Bimfahrer niedergestochen: Täter eingewiesen

Ein 52-Jähriger, der im Jänner in Wien-Floridsdorf einen Straßenbahnlenker mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt hat, wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

„Es liegen alle Einweisungskriterien vor“, sagte die vorsitzende Richterin Martina Krainz am Donnerstag. Damit kann der Mann zeitlich unbefristet im Maßnahmenvollzug angehalten und behandelt werden. Der 52-Jährige leidet laut einem psychiatrischen Gutachten an paranoider Schizophrenie und war zum Tatzeitpunkt weder zurechnungs- noch schuldfähig.

„Bei Ihnen liegt eine schwere schizophrene Störung mit Stimmenhören vor“, bemerkte Krainz unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Gutachters. Zudem habe der Sachverständige eine „denkbar ungünstige Prognose“ erstellt, der zufolge davon auszugehen sei, dass der Mann ohne vorangegangene engmaschige, stationäre Behandlung wieder Straftaten mit schweren Folgen begehen könnte. Mit der Entlassung ist erst dann zu rechnen, wenn Experten den Mann als geheilt bzw. nicht mehr gefährlich einstufen. Das ist laut Gesetz regelmäßig zu überprüfen.

Angeklagter schwieg im Prozess

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte keine Anklage wegen versuchten Mordes erhoben, sondern die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Der Verteidiger des 52-Jährigen hatte dagegen schon am ersten Prozesstag keine Einwände: „Er hofft, dass er dort medizinische Hilfe bekommt.“

„Ich möchte überhaupt nichts sagen“, hatte der Angeklagte zum Prozessauftakt erklärt. Stattdessen ließ er seinen Verteidiger eine kurze Aussage vorlesen: „Ich war selbst Straßenbahnfahrer, aber sie haben mich gekündigt. Sie haben mich kaputtgemacht. Seither werde ich von 10.000 Straßenbahnfahrern verfolgt. ... Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, hätte ich sie alle erschossen.“

„Ich habe versucht, das Messer abzuwehren“

Am 26. Jänner tauchte der Mann auf dem Franz-Jonas-Platz auf, wo ein 24-jähriger Tramwayfahrer gerade eine Garnitur der Linie 31 zum Stoppen gebracht hatte und seine Mittagspause antreten wollte. Auf dem Weg zum Pausenraum griff ihn der Mann von hinten mit einem Stilett an. Neunmal stach er dem vom Angriff völlig überraschten Mann in den Hinterkopf, in die Schläfe, ins Gesicht, die Schulter und in die Lenden - mehr dazu in Attackierter Bimfahrer außer Lebensgefahr.

„Ich habe versucht, das Messer abzuwehren“, schilderte das Opfer als Zeuge. Dabei wurden mehrere Sehnen seiner linken Hand - der Mann ist Linkshänder - durchtrennt. Der Straßenbahnfahrer rief um Hilfe, konnte sich schließlich aber noch selbst in den Pausenraum retten. Er wurde unverzüglich ins Spital gebracht und vier Stunden lang notoperiert. Mehr als acht Monate war er im Krankenstand. Eine Straßenbahn kann er aus psychischen Gründen derzeit nicht mehr fahren. „Ich bin jetzt in der Leitstelle. Man schaut, dass man eine Arbeit für mich findet“, schilderte er dem Gericht seine aktuelle berufliche Situation.

Der Angreifer war am Tatort von Augenzeugen festgehalten und der Polizei übergeben worden. Dort gab der Mann laut Aktenvermerk folgendes Statement ab: „Ich möchte keine Aussage machen. Ich möchte in U-Haft eingeliefert werden und mit meinem Verteidiger sprechen.“

Mann war Wiener Linien bekannt

Der seit längerem verhaltensauffällige Mann wurde zwar einmal kurz im Otto-Wagner-Spital stationär aufgenommen, aber offensichtlich ohne bleibenden Erfolg. Er ließ sich auch von einem Psychiater behandeln - just von einem vielbeschäftigten Gerichtsgutachter, der mehrmals wöchentlich bei Verhandlungen im Grauen Haus als Sachverständiger auftritt. Im Fall des Angeklagten sah der Experte aber offenbar keine Notwendigkeit, eine engmaschige Überwachung seines Patienten zu veranlassen.

Auch die Wiener Linien hielten den Mann scheinbar nicht für besonders gefährlich, obwohl er seit 2004 mit Drohanrufen auffiel. Da meldete er sich das erste Mal und ließ eine verdutzte Sekretärin wissen, er sei früher als Straßenbahnfahrer tätig gewesen, sei aber 1995 vom Fahrdienst abgezogen worden und habe dann seinen Job verloren. Sie sei schuld an seiner Entlassung, beschied er der Sekretärin, und die Wiener Linien würden ihn seither „verfolgen“.

Als die Mitarbeiterin ihm keine weitere Beachtung schenkte, tauchte der Mann 2006 erstmals persönlich in ihrem Büro auf und wiederholte seine Anschuldigungen. 2007 marschierte er in die Personalabteilung. Ab 2008 kam es zu drei bis vier Anrufen täglich, ehe er im Mai 2008 plötzlich vor der Wohnung der Sekretärin stand, die er zu diesem Zeitpunkt bereits jahrelang bedrängt hatte. In aufgebrachtem Zustand machte er die Frau einmal mehr darauf aufmerksam, sie sei schuld an seinem gescheiterten Leben. Die Wiener Linien erließen ein Hausverbot. Mehr geschah nicht.