Obdachlose als „Häuslbauer“

Fotograf und „Gruft“-Mitarbeiter Simon van Hal hat Obdachlose in Wien bei ihren Schlafplätzen fotografiert. Die Ergebnisse sind ab heute unter dem Titel „Häuslbauer“ im Brick 5 und ab 8. Februar am Hauptbahnhof zu sehen.

Der in den Niederlanden geborene Werbe- und Sportfotograf Simon van Hal arbeitet seit drei Jahren für das Wiener Obdachlosen-Betreuungszentrum „Gruft“. „Dort habe ich mich mehr mit Leuten auseinandergesetzt, die draußen schlafen. Es war interessant zu sehen, wie sich die Leute ihre Konstruktionen, Häuser oder Zelte bauen oder ihre Plätze geschaffen haben“, so Simon van Hal gegenüber wien.ORF.at.

Obdachlosen-Hochzeit im Stadtpark

Daraufhin kam ihm die Idee, seine fotografische Ausbildung mit der Sozialarbeit zu verbinden. Also fotografierte er ein Jahr lang jeden Monat Obdachlose bei ihren Schlafplätzen. „Auf den Bildern sieht man mal jemanden im Sommer, wo er mit dem T-Shirt dasteht, bis zum Winter, wo er mit mehreren Kleidungsschichten unter der Autobahnbrücke liegt.“

Gezeigt wird auch ein Querschnitt von Plätzen in Wien, wo Obdachlose schlafen. „Da ist natürlich der Stadtpark dabei, da hab ich zum Beispiel eine Hochzeit von zwei obdachlosen Menschen fotografiert, die symbolisch geheiratet haben. Und dann natürlich die Donauinsel, wo viele Aussteiger sind, die ihre Ruhe haben wollen. Und sonst eher der urbane Teil, wo manche auf dem einzigen Grünstreifen weit und breit schlafen.“

„Nicht heimlich fotografiert“

Simon van Hal war es wichtig, die Obdachlosen vor dem Fotografieren kennenzulernen. Er sprach mit über 20 Menschen, doch nur die Hälfte fotografierte er schlussendlich für sein Projekt. „Es war mir wichtig, dass viel über Beziehungsarbeit läuft, damit es für die Leute okay ist, dass ich das mache. Ich habe sie nicht heimlich aus dem Gebüsch heraus fotografiert. Im Gegenteil, ich hab sie auch oft ohne Kamera besucht.“ Bei seinen Besuchen wurde er stets herzlich aufgenommen. „Mit Bewirtung und allem, was dazu gehört, das war wirklich sehr nett“, erzählt der Fotograf. Im Laufe des Jahres brachte er ihnen als Dank Essen, Decken „oder was auch immer sie benötigten.“

Interessante Menschen mit Geschichten

Ausstellungshinweis:

  • „Häuslbauer“-Ausstellung, von 1. bis 8. Februar, täglich 15.00 bis 17.30 Uhr, im Brick 5
  • Ausstellungspräsentation, 7. Februar, ab 19.00 Uhr, Eintritt frei
  • „Häuslbauer“, 8. Februar bis 30. März am Hauptbahnhof Wien (Digiwall)
  • Im Februar erscheint das Buch „Häuslbauer: Eine Fotoreportage über Menschen ohne festen Wohnsitz Taschenbuch“ im Kraft Verlag

Simon van Hal möchte mit seinem Projekt Aufklärungsarbeit leisten: „Obdachlose sind oft stigmatisiert. Viele halten Abstand, weil sie Obdachlose für kriminell oder drogensüchtig halten. Dabei gibt es extrem viele interessante Charaktere und nette Leute, die durch unglückliche Zufälle dorthin gekommen sind, wo sie jetzt sind.“

Ein Beispiel: „Viel gearbeitet im Leben, eigene Firma gehabt, sich mehr auf die Arbeit konzentriert, kein soziales Netzwerk gehabt, die Frau verlassen, die Mama gestorben, die Firma geht in Konkurs. Wenn dich dann keiner auffängt, bist du auf der Straße. Wenn dann noch Probleme mit Alkohol und Depressionen dazukommen, musst du allein erst mal wieder aus dieser Situation herauskommen“, so Simon van Hal.

Der Fotograf will den Menschen mit seinem Projekt die Scheu nehmen. „Sie können zu den Leuten hingehen, das sind ganz normale Leute, da braucht man sich nicht fürchten.“ Er möchte den Obdachlosen auch ein Sprachrohr bieten. Deswegen führte er bei seinem Fotoprojekt ebenso Interviews mit den Betroffenen.

Ausstellungskatalog mit Gesprächen und Fotos

Im Februar werden die Fotos im Brick 5 unter dem Titel „Häuslbauer“ vorgestellt. Die geführten Interviews können dabei in einer gekürzten Fassung über Kopfhörer angehört werden. Der Name „Häuslbauer“ ist eine - nicht ganz ernstzunehmende - Anspielung auf die Wohnlage der Obdachlosen. „Die Ausstellung schenke ich mir selbst zum 30. Geburtstag“, freut sich der Fotograf. Ergänzend zur Ausstellung wird ein Buch erscheinen. Es enthält neben dem Vorwort von Caritas-Präsident Michael Landau rund 30 Fotos und Auszüge aus den Interviews. Der Reingewinn aus den verkauften Büchern kommt den fotografierten Obdachlosen zugute.

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