Blutige Familienfehde: Milde Urteile

Mit milden Urteilen ist der Prozess um eine blutige Auseinandersetzung zweier tschetschenischer Familien am Donnerstag zu Ende gegangen. Sechs Männer bekamen mehrmonatige Haftstrafen, ein Angeklagter wurde freigesprochen.

Der 43-jährige Hauptangeklagte, der bei dem Streit geschossen hatte, erhielt wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung 24 Monate, davon acht unbedingt, sein 48-jähriger Kontrahent muss wegen schwerer Körperverletzung von 18 verhängten Monaten sechs verbüßen. Die 20- bzw. 24-jährigen Söhne des 48-Jährigen müssen aufgrund ihrer einschlägigen Vorstrafen 14 bzw. 15 Monate hinter Gitter. Ihr Cousin wandert für 16 Monate ins Gefängnis. Der Bruder des 48-Jährigen fasste zwölf Monate auf Bewährung als Beitragstäter aus.

Angeklagte vor Gericht

APA/Barbara Buchegger

Prozess endete mit fünf Schuldsprüchen und einem Freispruch

Zwei Männer wurden auch wegen eines versuchten Diebstahls im Supermarkt verurteilt. Sie haben im September in der Steiermark versucht, Waren im Wert von fast 2.800 Euro mitgehen zu lassen. Die beschuldigten Männer sollen die Waren im Einkaufswagen so geschickt geschlichtet haben, dass die teuren Alkoholika in der Mitte des Korbes - wie Champagner und Wodka - nicht zu sehen waren. Der Cousin, der nur wegen gewerbsmäßigen Diebstahls angeklagt war, wurde freigesprochen. Alle Urteile sind rechtskräftig.

Foto als Auslöser

Die beiden Familien stammen aus dem gleichen Dorf in Tschetschenien, lebten aber bereits seit Jahren in Wien und in der Steiermark. Im Oktober machte plötzlich das Foto der Tochter des 48-Jährigen die Runde. Schnell war ein 42-Jähriger als Verbreiter ausfindig gemacht, er soll das Bild fünf bis sechs Leuten aus der Heimat gezeigt haben. Zu viel für den Vater der Frau, der allerdings seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zur Tochter hat. Am Rand einer Wiese in der Thayagasse in Floridsdorf trafen sich die beiden Familien zur Aussprache - mehr dazu in Fehde: Schüsse wegen Ehre einer Frau.

Die geplante Aussprache ist nach Angaben der Polizei nach wenigen Augenblicken eskaliert. Die Bilanz des Abends ergab vier Schwerverletzte. Die Polizei konnte schließlich alle Beteiligten ausforschen - mehr dazu in Fehde: Flüchtige und Waffe gefunden.

Widersprüchliche Aussagen

Der 43-Jährige gab an, dass auf ihn eingeprügelt und mit einem Messer eingestochen worden sei, daraufhin habe er eine Waffe gezogen und „in den Boden geschossen“. Mit einer serbischen Zastava schoss er auf den Vater der Frau und zwei von dessen Söhnen in die Beine. Der 48-Jährige erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass er in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden musste und sich bis heute in stationärer Behandlung befindet, wie seine Anwältin ausführte. Am Donnerstag humpelte er auf Krücken in den Verhandlungssaal.

Die Kontrahenten des 43-Jährigen erzählten hingegen eine ganz andere Geschichte. Kaum hätte die Unterredung begonnen, „hat er hinten aus der Hose die Pistole gezogen und sofort geschossen“, berichtete der 48-Jährige. Um ihn am Schießen zu hindern, hätten die Familienmitglieder auf ihn eingeprügelt, erzählte sein 24-jähriger Sohn. „Ziel war es, ihm die Pistole wegzunehmen, damit er niemanden verletzt.“ Der junge Mann gab jedoch zu, „aus Wut“, weil sein Vater blutend am Boden lag, dem 43-Jährigen mehrere Faustschläge ins Gesicht verabreicht zu haben. Sein Cousin habe dem 48-Jährigen auch das Messer weggenommen, womit er seinem Kontrahenten Verletzungen am Gesäß zufügte.

Versöhnung vor Gericht

Der 43-jährige Hauptangeklagte und sein 48-jähriger Kontrahent versöhnten sich bei der Verhandlung vor einem extra herbeigeholten Imam. Der Imam gehörte der Gefängnisseelsorge an. Mit der Hand auf dem Koran versprach der Jüngere, Gewalttätigkeiten gegenüber der anderen Familie zu unterlassen. Danach gaben die beiden einander die Hand und umarmten einander. Keiner der insgesamt sieben tschetschenischen Angeklagten wollte seine erlittenen Verletzungen vor Gericht geltend machen.