Brustkrebs: Tendenz zu „Überbehandlung“

Erstmals findet die St. Gallen International Breast Cancer Conference in Wien statt, 5.000 Teilnehmer beschäftigen sich etwa mit Strategien zur Prävention. Impfungen gegen Brustkrebs stehen erst am Anfang. Oft tendieren Ärzte zu „Überbehandlung“.

In der westlichen Welt erkrankt etwa jede achte Frau an Brustkrebs. Umso wichtiger wären Präventionsstrategien. Medikamente und Impfungen befinden sich im Test, hieß es am Mittwoch zum Start der St. Galler Brustkrebskonferenz im Austria Center Vienna. Weltweit erkranken jährlich rund 1,7 Millionen Frauen an einem Mammakarzinom.

In Österreich werden rund 5.000 solche Diagnosen gestellt, die Zahl der jährlichen Todesopfer beträgt rund 1.600. Zwar haben sich die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten verbessert, am besten wäre es aber, man könnte das Auftreten eines Mammakarzinoms insgesamt verhindern.

Test könnte Chemotherapie ersparen

Im Zweifelsfall tendieren die Ärzte bei der Behandlung von Mammakarzinompatientinnen eher zur „Überbehandlung“. Das bedeutet häufig eine zusätzliche belastende Chemotherapie. Ein auch in Österreich untersuchter Gentest könnte die Entscheidung erleichtern.

„Der Test unterscheidet gut Frauen mit niedrigem Risiko, mittlerem oder höheren Risiko für eine später erfolgende Metastasierung. Wenn eine Patientin zum Beispiel mit dem Test nur eine dreiprozentige Gefährdung für einen Rückfall innerhalb von zehn Jahren hat, bedeutet das ein Ein-Jahres-Risiko von 0,3 Prozent. Dieser Patientin wird man eine zusätzliche Chemotherapie nach der Operation ersparen können“, sagte der Wiener Brustkrebsspezialist Michael Gnant (AKH/MedUni Wien), Co-Vorsitzender der Konferenz.

An sich geben bei der Diagnosestellung die Größe des Tumors, der Befall oder nicht erfolgte Befall von Lymphknoten, die Abhängigkeit oder Nicht-Abhängigkeit der bösartigen Zellen von den weiblichen Geschlechtshormonen und das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein HER2-Rezeptoren auf den Zellen schon ziemlich genaue Hinweise auf den zu erwartenden Verlauf der Erkrankung. Doch das ist nicht immer aussagekräftig genug. „Man kann schätzen, dass bei etwa 30 Prozent der Patientinnen ein solcher Gentest zusätzlich genauere Bestimmung der Prognose der Erkrankung bietet“, so Gnant.

Geringere Gefährdung durch vier Stunden Sport

„Epidemiologische Studien haben mehrfach bewiesen, dass ein gesünderer Lebensstil das Brustkrebsrisiko senkt. Frauen, die pro Woche vier Stunden Sport betreiben, weisen eine um 20 Prozent geringere Gefährdung auf“, sagte Powel Brown, Vorstand der Abteilung für Krebsprävention am MD Anderson Krebszentrum in Houston (US-Bundesstaat Texas). Es gehe aber darum, etwaige Vorsorgemaßnahmen möglichst zielgerecht für Hochgefährdete zu entwickeln.

Dafür gibt es einige Angelpunkte, weil Brustkrebs keine uniforme Erkrankung ist, sondern offenbar sehr heterogen aus vielen verschiedenen Formen besteht. Östrogenrezeptor-positiver Brustkrebs macht 60 bis 70 Prozent der Fälle aus. Hier ist der Tumor auf den Wachstumsimpuls durch die weiblichen Geschlechtshormone angewiesen. Weitere 15 bis 20 Prozent der Mammakarzinomerkrankungen fallen unter die HER-2-positiven Formen, wiederum 15 bis 20 Prozent der Tumore sind „Triple negativ“.

