JA Josefstadt: Verdacht der Vergewaltigung

Der Prozess gegen einen suspendierten Beamten der Justizanstalt (JA) Josefstadt wegen sexueller Handlungen mit zwei Insassinnen geht vor einen Schöffensenat. Für den Richter besteht der Verdacht der Vergewaltigung.

Vor dem Verhandlungstag am Freitag hieß es laut Anklage, der 41-Jährige habe die betroffenen weiblichen Häftlinge nicht gegen ihren ausdrücklichen Willen mit Gewalt oder Drohungen zu den sexuellen Handlungen genötigt. Daher wurde er nicht wegen geschlechtlicher Nötigung oder Vergewaltigung, sondern wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses angeklagt - mehr dazu in Häftlinge angeblich zu Sex genötigt.

Einzelrichter Andreas Böhm fällte am Freitag im Landesgericht ein Unzuständigkeitsurteil und begründete das mit der Indizienlage. Für ihn sei es „zwingend“ erforderlich, dass ein Schöffensenat die Vorwürfe gegen den 41-Jährigen prüft, sagte Böhm: „Wenn diese Vorfälle so wie von den Insassinnen beschrieben stattgefunden haben, ist der Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt.“

Angeklagter und Kameramann bei Prozess um Sex-Affäre in der Justizanstalt Josefstadt

APA/Helmut Fohringer

Der Angeklagte muss sich nun wegen Vergewaltigung verantworten

Damit geht es für den vom Dienst suspendierten Beamten, der sich nicht schuldig bekannt hatte („Ich habe nichts gemacht, Herr Rat“), in dem Verfahren nicht mehr um maximal drei Jahre Haft. Das Strafgesetzbuch (StGB) sieht für Vergewaltigung Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren vor. „Keiner dieser Vorwürfe ist wahr. Im Gefängnis wird viel geredet, und dieses Gerede hat zu diesem Verfahren geführt“, meinte sein Verteidiger Michael Vallender.

Opfer: „Als Insasse hat man keine Wahl“

Eines der Opfer schilderte als Zeugin offen und im Detail, was sie erlebt hatte. Auf die Frage, ob sie sich gewehrt habe, meinte die Frau, die insgesamt vier Monate in der JA Josefstadt verbracht hatte, bis sie die Fußfessel genehmigt bekam und damit in den elektronisch überwachten Hausarrest wechseln konnte: „Ich hab’ schon versucht, stehen zu bleiben, weil ich das nicht wollte.“ Der Beamte habe aber den Druck auf ihre Schultern verstärkt.

„Als Insasse hat man eigentlich keine Wahl“, meinte sie und sie habe auch ihre Arbeit im Gefängnis „nicht verlieren wollen.“ Im August 2012 wurde die Frau an einem Wochenende aufgefordert, sich die Arbeitskleidung anzuziehen. Der betreffende Beamte habe sie abgeholt und im dritten Stock putzen lassen. Dass weibliche Häftlinge nach Gutdünken des Wachpersonals dazu herangezogen werden, im Männertrakt Herrentoiletten zu säubern, ist in der JA Josefstadt offenbar üblich.

Angeklagter in Prozess um Sexaffäre in der Justizanstalt Josefstadt

APA/Helmut Fohringer

Der 41-Jährige bekannte sich nicht schuldig

Sie habe „gewusst, dass etwas sein wird“, beschrieb die Zeugin ihre damalige Gefühlslage. Der Beamte habe sie in einen Aufenthaltsraum beordert, wieder die Tür abgesperrt, sie zu küssen begonnen und aufgefordert, sich ein wenig „locker“ zu machen. Dann habe er sie und sich selbst ausgezogen. Auf einem Sofa sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen.

Zweites Opfer nicht vor Gericht erschienen

„Es gibt keinen Ort, an dem man einer Autoritätsperson mehr ausgeliefert ist als im Gefängnis“, gab Bettina Caspar-Bures, die Rechtsvertreterin der ehemaligen Insassin, zu bedenken. Was in der JA passiert sei, sei „menschenverachtend und einer demokratischen Gesellschaft nicht würdig“. Ihre Mandantin habe das ihr Widerfahrene bis heute nicht zur Gänze aufgearbeitet und bedürfe nach wie vor psychotherapeutischer Behandlung.

Eine zweite Insassin soll der Wachebeamte seit Dezember 2011 belästigt und gegen ihren Willen betastet und geküsst haben. Richter Böhm merkte an, dass das den Tatbestand der geschlechtlichen Nötigung erfülle und damit ebenfalls vor einem Schöffensenat zu verhandeln sei. Diese Frau kam ihrer Zeugenladung am heutigen Verhandlungstag nicht nach.

41-Jähriger nicht im Frauentrakt beschäftigt

Laut Ermittlungsakt war der 41-jährige Justizwachebeamte zuerst in der Wäscherei und später in der Kantine beschäftigt und hätte im Frauentrakt eigentlich gar nichts zu suchen gehabt. Wie mehrere ehemalige weibliche Häftlinge im Zuge der Ermittlungen angaben, soll der betreffende Beamte aber regelmäßig im Frauentrakt erschienen sein und zunächst mit Kollegen gesprochen haben.

Sein Interesse soll auch den Insassinnen gegolten haben. Einer soll er gesagt haben, sie sei „sehr lieb“ und „sympathisch“. Im Vorbeigehen soll er sie dann abgebusselt haben. „Weil ich gut drauf war“, wie der 41-Jährige, dazu von Böhm befragt, angab. Für ihn habe es sich dabei um eine „menschliche Floskel“ gehandelt.

Küsse bekam auch eine andere Gefangene, welcher der Beamte versprochen haben soll, sich nach ihrer Entlassung um einen Job zu kümmern. Brieflich soll er ihr seine „Gefühle“ gestanden haben. Der Aussage einer Insassin zufolge sollen der Beamte und diese Frau eines Tages zu zweit auf der Toilette verschwunden sein. Im Anschluss habe sie „Geräusche“ aus der Toilette vernommen.

Beamter im November 2014 suspendiert

Die beiden Vorfälle sollen sich im Sommer 2012 bzw. im Dezember 2012 ereignet haben. Der Beamte - für ihn gilt die Unschuldsvermutung - wurde unmittelbar nach Einbringen des Strafantrags Ende November 2014 außer Dienst gestellt - mehr dazu in Missbrauch: Justizwachebeamter suspendiert. „Er wurde von uns vorläufig suspendiert. Die Suspendierung ist mittlerweile bestätigt“, sagte Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion.

Erhebungen nach Aussagen einer Kollegin

Die Erhebungen in dieser Sache waren im Herbst 2013 über eine Kollegin des Verdächtigen ins Laufen gekommen. Die betroffenen Insassinnen hatten sich der Justizwachebeamtin anvertraut. Diese wandte sich schließlich an die Vollzugsdirektion, brachte den Fall zur Anzeige und ersuchte zugleich um ihre Versetzung, da sie - so ihre Diktion - in der Justizanstalt Wien-Josefstadt „den Druck nicht mehr aushalte“. Die Beamtin ist mittlerweile in einer anderen Justizanstalt tätig.

Von den Frauen, die mit dem Beamten Sex gehabt haben sollen, befand sich eine bereits wieder auf freiem Fuß, als die Staatsanwaltschaft zu ermitteln begann. Die zweite hatte von der Anstaltsleitung zwischenzeitlich den elektronisch überwachten Hausarrest genehmigt bekommen - sie soll, als die angeblichen Übergriffe aufflogen, den Verlust der Fußfessel befürchtet haben.