Skurrile Orte an der Stadtgrenze

„Wo Wien beginnt. Eine Erkundung der Stadt vom Rand her“ heißt das neue Buch von Journalist Wolfgang Freitag, das am Mittwoch erschienen ist. Auf 136 Kilometern der Stadtgrenze erkundet er etwa die „Streugrenze“ oder Schießstätten.

Der Wienerwaldtunnel, der Richtfunkturm auf dem Exelberg, die Bauschuttdeponie Langes Feld und der Zentralverschiebebahnhof Kledering: Das sind einige der Orte, die „Presse“-Redakteur Wolfgang Freitag entlang der Stadtgrenze aufgesucht hat. Die Idee dazu kam ihm bei einer privaten Architekturexkursion. „Ich habe die Idee dann weitergedreht. Zunächst habe ich das nur für mich selbst gemacht, um zu sehen, was dort ist“, sagte Freitag gegenüber wien.ORF.at. „Jetzt soll mein Buch die Leute dazu anstiften, sich selbst auf den Weg zu machen und sich die einzelnen Orte anzusehen.“

Kuriose Grenzmarkierungen in der Natur

Den Grenzverlauf fand Freitag in Wienkarten eingezeichnet. „Viele Grenzwege verlaufen entlang von Straßen und Feldwegen“, sagte Freitag. Verliefen Grenzabschnitte quer durch den Wald, benutzte er sein GPS. Eigentumsgrenzen musste er umgehen. „Es war weniger kompliziert als man sich es vorstellen kann“, sagte der Autor. Besonders belustigt habe ihn dabei die Entdeckung der einzigen zwei in der Natur gekennzeichneten Grenzen: Die erste ist die „Streugrenze“ der Magistratsabteilung 48, die den Wiener Räumfahrzeugen sagt, bis wohin sie zu streuen haben.

Buchhinweis
Wolfgang Freitag: „Wo Wien beginnt. Eine Erkundung der Stadt vom Rand her“, Metroverlag, 172 S., 19,90 Euro.

Die andere Grenzmarkierung befindet sich im Wienerwaldtunnel. „Mitten im finsteren Tunnel findet man eine Grenzziehung zwischen Niederösterreich und Wien. Das geht auf die Bezirkshauptmannschaften zurück, die damit geklärt haben, wer im Notfall für das Gebiet zuständig ist“, sagte Freitag. Es war aber nicht nur das Abgehen der abgelegenen und teilweise skurrilen Orte, das für Freitag reizvoll war. Durch Recherche, genaues Beschreiben und die Ansprechpartner vor Ort, wollte er die einzelnen Stationen zum Erzählen bringen.

So spricht Robert Steiner am Zentralverschiebebahnhof Wien über den Wandel der Zeit, ohne auf die offizielle Sprachregelung der ÖBB Rücksicht zu nehmen, oder Tahir Kapetanovic, Leiter der Austrian Power Grid Control, im Umspannwerk Wien-Südost über den täglichen Jonglierakt, Überlastungen im europaweiten Stromnetz zu vermeiden. „Wir sind nur dann gut, wenn von uns nichts zu hören ist“, erklärt Kapetanovic im Buch.

Urbaner Wandel an der Stadtgrenze

„Hier kommt zusammen, was so nicht zusammengehört“. Mit diesem Satz beschreibt Freitag den urbanen Wandel, der derzeit an den Wiener Grenzen stattfindet. Damit meint er beispielsweise die Einfamilienhaussiedlung neben der Bauschuttdeponie in Floridsdorf. „Die Stadt wächst nach. Dadurch gibt es eine Kollision mit lauten, stinkenden oder unangenehmen Funktionen, die ins städtische Off ausgelagert wurden damit sie nicht stören“, sagte Freitag.

Auch neben Schießstätten, die eine typische Stadtrandfunktion hatten und von der Wiener und Niederösterreichischen Polizei sowie dem Bundesheer heute noch genutzt werden, entstehen Wohnsiedlungen. „Die Stadt ist mit sich selbst konfrontiert. Die Frage ist, wie direkt findet die Urbanisierung statt. Wie viel Grün und Luft lässt man zu.“ Vor allem im Süden und Osten Wiens sind weite agrarische Bereiche völlig unbebaut. „Es ist nur eine Frage der Zeit bis der Flächendruck so groß ist, dass man sie verbaut“, sagte Freitag, der sich nach „Schattenorten von Wien“ nun der Peripherie gewidmet hat.

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