Musikerinnen: Sexuelle Belästigungen im Alltag

Musikerinnen sind häufiger mit sexuellen Belästigungen am Arbeitsmarkt konfrontiert als andere Berufsgruppen, wie eine Befragung an der Musik-Uni ergab. Auch im Uni-Alltag sei das ein Thema, berichtete eine mdw-Absolventin.

„Ich kenne viele Kollegen, die zu diesem Mittel greifen“, bestätigte Edda Breit, ehemalige mdw-Absolventin, die Situation gegenüber wien.ORF.at. Derzeit spielt sie in einem Kammerorchester, unangenehme Bemerkungen gehören auch zu ihrem Alltag. „Ich habe gelernt damit umzugehen. Ich hole mir ein größeres Publikum dazu und sage vor allen, was der Kollege zu mir gesagt hat“, sagte Breit.

„Das braucht entsetzlich viel Mut. Aber ich habe gelernt, dass Stillhalten und nichts sagen oder sich privat zusammensetzen um darüber zu reden, nichts bringt.“ Oft werde sie ausgelacht oder beschuldigt, sich wie eine Zicke zu verhalten. „Es geht nicht nur um sexuelle Belästigungen sondern um massive Grenzüberschreitungen. Auch Mobbing ist ein Thema“, sagte Breit.

Geige vor Notenbrett

dpa/Jens Kalaene

Vor allem Musikerinnen sind häufig mit sexuellen Belästigungen am Arbeitsmarkt konfrontiert

Diese persönlichen Erfahrungen zeigen sich auch in der Befragung, die bei rund 400 Abgängern der Universität für Musik und darstellende Kunst (mdw) durchgeführt wurde. „Sie berichten häufig über sexuelle Belästigungen bei der Bewerbung um Aufträge“, hieß es in einer Aussendung der mdw.

„Handgreifliche Annäherungen als Druckmittel“

„Mit dem Publikum, der Band oder dem Orchester ist es einfacher geworden, da war es in Unterrichtssituationen an der Uni schwieriger“, sagte Breit, die auch von handgreiflichen Annährungsversuchen während ihrer Studienzeit weiß. „Manche verwenden es als Druckmittel und versprechen einem Vorteile. Man befindet sich in einer hierarchischen Abhängigkeit“, sagte Breit.

„Im Kunstbereich liegt es vor allem am Einzelunterricht. Hinter verschlossenen Türen passiert so etwas schneller als im Hörsaal, es gibt keine Zeugen“, sagte Angelika Silberbauer vom Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen an der mdw. „Auch im Instrumentalunterricht ist die Grenze zu erlaubten fachlichen Berührungen dünn.“ Seit 2011 hilft die Doktorandin den Studierenden und berät sie in Sachen Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Genderfragen. Zahlen darf sie aufgrund des Opferschutzes keine nennen.

„Kunst läuft über Emotionen. Es kann passieren, dass wenn man in einem Stück drinnen ist, dass sich Gefühle freisetzen, die man vielleicht falsch interpretiert. Man muss aber wissen, dass man sie nicht auf die andere Person übertragen darf. Hier fangen die Grenzen zum Schwingen an“, sagte die Vizerektorin der mdw, Ulriche Sych. In diesem Zusammenhang hat sie auch beobachtet, dass es vom Kulturkreis abhängt, wie mit der Thematik umgegangen wird. "Ich kenne Fälle, wo es dann hieß, das ist mein Professor, da darf ich nichts sagen.“

„Es sind nicht nur die schlimmen Lehrenden“

Sucht eine Person beim Arbeitskreis um Hilfe, wird zunächst dargelegt, was passiert ist. „Danach laden wir die Täterperson zu einem getrennten Gespräch ein. Wenn Handlungsbedarf in Richtung Personalrecht besteht, also wenn Grenzen überschritten werden, die Konsequenzen etwa in Bezug auf das Arbeitsverhältnis zur Universität haben, wird das Rektorat informiert“, sagte Silberbauer zur Vorgehensweise. Je nach Grad des Vorfalls kann es vom Lehrerwechsel bis zur Entlassung kommen.

„Es sind aber nicht nur die schlimmen Lehrenden und die braven Studierenden, ich hatte beide Fälle schon“, sagte Sych. Um dem vorzubeugen hat die Vizerektorin veranlasst, dass jede Lehrkraft, die neu ins Haus kommt, an einem Modul teilnehmen muss, wo sexuelle Belästigung und Sexismus thematisiert wird.

Grenzverletzendes Verhalten auch in Musikschulen

Der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien (KJA) sind auch Vorfälle bei Jugendlichen bekannt. „Es gibt Jugendliche oder Eltern, die wegen grenzverletzendem Verhalten in Instrumenten- oder Gesangsschulen zu uns kommen“, sagte Peter Wanke von der KJA. Zuerst fasst Wanke die Beschwerde schriftlich zusammen und holt dann die Erlaubnis der Eltern ein, um mit den entsprechenden Musik-Organisationen in Kontakt zu treten.

„Ich habe es auch schon erlebt, dass die Anzeige dann zurückgezogen wird, weil das Interesse der Eltern im Vordergrund steht, dass das Kind das Instrument lernt oder, weil der Musiklehrer eine bekannte Person ist oder, weil einfach die Karriere im Vordergrund steht“, sagte Wanke. Laut KJA treten solche Fälle auch im Bereich des Sports oder bei elitären Schulen auf. „Immer dort, wo Eltern das große Bedürfnis haben, sich mit ihren Kindern zu profilieren, werden die Grenzen übersehen“, sagte Wanke.

Novelle des Strafgesetzbuches in Begutachtung

Schon seit längerem wird über die Neugestaltung des österreichischen Strafrechts diskutiert. „Wenn jemand am Oberschenkel oder am Po begrapscht wird, ist das derzeit keine sexuelle Belästigung. Nur wer am Busen oder zwischen die Beine greift, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen“, sagte Katharina Beclin, Professorin für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien. Die Novelle des Strafgesetzbuches ist am 13. März nun in Begutachtung gegangen.

„Es wurde aufgenommen, was wir seit langem fordern: Wenn das Opfer eine sexuelle Handlung erkennbar verweigert, beispielsweise durch Nein sagen oder Weinen und der Täter diese sexuelle Handlung dennoch setzt, wird das jetzt strafbar“, sagte Frauenministerin Heinisch-Hosek von der SPÖ. Auch Po-Grapschen soll zukünftig in Österreich unter sexuelle Belästigung fallen: „Es ist hoch an der Zeit, dass sexuelle Belästigung, nicht nur am Arbeitsplatz, sondern egal wo sie passiert, sanktioniert wird“, sagte die Ministerin.

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