Bettler gefoltert: Paar vor Gericht
Eine 35-jährige Frau und ihr um zwei Jahre älterer Freund mussten sich am Donnerstag wegen Menschenhandels vor einem Wiener Schöffensenat verantworten.
Die Frau hatte das spätere Opfer im Jahr 2008 während einer Zugfahrt in Rumänien kennengelernt. Der 34-Jährige vertraute sich ihr an und ließ sie wissen, dass er nicht mehr bei seiner Familie leben wolle, weil er sich für sein Äußeres geniere. Nach einem Unfall waren ihm beide Beine und eine Hand amputiert worden. Die Frau gab vor, ihn aus Mitleid und Nächstenliebe bei sich aufnehmen zu wollen.
Mann mit Schlägen und Elektrokabel gefoltert
Der Versehrte soll in weiterer Folge ein Martyrium erlebt haben. Er wurde von der vermeintlichen Wohltäterin und ihrem Lebensgefährten schon nach kurzer Zeit zum Betteln gezwungen. „Er wollte das nicht. Er hat gesagt, dass er nicht einmal seine Familie um Geld bitten würde“, berichtete die Staatsanwältin. Der Mann sei aber mit Schlägen gefügig gemacht worden, wobei Gummiknüppel und Elektrokabel zum Einsatz kamen. Das Pärchen habe auch nicht davor zurückgeschreckt, seine Amputationsnarben mit metallenen Gegenständen zu malträtieren, sagte die Staatsanwältin.
Fluchtversuche gescheitert
Nach dem Umzug nach Wien erbettelte der Mann täglich 300 bis 1.000 Euro. Das gesamte Geld wurde ihm laut Anklage abgenommen. Zu Essen bekam er nur Reste, nächtigen musste er am Fußboden. Wenn er nicht parierte, wurde ihm laut Anklage jedwede Hilfe verweigert, so dass er teilweise in seinen Fäkalien schlief. Der 34-Jährige unternahm mehrere Fluchtversuche. Einmal schaffte er es sogar, nach Deutschland zu gelangen. „Sie haben ihn wieder aufgespürt, bestraft und zurückgebracht“, führte die Staatsanwältin aus.
Zuletzt reisten die Angeklagten mit dem 34-Jährigen für einige Wochen nach England, weil sie sich dort noch höhere Einkünfte erhofften. Zum Schein heiratete die 35-Jährige in Rumänien sogar den bedauernswerten 34-Jährigen. Mit den entsprechenden Papieren habe sie seine rumänische Invaliditätspension kassiert, legte die Anklagevertreterin dar.
Angeklagte: „Er war schon dran gewohnt zu betteln“
Die Einkünfte ermöglichten es dem Paar, ihr baufälliges Haus in Rumänien zu renovieren. Im November 2013 wurde der Bettler allerdings von der Polizei am Reumannplatz aufgegriffen - mehr dazu in Mann mit Folter zum Betteln gezwungen (wien.ORF.at; 16.5.2014).
Als er den Beamten von seinem Schicksal berichtete, wurden das Paar und eine ältere Schwester der 35-Jährigen festgenommen. Die 40-Jährige soll seit April 2013 den Versehrten für einen Lohn von 20 Euro pro Tag rund und die Uhr beaufsichtigt haben. Als mutmaßliche Beitragstäterin saß sie nun mit auf der Anklagebank.
Das rumänische Pärchen, das den 34-jährigen Landsmann mehr als vier Jahre gepeinigt und ausgebeutet haben soll, bekannte sich „nicht schuldig“. „Er hat mich gebeten, dass ich ihn zu mir nehmen soll“, behauptete die 35 Jahre alte Angeklagte. Sie habe den Mann zu nichts gezwungen: „Er war schon dran gewohnt zu betteln.“
Einvernahme wird vorgespielt
Die Frau behauptete weiters, sie sei nur deshalb nach Wien gekommen, weil der körperlich versehrte Mann sie darum ersucht habe: „Es stimmt nicht, dass ich ihn zu etwas verpflichtet habe.“ Sie habe ihm auch nicht seine Einkünfte abgenommen und ihn überwacht: „Ich schwöre auf die Bibel, er ist gegangen und gekommen, wann er wollte.“
Die Aussagen des laut Anklage malträtierten Mannes liegen in Form einer DVD vor. Der 34-Jährige wurde im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommen, womit ihm ein Zeugenauftritt in der Hauptverhandlung kommenden September erspart bleibt.