Schmerzmedizin: Situation immer kritischer

In der Schmerzmedizin wird die Lage immer kritischer. Wegen des neuen Arbeitszeitgesetzes und des Sparzwangs muss das Angebot der Wiener Ambulanzen zurückgefahren werden. Am AKH können nur noch komplexe Patienten behandelt werden.

Jeder fünfte Erwachsene hat ständig Schmerzen, sei es im Rücken, in den Gelenken oder im Kopf. In Wien gibt es neun Schmerzambulanzen. Durch das neue Arbeitszeitgesetz könne man etwa im AKH nicht mehr jeden Patienten behandeln, sagt der Leiter der Schmerztherapie Hans-Georg-Kress. „Wir müssen auf die komplexeren Patienten, weil sie nur ganz wenige Anlaufstellen haben außerhalb des AKH.“

AKH: Arbeitszeitgesetz führt zu Engpässen

„Seit Jänner 2014 ist an der größten medizinischen Universität des Landes eines von zwei Schmerz-Diensträdern (Versorgung für alle Abteilungen 24 Stunden an sieben Tagen der Woche; Anm.) ersatzlos gestrichen worden.“

Mit den nunmehr einzuführenden Diensten für Ärzte mit längstens 48 Stunden pro Woche wisse man an seiner Abteilung nicht mehr, wie lange man das letzte übrig gebliebene Dienstrad für diese Aufgaben besetzen könne. „Ich befürchte, dass wir diese Bereitschaft an Feiertagen und Wochenenden nicht mehr aufrechterhalten könne.“

In der Ambulanz mit Spitzenmöglichkeiten für modernste Schmerztherapie würden sich in Zukunft wahrscheinlich monatelange Wartezeiten aufbauen. Es könne durchaus sein, dass in Österreich das „Pflänzchen Schmerzmedizin“ schlicht und einfach eingehe. Umgesetzt werden müsse ein seit Jahren vorliegendes Konzept einer flächendeckenden mehrstufigen Versorgung von Schmerzpatienten.

Sujet Schmerzen

colourbox.de

„Schmerz wird oft nur weggespritzt“

Die wenigen Anlaufstellen außerhalb des AKH seien für eine umfassende Behandlung nicht ausgerüstet, kritisiert Kress. Oft werde der Schmerz einfach nur weggespritzt. „Wenn sie zum Beispiel sehen, dass bei der Wiener Gebietskrankenkasse der größte Posten für die Behandlung chronischer Schmerzpatienten Infiltrations- und Infusionsbehandlungen sind, dann läuft etwas schief.“ Kress fordert den Ausbau von Schmerzzentren, dies würde langfristig nicht nur die Patienten sondern auch das Gesundheitssystem entlasten.

Kress schildert die Lage der Schmerzmedizin auch für Österreich dramatisch: „Es ist ein Statement zur prekären und immer prekärer werdenden Situation der Schmerzmedizin zu machen. Der finanzielle Druck und die Einsparungsbemühungen im Gesundheitssystem nehmen selbstverständlich die Schmerzmedizin und die Versorgung der Schmerzpatienten nicht aus.“

Zehn Schmerzambulanzen in Österreich geschlossen

Eine Studie der MedUni Graz hat dazu vergangenes Jahr harte Daten geliefert. Die Autoren hatten in den österreichischen Spitälern flächendeckend erhoben, wie sich Zustand und Zahl der Schmerzambulanzen in den vergangenen drei Jahren verändert hatte. Der Experte: „Uns hat das Ergebnis bestürzt und betroffen gemacht. Von den ehemals 44 Schmerzambulanzen in Österreich sind zehn geschlossen worden. Die Personalknappheit steht im Vordergrund.“ Die Lage könne von den Politikern nicht mehr „schön geredet“ werden, die „strukturellen Defizite“ würden derzeit aufbrechen.

Bei dem Symposium, das gerade in Wien stattfindet, werden auch die neuesten Erkenntnisse zur Neuromodulation (Generatoren, welche mit Stromimpulsen schwere Schmerzen dämpfen) behandelt. Hier dürften Hochfrequenzgeräte eine weitere Verbesserung bringen. Darüber hinaus geht es um Schmerz im Alter und um schmerzbedingte bzw. durch Analgetika-Therapie verursachte sexuelle Funktionsstörungen.

Link: