Töchter getötet: Einweisung in Anstalt

Eine 39-Jährige, die im Vorjahr in Wien-Ottakring zwei ihrer vier Kinder getötet hat, wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Frau wollte ihre Familie vor einer Krankheit schützen.

„Diese Frau ist nicht böse, sie ist krank“, so der psychiatrische Gutachter am Donnerstagvormittag im Prozess. Er stufte sie als nicht zurechnungsfähig zum Tatzeitpunkt und nicht als nicht schuldfähig ein. Die Frau leidet an einer krankhaften wahnhaften Störung, die sich innerhalb kurzer Zeit ausgebildet haben dürfte.

Frau wird in Gerichtssaal gebracht

ORF

„Sie sind nicht Angeklagte, sondern Betroffene“

Daher ging es nicht um eine Strafe für den Doppelmord, die Geschworenen mussten wegen der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher entscheiden. Dort soll die Frau behandelt werden. „Sie sind nicht Angeklagte, sondern Betroffene“, meinte der Richter am Beginn des Prozesse.

Die Befragung der 39-Jährigen verlief nicht sehr ergiebig. Auf die Frage, wie es gehe, erwiderte sie: „Seit ich erfahren habe, dass mein Kind krank ist, geht es mir sehr schlecht.“ Es handle sich um „meinen einzigen Sohn. Das ist Schicksal. Das ist eine Sache Gottes.“ Die Frage nach dem Familienleben, das bis zu der Tat durchaus harmonisch verlaufen sein soll, beantwortete die Frau mit: „Ich danke Gott für alles. Er ist sehr gut zu mir. Mein Mann war sehr gut zu mir, auch zu den Kindern war er sehr gut. Nur die Krankheit meines Sohnes hat alles durcheinandergebracht.“

Die 39-jährige gebürtige Ägypterin war in zweiter Ehe verheiratet und hatte drei Töchter und einen Sohn. Dieser leidet unter Morbus Addison. Die Erbkrankheit wird von Frauen weitervererbt, bricht aber nur bei männlichen Trägern des Gendefekts aus.

Schuldgefühle wegen Erbkrankheit

Die Angeklagte gab sich die Schuld an der Krankheit des Sohnes und wollte in einem erweiterten Suizid sich und ihre Töchter töten, damit die Krankheit innerhalb der Familie nicht mehr weitergegeben wird. Zum Prozess erschien sie mit einer Gehhilfe, sie gab an, sich nicht an die Tat erinnern zu können. Laut dem Gutachter ist das angesichts der Erkrankung und der Folgen des Fenstersturzes auch glaubhaft. In einer Art Selbstschutzmechanismus blende das Hirn gewisse Teile der Erinnerung aus.

Falls diese Teile wieder zurückkehren, sei die 39-Jährige stark suizidgefährdet, bemerkte der Gutachter. Auf der anderen Seite stellt die Mutter weiter eine Gefahr für die überlebende Tochter dar. Laut Gutachter könnte sie dieser in ihrem Wahn nach dem Leben trachten, um zu verhindern, dass die Zwölfjährige den Morbus Addison an männliche Nachkommen weitergibt. Der Sachverständige empfahl daher, die Frau im Maßnahmenvollzug unterzubringen, wo eine Behandlung ihrer Wahnvorstellungen gewährleistet sei.

Sturz aus Fenster überlebt

Die gebürtige Ägypterin soll ihre sechs und neun Jahre alten Töchter mit einem Schal beziehungsweise dem Kabel eines Bügeleisens erdrosselt haben. Anschließend schnitt sie sich die Pulsadern auf und sprang aus dem Fenster. Alarmierte Bewohner des Gemeindebaus fanden die lebensgefährlich Verletzte auf einem betonierten Gehweg und verständigten die Polizei.

Als Beamte in der Wohnung Nachschau hielten, stießen sie auf die Leichen der beiden Mädchen. Auf dem Tisch lag ein in arabischer Sprache verfasster Abschiedsbrief der Mutter, der eine Art Geständnis enthielt. Der Vater der Kinder war mit dem Sohn und der dritten Tochter zum Zeitpunkt der Tat nicht in der Wohnung. Die überlebenden Kinder wachsen nun bei den Großeltern in Ägypten auf.

Entscheidung noch am Donnerstag

Die 39-Jährige wurde im Wilhelminenspital notfallmedizinisch behandelt. Ihre Überlebenschancen wurden zunächst als äußerst gering eingestuft - immerhin war sie aus einer Höhe von elf Metern gesprungen und hatte multiple Knochen- und Wirbelbrüche und ein Polytrauma erlitten. Doch die Mutter überlebte, die Staatsanwaltschaft leitete zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen Doppelmordes ein.