die Identität gefährdeter Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und nur solche Kopien auszufolgen, in denen diese Informationen unkenntlich gemacht wurden, betonte der grüne Abgeordnete Harald Walser in einer Aussendung. Deshalb ist es für ihn ein „unglaublicher Skandal“, dass „persönliche Daten von AntifaschistInnen an militante Rechtsextreme durch österreichische Behörden“ weitergegeben wurden - mehr dazu in Rechte Homepage: Aufruf für „Fanpost“.

Denn der Betreiber der Website Alpen-donau.info sei ein amtsbekannter Neonazi, der 2012 in erster Instanz wegen NS-Wiederbetätigung und schwerer gemeinschaftlich begangener Körperverletzung - noch nicht rechtskräftig - verurteilt worden ist. Walser kündigte parlamentarische Anfragen an Innen- und Justizministerium an.