Juwelier erschoss Räuber: Komplize verurteilt

Der zweite Komplize jenes Räubers, der im Juli 2013 von einem Juwelier in Rudolfsheim-Fünfhaus erschossen worden ist, wurde am Mittwoch am Straflandesgericht Wien zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der 23-jährige Litauer erzählte dem Schöffensenat, dass ihn Hintermänner in seiner Heimat mit der Aussicht auf „leichte Arbeit“ nach Österreich gelockt hätten. Er sei dann aber in einer Bande gelandet, die mit Spielzeugpistolen mehrere Raubüberfälle in Salzburg, Linz und Wien verüben wollte. Am 5. Juli 2013 stürmte er gemeinsam mit zwei Landsleuten in ein Juweliergeschäft in der Äußeren Mariahilfer Straße. Beim Versuch, das Geschäft auszurauben, kam einer der beiden Komplizen des 23-Jährigen ums Leben - mehr dazu in Juwelier-Überfall: Mann geständig (wien.ORF.at; 8.7.2013).

Auf der Straße zusammengebrochen

Während Linas S. (43) mit einer Waffe den Inhaber des Juwelier-Geschäfts und dessen Ehefrau bedrohte, rafften die jüngeren Täter Schmuckstücke zusammen. Sie bekamen gar nicht mit, dass der Juwelier unter ein Pult griff und mit einer Pistole auf den Bewaffneten feuerte. Der 43-Jährige taumelte noch auf die Straße, wo er nach wenigen Metern tödlich getroffen zusammenbrach - mehr dazu in Juwelier erschießt Räuber (wien.ORF.at; 5.7.2013).

Erschossener Räuber vor Juweliergeschäft

APA: Helmut Fohringer

Tatort vor dem Juweliergeschäft

Pistolenschuss war Notwehr

Für den Juwelier, der den 43-jährigen Litauer zu Tode brachte, hatte seine Schussabgabe keine strafrechtlichen Folgen. Die Staatsanwaltschaft stellte das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren ein. Ihm wurde zugebilligt, in Notwehr gehandelt zu haben. Dem Schützen setzte das, was geschehen war, psychisch aber derartig zu, dass er nicht mehr seinen Geschäften nachgehen konnte. Ein Jahr, bevor er seinen Ruhestand antreten wollte, sperrte er zu - mehr dazu in Juwelier erschoss Räuber: Notwehr (wien.ORF.at; 2.1.2014).

Dritter Räuber bereits auf freiem Fuß

Während es Zeit brauchte, um des 23-Jährigen Mittäters habhaft zu werden, war der dritte Räuber bereits im Jänner 2014 in Wien abgeurteilt worden. Der 20-Jährige war noch in der Nähe des Tatorts festgenommen worden. Er bekam zwei Jahre unbedingt. Da ihm die U-Haft auf seine Strafe angerechnet wurde, befindet sich der Litauer inzwischen wieder auf freiem Fuß. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe wurde er vorzeitig bedingt entlassen und in seine Heimat abgeschoben - mehr dazu in Juwelier: Verdächtiger festgenommen (wien.ORF.at; 6.7.2013).

Verhaftung in Litauen

Dem 23-Jährigen war demgegenüber zunächst die Flucht aus Österreich geglückt. Er erreichte per Bus und Zug seine Heimat, wo er allerdings ein halbes Jahr später wegen Betrugs festgenommen und zu 14 Monaten Haft verurteilt wurde. Nachdem er diese Strafe abgesessen hatte, wurde er an die österreichische Justiz ausgeliefert.

Vor Gericht erzählte er nun, Geldnot hätte ihn nach Österreich getrieben: „Ich wollte keinen Überfall machen. Ich bin ja kein Verbrecher.“ Fakt ist allerdings, dass der Mann bereits mit 18 einen finnischen Juwelier ausgeraubt und dafür mehrere Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Als ihn die Richterin darauf ansprach, erwiderte der Angeklagte: „Von meiner Natur her bin ich kein schlechter Mensch. Manchmal sind die Umstände so, dass man nicht anders handeln kann.“

Prügel wegen gescheiterter Überfälle

Das Unterfangen, in Salzburg und Linz Juwelier-Geschäfte auszurauben, wurde stets in letzter Minute abgeblasen, weil den Tätern zu viele Kunden anwesend waren. Ihre zwei Hintermänner, die ihnen die Bustickets bezahlt hatten und die das Trio offenbar wie willfährige Werkzeuge quer durch Österreich chauffierten, sollen ihnen das übel genommen haben. „Weil wir keine Beute gemacht haben, sind wir in ein Waldstück gebracht und verprügelt worden“, erzählte der 23-Jährige.

In Wien sollte dann am 29. Juni 2013 ein Juwelier in der Simmeringer Hauptstraße ausgeraubt werden. Nachdem die drei Litauer an den beiden vorangegangenen Tagen das Geschäft aufgesucht hatten und sich zum Schein Brillantringe zeigen ließen, blickte der Inhaber am dritten Tag plötzlich in die Mündung einer Schusswaffe. Obwohl ihm unklar war, ob es sich um eine echte Waffe oder eine Spielzeugpistole handelte, griff der Mann nach dem Lauf, und zwar derart kräftig, dass die Waffe in zwei Teile zerbrach und die Räuber die Flucht ergriffen. Nach ein paar Tagen hatten sie sich so weit erholt, dass sie einen weiteren Raubversuch starteten, den der Älteste von ihnen mit dem Leben bezahlte.

„Was Sie gemacht haben, war mutig, aber saublöd“, bekam der couragierte Juwelier, der die Spielzeugpistole zerbrochen hatte, nun als Zeuge von der Richterin zu hören. „Ich lass mir das nicht in fünf Minuten wegnehmen, was ich mir in 40 Jahren aufgebaut habe“, beschied ihr der Geschäftsmann. Und weiter: „Man darf keine Angst haben. Sonst kann man diesen Beruf nicht machen.“