Bakary J.: Ex-Beamte wollen Wiederaufnahme

Drei der vier im Fall Bakary J. wegen Quälens eines Gefangenen verurteilten Wiener Polizisten wollen mit neuen medizinischen Gutachten eine Wiederaufnahme ihres Strafverfahrens erwirken. Ein Einzelrichter wird über den Antrag entscheiden.

Bei einer Pressekonferenz stellten die drei Polizisten ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten von Georg Kobinia vor. Der pensionierte Facharzt für Chirurgie kommt darin zum Schluss, dass die Verletzungen auf einem veröffentlichten Foto nicht mit der offiziellen Dokumentation des Falles übereinstimmen. Die drei Polizisten waren wegen Quälens eines Gefangenen verurteilt worden.

Die damaligen Wega-Polizisten halten an ihrer ursprünglichen Verantwortung fest, dass sich Bakary J. offenbar bei einem Sturz im Zuge eines Fluchtversuchs verletzt habe. Im AKH wurde, wie Georg Kobinia darlegte, neben Prellungen von Schulter und Hüfte sowie einer Zerrung der Halswirbelsäule eine Prellmarke oberhalb eines Auges im Ausmaß von zwei Zentimetern samt Abschürfung diagnostiziert.

Polizisten mit Anwältin

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Anwältin Maria Zehetbauer (r.) und zwei der verurteilten Polizisten

Chirurg ortet „Ungereimtheiten“

Hätte im AKH nur der geringste Verdacht bestanden, dass Bakary J. Frakturen im Kopfbereich erlitten hätte, wäre er zu weiteren Untersuchungen auf Fachabteilungen gebracht worden, meinte der pensionierte Chirurg. Am 11. Mai wurde bei dem gebürtigen Gambier eine Fraktur diagnostiziert, die vom Stirnbein über das Joch- und Nasenbein verlief und nach Darstellung Kobinias binnen 24 Stunden, wahrscheinlich aber schon früher, zu einem Bluterguss hätte führen müssen.

Zu sehen ist der enorme Bluterguss auf einem damals von Medien veröffentlichten Foto, das der tags darauf erfolgten Anzeige der behaupteten Misshandlung durch die Polizisten durch die Ehefrau von Bakary J. allerdings nicht beigelegt sei. Der Chirurg, der für sein Gutachten nach eigenen Angaben den damaligen Klinikbefund durchgelesen und mit Augenärzten besprochen hat, ortet „Ungereimtheiten“.

Nach dem Abbruch der Abschiebung - J. war bereits im Flugzeug - habe man sich von Schwechat auf den Rückweg zum Polizeianhaltenzentrum (PAZ) gemacht. Man habe Bakary J. sogar in Aussicht gestellt, bei seiner Wohnung vorbeizufahren, um persönliche Dinge zu holen, da das Gepäck des Schubhäftlings in der Maschine war. J. selbst sei der irrigen Annahme gewesen, überhaupt zu seiner Familie zurückkehren zu dürfen.

Arzt mit Totenkopf

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Der Arzt Georg Kobinia bei der Pressekonferenz

„Exorbitante Schadenersatzforderung“

Auf dem weiteren Rückweg und bereits in unmittelbarer Nähe zum PAZ am Hernalser Gürtel habe Bakary zu entkommen versucht und sei vom Fahrer erwischt worden, wobei beide „relativ heftig“ zu Sturz kamen.

Maria Zehetbauer, die Rechtsvertreterin der drei Verurteilten, wies auf „exorbitante Schadenersatzforderungen“ hin, die auf die Beamten zukämen. 110.000 Euro habe das Innenministerium als A-Konto-Zahlung geleistet. „Es ist aber nicht klar, welche Schäden damit entschädigt werden sollen“, sagte Zehetbauer. Seit mehr als einem Jahr sei dazu ein Regressverfahren am Arbeits- und Sozialgericht anhängig. Weitere 385.000 Euro habe Bakary J. von der Republik eingeklagt.

Ex-Beamte widerrufen Geständnisse nach acht Jahren

Sie hatten am 7. April 2006 den gebürtigen Gambier Bakary J. in einer Lagerhalle schwerst misshandelt, weil er sich zuvor so heftig gegen seine Abschiebung nach Gambia gewehrt hatte, dass ihn der Pilot eines Passagierflugzeuges nicht mitnahm - mehr dazu in Der Fall Bakary J. - Eine Chronologie (wien.ORF.at). Die Blutergüsse könnten nicht an diesem Tag (dem 7. April 2006, Anm.) entstanden sein, meinte Kobinia am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Bei dem Pressegespräch waren auch zwei der drei mittlerweile aus dem Polizeidienst entfernten Polizisten anwesend. Als Begründung für die seinerzeit abgelegten Geständnisse, die sie mittlerweile widerrufen haben, nannten sie „mediale Hetze“ und Vorverurteilung, Angst vor dem Amtsverlust und psychischen Druck. Außerdem sei ihnen in Aussicht gestellt worden, dass sie mit einem Geständnis Chancen auf eine milde Bestrafung hätten, die ihnen die Ausübung einer weiteren Tätigkeit im Polizeidienst ermöglichen würde.

Opferanwalt kündigt Verleumdungsanzeige an

Der Anwalt von Bakary J., Nikolaus Rast, kündigte eine Verleumdungsanzeige an, nachdem die drei Ex-Polizisten den damaligen Richterspruch mit einem Wiederaufnahmeantrag bekämpfen wollen.

Bakary J., der inzwischen mit einem regulären Aufenthaltstitel in Österreich lebt, hat von der Finanzprokuratur eine finanzielle Wiedergutmachung von 110.000 Euro für die erlittene Tortur erhalten. In einer gegen die Republik gerichteten Amtshaftungsklage fordert sein Anwalt Nikolaus Rast weitere 375.000 Euro und eine monatliche Pension von 1.000 Euro.

Rast vermutet hinter dem Vorstoß der Polizisten Angst vor Regresszahlungen als Motiv. Darüber hinaus kündigte der Anwalt an zu prüfen, ob bei der Pressekonferenz am Montag das Datenschutzgesetz verletzt wurde, weil möglicherweise als sensibel einzustufende Patientendaten seines Mandanten präsentiert wurden. „Wenn dem so ist, gibt es gleich die nächste Klage“, sagte Rast.

Einzelrichter entscheidet über Wiederaufnahmeantrag

Ein vom Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) bestellter Gutachter hat zuletzt jedoch Zweifel am Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung angemeldet. Die Kanzlei Rast lehnt diesen Sachverständigen wegen Befangenheit und Voreingenommenheit ab - mehr dazu Bakary J.: Anwalt gegen Gutachter (wien.ORF.at).

Über den Wiederaufnahmeantrag wird ein Einzelrichter des Wiener Straflandesgerichts entscheiden. Wann dieser Beschluss fallen wird, sei „derzeit nicht vorhersehbar“, so Gerichtssprecherin Christina Salzborn. Justizkenner gehen davon aus, dass die Entscheidung erst im nächsten Jahr fallen wird.