Neuer Mordprozess: Wieder Schuldspruch

In der zweiten Auflage des Prozesses um den Mord an einem 33-Jährigen am Liesingbach ist ein 24-jähriger Slowake wieder schuldig gesprochen worden. Statt lebenslänglich erhielt er nun 20 Jahre Haft, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Staatsanwalt meldete unmittelbar nach der Urteilsverkündung Strafberufung an, womit er erkennen ließ, dass für ihn in diesem Fall ausschließlich lebenslang infrage kommt. Der vorsitzende Richter verwies in der Urteilsbegründung in Bezug auf den neuerlichen Schuldspruch auf den Wahrspruch der Geschworenen, der ex lege keiner näheren Erläuterung bedarf.

Bei der Strafbemessung waren das teilweise Geständnis - den inkriminierten Raub hatte der Slowake zugegeben - mildernd, eine Vorstrafe, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die „besondere Brutalität“ wurden dagegen erschwerend gewertet. Bei Betrachtung der Strafzumessungsgründe erschienen dem Gericht 20 Jahre schuld- und täterangemessen. Der Angeklagte erbat drei Tage Bedenkzeit.

Prozess im Straflandesgericht

APA/ Hans Klaus Techt

Neues Verfahren nach neuen Aussagen

Der 24-Jährige war im Herbst 2011 festgenommen und im April 2012 gemeinsam mit einem 33-jährigen Landsmann zu lebenslanger Haft wegen Raubmordes verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, im Juni 2011 einen 33-jährigen Wiener in der Nähe des Liesingbaches mit zwölf Messerstichen ermordet und anschließend beraubt haben - mehr dazu in Mord bei Liesingbach: Lebenslänglich (wien.ORF.at; 24.4.2012).

Nachdem der Oberste Gerichtshof (OGH) die Urteile bestätigt hatte, schrieb der 33-Jährige aus dem Gefängnis einen Brief an die damalige Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP). Während er vor Gericht noch sämtliche Schuld von sich gewiesen und die Bluttat seinem jüngeren Bekannten in die Schuhe geschoben hatte, übernahm er in dem Schreiben nun die gesamte Verantwortung für das Geschehen. Der solcherart entlastete Slowake beantragte daraufhin ein neues Verfahren, das ihm im Hinblick auf die neue Beweislage bewilligt wurde.

„Völlig neue Aussagen“ für Richter

Wie der 24-Jährige in seiner Einvernahme am Freitag erzählte, sei ihm klar gewesen, dass das 33-jährige Opfer Sex von ihm wollte. Nachdem es im Gebüsch zu geschlechtlichen Handlungen gekommen war, habe er den 33-Jährigen aufgefordert, ihn zu bezahlen. Darauf habe er 50 Euro erhalten, in einem günstigen Moment dessen Umhängetasche an sich genommen, sei davon gelaufen und habe sich „versteckt“. Was in weiterer Folge zwischen dem 33-Jährigen und seinem Landsmann vorgefallen sei, wisse er nicht: „Ich habe weder den Mord noch die Leiche gesehen.“

„Sie sind bisher sieben Mal einvernommen worden. Die Geschichte, die Sie heute erzählen, ist völlig neu“, quittierte der Richter diese Aussagen. Der 24-Jährige hatte nach seiner Festnahme zunächst jedwede sexuellen Handlungen abgestritten und erklärt, er wäre von dem 33-Jährigen ursprünglich auf Drogen angesprochen worden. „Das heute ist die Wahrheit“, meinte der 24-Jährige. Er habe sich wegen der sexuellen Handlungen geschämt und daher bisher davon nicht viel erzählt. Außerdem habe er „Angst gehabt, dass mir keiner glaubt“.

Fundort der Leiche

APA/Schlager

Die Leiche wurde beim Liesingbach entdeckt

Entlastungszeuge: „Habe Mord allein begangen“

Mit Spannung wurde der Zeugenauftritt des 33-jährigen Slowaken erwartet. Der in seiner Heimat zehnfach vorbestrafte Mann erschien mit einer Bibel im Zeugenstand. „Ich habe den Mord allein begangen“, gab er sogleich zu Protokoll. Er habe den Brief geschrieben, „weil ich nicht zulassen konnte, dass er durch mich einen Nachteil erfährt“, meinte er mit Blick auf den Angeklagten.

Auf Vorhalt des Richters, dass er zu der Bluttat bisher sechs Mal vernommen worden sei, den 24-Jährigen dabei stets belastet habe und sein „Sinneswandel“ insofern hinterfragenswert erscheine, erwiderte der Entlastungszeuge: „Ich habe Gott kennengelernt. Ich möchte die Wahrheit nicht verschweigen.“

In der Zeugenaussage gab es Widersprüche zu den Aussagen des 24-Jährigen. Der Angeklagte sei daneben gestanden und habe zugeschaut, als er dem Opfer das Messer in die Rippen gestochen haben, so der 33-Jährige. Der 24-Jährige habe ihm auch geholfen, die Leiche fortzutragen, so der 33-Jährige, was ebenfalls nicht mit der Schilderung seines Landsmanns im Einklang stand.

Anwalt forderte Freispruch im Zweifel

Der Anwalt des 24-Jährigen hatte in seinem Plädoyer einen Freispruch im Zweifel gefordert. Er stellte nicht in Abrede, dass sein Mandant im Lauf des Verfahrens zahlreiche widersprüchliche Aussagen von sich gegeben hatte: „Er hat sicher mehrfach gelogen. Aber es gibt keinen Beweis, dass er Robert A. am 28. Juni 2011 erstochen hat.“

Der Staatsanwalt forderte dagegen mit Nachdruck einen Schuldspruch im vollen Umfang der Anklage. Der Slowake habe „die homosexuelle Neigung von Robert A. ausgenützt“ und diesen „heimtückisch in den Park gelockt“. Dort habe er den 33-Jährigen in gemeinsamer Verabredung mit seinem Landsmann zu Tode gebracht und im Anschluss „ausgesackelt“.

Es stehe außerdem fest, dass die Leiche vom Tatort in einen ruhigeren Winkel verbracht wurde, und da es auf der Wiese keine Schleifspuren gab und auch die Schuhe des Toten nicht beschmutzt waren, sei klar, dass sie von den beiden Männern zum späteren Auffindungsort getragen wurde, so der Staatsanwalt.

Handy und Computer im Gefängnis

Wie im Prozess bekannt wurde, wurde bei einer Untersuchung der Zelle des 24-Jährigen in der Justizanstalt Garsten neben einem Mobiltelefon auch ein Computer und eine Webcam sichergestellt. Dem Staatsanwalt erschien dieser Fund wegen möglicher Kontakte der beiden Männer oder der Familien nicht unbedeutend. Direkte Kontakte konnten den beiden nicht nachgewiesen werden.

Es ist allerdings davon auszugehen, dass sie über ihre Familien, mit denen sie in brieflichem Kontakt standen, zumindest grob über das Befinden des jeweils anderen informiert wurden. Das belegt Schriftverkehr, der teilweise der gerichtlichen Genehmigung bedurfte. Die beiden Männer sind Haus an Haus in einer ostslowakischen Ortschaft aufgewachsen. Die Familien sind seit Generationen miteinander bekannt.