Impfungen erst am Anfang

Tamoxifen, das seit vielen Jahren in der Behandlung nach der Operation und einer allfälligen Strahlentherapie eingesetzt wird, hat als Präventionsmittel nur einen mäßigen Effekt. Doch es gibt neuere Arzneimittel, die mehr versprechen. „Mit sogenannten selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs; z. B. Raloxifen) erreicht man eine Senkung des Brustkrebsrisikos (hormonabhängige Tumore; Anm.) um rund 50 Prozent. Mit Aromatasehemmern liegt diese Reduktionsrate zwischen 58 und 73 Prozent“, so der britische Experte Mangesh Thorat.

Bei der Untergruppe der HER-2-positiven Mammakarzinome wird derzeit versucht, die bei solchen Erkrankungen in der medikamentösen Therapie verwendeten Mittel, zum Beispiel monoklonale Antikörper wie Trastuzumab oder Enzymhemmer (z.B. Lapatinib), in die Prävention hinüber zu ziehen. Hier gibt es aber erst wenige und relativ kleine Studien mit Probandinnen, deren Resultate publiziert wurden.

Eine ganz andere Strategie stellen präventiv wirkende Vakzine gegen das Mammakarzinom dar. „Man weiß, dass Patientinnen, die im Tumorgewebe mehr infiltrierende Immunzellen aufweisen, eine bessere Prognose haben. Also sollte man durch eine Impfung die CD4-positiven T-Zellen aktivieren, welche die Immunantwort verstärken (CD4-positive Zellen vom Typ 1; Anm.), und ebenso die Aktivität der CD8-positiven T-Zellen erhöhen, die Tumorzellen auflösen können“, berichtete Nora Disis, Pathologin von der Universität Washington (USA).

Kongress erstmals in Wien

Der St. Galler Brustkrebskongress gilt weltweit als eine der wichtigsten Wissensplattformen in der Behandlung von Brustkrebs. Im Unterschied zu anderen Kongressen beschränkt man sich nicht nur auf die Vorstellung neuer Studien, es werden auch die jüngsten Erkenntnisse aus der klinischen Praxis präsentiert. Diese dienen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten als rasche und klare Entscheidungshilfen im klinischen Alltag.

Im Anschluss an den Kongress werden internationale Richtlinien für die Behandlung von Brustkrebs für die nächsten zwei Jahre definiert. Die Erkenntnisse des St. Galler Brustkrebskongresses sind somit sehr schnell für die Patientinnen spürbar. Das Brustzentrum des Kantonsspitals St. Gallen und das Tumor- und Brust-Zentrum ZeTuP St. Gallen setzen sich bereits seit vielen Jahren sehr intensiv mit dem Thema der erfolgreicheren Erstbehandlung von Brustkrebs auseinander.

„Dieses Vordenken war auch der Anstoß zum St. Galler Brustkrebskongress, der seit 1982 vorerst alle drei, dann alle zwei Jahre stattfindet“, so Kongress-Ko-Präsident Hansjörg Senn, Leiter des ZeTuP St.Gallen und Vize-Präsident der Stiftung „St. Gallen Oncology Conferences“.

Forschung: Hoher Stellenwert für Österreich

Auch Österreich spielt mit der Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) in der Top-Liga der internationalen Brustkrebsforschung. Über 25.000 Patientinnen haben innerhalb der letzten 30 Jahre bereits an der klinischen Studiengruppe teilgenommen. Derzeit umfasst die Gruppe rund 3.000 österreichische Patientinnen.

„Damit nimmt Österreich - in Relation zu seiner geografischen Größe - einen ungewöhnlich hohen Stellenwert in der internationalen Brustkrebsforschung ein. Diese Bedeutung war mitentscheidend, dass der St. Galler Brustkrebskongress nun seinen Standort nach Wien verlegt hat“, betonte Michael Gnant - mehr dazu in Brustkrebs-Kongress erstmals in Wien (wien.ORF.at; 1.3.2015).

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