Blue Bird: Wiens intimstes Festival

Seit zehn Jahren gibt es das Blue Bird Festival. Andreas Spechtl trat hier auf, als Ja, Panik! noch Flashbax hießen, Amanda Palmer zog sich auf der schwarzen Couch aus, Talente wurden entdeckt und internationale Stars ins Wiener Porgy und Bess geholt.

An der Intimität hat sich nichts geändert. Heuer war Patrick Wolf ein erstes Highlight des Festivals, das noch bis Samstag läuft. Beim Blue Bird ist tatsächlich alles anders als bei ähnlichen Events. Über die Jahre hinweg hat sich ein Stammpublikum zusammengefunden, das zu den Singer-Songwritern auf der Bühne passt.

Torte, Kunst und Partylaune

Mehr als die Hälfte der Besucher sicherte sich heuer gleich einen Dreitagespass. Ein guter Teil der Tickets sei bereits verkauft gewesen, bevor überhaupt klar war, welche Künstler kommen würden, sagte Organisator Klaus Totzler auf der Bühne, bevor er die traditionelle Blue-Bird-Torte ans Publikum verteilte.

Wer hierherkommt, vor allem, wer immer wieder hierherkommt, der ist wohl ein bisschen weniger sarkastisch, ein bisschen sensibler und offener als der Durchschnitt. Das überträgt sich auf die Künstler, die sich vor und nach ihren Auftritten unters Publikum mischen - das eine oder andere gemeinsame Gelage bis in die Morgenstunden soll es schon gegeben haben. Diese familiäre Aufgekratztheit nehmen die Musiker mit auf die Bühne.

„Hallo, Amy“

Wer davor geglaubt hatte, dass bei solchen Abenden ohnehin immer alles durchchoreografiert ist, der wird beim Blue Bird Festival rasch eines Besseren belehrt. Ein Beispiel dafür war der Auftritt von Patrick Wolf am Donnerstagabend. Der britische Popstar („The Magic Position“) trat als letzter Künstler auf. Da war er offenbar längst mit dem Publikum befreundet. Vor lauter liebevoller Distanzlosigkeit plauderte er auf der Bühne länger, als er spielte.

Durchs Mikro bat er um einen Kaffee und erklärte das mit seinem Alter. Er saufe jetzt weniger und werfe auch nicht mehr so viele Drogen ein. Wolf ist 31. Später sang er ein Tribute an Amy Winehouse, mit der er einst auf Tour war. Es geht um Crack, um kaputte Zähne, um intensives Leid. Mitten im Song fiel krachend ein Verstärker um. Wolf lächelte in sich hinein und schloss die Augen: „Hallo, Amy“. Später wurde es laut und energetisch - und Wolf bewies einmal mehr, dass er ein begnadeter Multi-Instrumentalist und Elektronikkünstler ist - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Glückliche Sardinen

Vor ihm waren How To Dress Well aufgetreten. Auch hier Momente der Intimität, auch hier ein Tribute an einen verstorbenen Freund. Das Konzert war für die Band das letzte ihrer Dreimonatstour. Outrieren und Zurückhaltung - jeder Song kippt irgendwann von ruhigen, kunstvoll gesungenen, gehauchten Passagen in kraftvolle Strophen mit intensiven Beats. Das Publikum versuchte so gut es geht zu tanzen. Es ging nicht gut - weil man beim Blue Bird Festival zusammengepfercht ist.

Das Blue Bird ist nicht nur deshalb ein Kuschelfestival. Im Publikum ist der Schmusefaktor höher als bei „Eis am Stiel“. Die viele Liebe, die von der Bühne strömt, geht aufs Publikum über. Gravenhurst hatten als weiterer Act am Donnerstagabend für entsprechende Stimmung gesorgt - und weit ruhiger gespielt als in manchen ihrer Alben. Auch nach zehn Jahren gingen die Zuschauer einmal mehr mit einem Lächeln aus dem Porgy, als Wolf am Ende doch noch kurz vor 2.00 Uhr von der Bühne ging (womit schon niemand mehr gerechnet hatte).

Simon Hadler, ORF.at

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