Dschihad: Wien schafft Präventionsnetzwerk

Jugendliche, die in den Krieg ziehen, und Moscheen, in denen Hassprediger auftreten, haben in den vergangenen Wochen auch in Wien Schlagzeilen gemacht. Mit dem Netzwerk zur Deradikalisierung reagiert die Stadt nun auf dieses Phänomen.

„Wir wollen Kompetenzen aufbauen, um die Leute in der vordersten Reihe fit zu machen“, erklärte SPÖ-Gemeinderätin Tanja Wehsely. Deshalb bietet das Netzwerk vor allem Schulungen für Jugendarbeiter oder Pädagogen. „Es geht darum zu erkennen, was ist pubertäres Verhalten oder Provokation und wo beginnt Extremismus“, schilderte Wehsely.

Islamische Zentrum Wien ist eine Moschee im 21. Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf in der Siedlung Bruckhaufen an der Adresse Am Bruckhaufen 3

Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich

Denn mit dem Auftreten der Gruppe IS und ihren Rekrutierungsversuchen gebe es eine qualitative Veränderung des Phänomens Extremismus in Wien, betonte Gemeinderat Senol Akkilic (Grüne). „Das wird zu einer Jugendkultur“, meinte er. Öffentlich präsentierte Jugendstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) das Maßnahmenpaket am Donnerstag im Gemeinderat. Ein entsprechender rot-grüner Beschlussantrag wurde ebenfalls eingebracht.

Zahl der Betroffenen soll erfasst werden

Schon seit Frühjahr 2014 arbeitet eine Steuerungsgruppe an dem Aufbau des Netzwerkes, beteiligt sind unter anderem die Magistratsabteilungen 17 (Integration), 11 (Familie), 13 (Jugend) sowie der Wiener Stadtschulrat. Als zentrale Koordinationsstelle fungiert die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft. Die vergangenen Monate wurden vor allem dazu genutzt, sich untereinander zu vernetzen, in jeder Abteilung eine Kompetenzstelle einzurichten und spezifische Schulungen zu konzipieren, mit denen in der Jugendarbeit bereits begonnen wurde.

Die Programme sollen ab sofort aber auch anderen Institutionen zur Verfügung stehen - wie etwa pädagogischen Hochschulen oder dem Stadtschulrat. „Wenn man präventiv handeln will, dann muss das vor Ort etwa von Lehrern gesehen und behandelt werden“, unterstrich Jugendanwalt Ercan Nik Nafs.

Ziel des Netzwerks sei es zudem, anonym zu erfassen, wie viele Jugendliche betroffen sind. Nicht zuletzt deshalb wird derzeit eine Studie unter dem Titel „Ursachenforschung der abwertenden Identitätsbildung“ durchgeführt, deren Ergebnisse im März 2015 vorliegen sollen. „Direkt Betroffene betreuen wir natürlich schon jetzt, aber es geht auch darum, Leerstellen zu finden“, erklärte der Jugendanwalt.

Zusammenarbeit mit IGGiÖ

Wichtig sei auch die Zusammenarbeit mit Partnern wie der islamischen Glaubensgemeinschaft, meinte Akkilic. Denn „ein Großteil der muslimischen Gesellschaft“ sei von der zunehmenden Radikalisierung nicht betroffen und würde sich ebenfalls dagegen aussprechen. So befänden sich etwa die Moscheen, in denen rekrutiert werde, nicht im Verband der Glaubensgemeinschaft, betonte der Gemeinderat. Zusammenarbeiten will man u.a. auch mit Sportvereinen oder Universitäten.

Das Netzwerk soll nicht nur im Falle von islamischem Extremismus greifen, sondern weiters Werkzeug zum Umgang mit jeder Form der Radikalisierung, etwa auch der rechtsextremen, bieten, erklärte Akkilic. Ein Expertenforum soll deshalb u.a. die wichtigsten Begriffe definieren und die unterschiedlichen Bewegungen erklären.

Forderung nach „Deradikalisierungs-Hotline“

Kritik äußerte Wehsely am Bund: Die Umsetzung der geplanten „Deradikalisierungs-Hotline“ und Beratungsstelle erfolge viel zu langsam. Zudem sei es nicht zielführend, diese im Innenministerium anzusiedeln: „Niemand, der Hilfe braucht, ruft im Innenministerium an, dazu ist die Angst viel zu groß.“ Stattdessen sieht die Gemeinderatsabgeordnete die Hotline eher im Familien- oder Außenministerium.

Sie solle zudem mit mindestens sechs bis acht Experten besetzt werden, die sich nicht nur in der Materie auskennen, sondern auch mehrere Sprachen wie etwa Türkisch, Tschetschenisch oder Serbokroatisch beherrschen.

Der schiere Ruf nach strengeren Gesetzen alleine könne jedenfalls nicht die Lösung sein, meinten Wehsely und Akkilic. „Man darf nicht hysterisch werden“, so die Gemeinderätin. Vielmehr solle der Bund etwa überlegen, welche Rehabilitationsmaßnahmen man etwa für Rückkehrer ergreifen könne, oder endlich über Lösungen für Doppelstaatsbürgerschaften nachdenken, um hier geborene Kindern stärker an Österreich zu binden.

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