Die 50er und 60er heute in Wien

Möbel und Mode aus den 50er und 60er Jahren sind heiß begehrt. Teilweise werden horrende Summen dafür ausgegeben. Doch auch abseits dieses Trends finden sich viele Erinnerungen an diese Zeit in Wien. Ein Spaziergang.

Ein türkiser Opel aus dem Jahr 1957 parkt in einer Ausfahrt in der Josefstadt. „Da bleibt jeder stehen und schaut“, sagt der Mechaniker als er aus der Werkstatt kommt. „Ich handle schon länger mit Oldtimern. Aber der hier, der stößt auf besonders viel Interesse. Vielleicht liegt es an der Farbe, vielleicht an der Zeit aus der er stammt.“ Bei einem Streifzug durch Wien warten jedenfalls an fast jeder Ecke Erinnerungen an die 50er und 60er Jahre.

Opel aus dem Jahr 1957

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Opel aus dem Jahr 1957

Aufleben der 60er im Gartenbaukino

Die Architektur ist dabei besonders auffällig. In beinahe jeder Straße ist ein Gemeindebau zu finden, der in dieser Zeit erbaut wurde. In großen Lettern steht der Zeitraum der Errichtung, daneben prangt das Wappen von Wien. Oft sind die heute farblich bereits etwas verblichenen Fassaden mit Gemälden verziert. Nach dem Krieg wurden erst ab 1950 wieder Wohnungen gebaut. In den 60ern entstanden dann die typischen Hochhaussiedlungen in Fertigteilbauweise wie die Großfeldsiedlung in Leopoldau oder die Siedlung „Am Schöpfwerk“.

Gartenbaukino in den 60ern

© Entuziasm Kinobetriebsgmbh

Das Gartenbaukino in den 60ern

Bei einem Spaziergang durch Wien stechen aber auch Unterhaltungsstätten aus dieser Zeit wie die Stadthalle oder das Gartenbaukino ins Auge. Letzteres etwa wurde 1960 errichtet. Bis heute gleicht ein Besuch einer kleinen Zeitreise, ist es doch laut Inhabern ein „Dokument einer längst vergessenen Kinokultur“. Zudem findet seit 2011 hier immer wieder das Event „Swell Time (A Mad Man Night Out)" statt. Dabei wird auf der Tanzfläche zu Hits aus den 50ern und 60ern getanzt, viele sind auch entsprechend angezogen.

Rock’n’Roll prägt Jugendkultur

„Wien erlebte in den 50ern und 60ern nicht nur einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zum ersten Mal entwickelte sich auch eine Jugendkultur. Davor waren die Jugendlichen immer kleine Erwachsene. Die USA übten mit ihrem Rock’n’Roll einen großen Einfluss aus“, sagt Ingeborg Bauer-Manhart von der MA53.

Dieser Rock’n’Roll ist auch heute noch an zahlreichen Orten zu finden. Im Cafe Bendl, neben dem Rathaus, steht beispielsweise ein Wurlitzer, der heute noch täglich die Platten aus den 50ern und 60ern abspielt. „Die Leute haben sich geändert, aber die Platten sind die gleichen geblieben“, sagt die Barfrau. Wer auch zu Hause zum Beispiel der Stimme von Doris Day lauschen will, wird in Plattenläden wie „Sing Sing Records“ in der Neustiftgasse in Neubau fündig.

Mode der 50er inspiriert Laden im siebenten Bezirk

„Seit ein paar Jahren schon steigt der Trend auch in den eigenen vier Wänden diese Epoche wieder aufleben zu lassen“, sagt die Verkäuferin in der „Vintagerie“. Das Geschäft in der Nelkengasse in Neubau hat sich genau darauf spezialisiert und existiert nun seit bereits drei Jahren. Von Beistelltischen über ehemalige Sesseln aus der Stadthalle bis zu knallroten Cocktailstühlen gibt es beinahe alles für die Einrichtung. „Jung und Alt sind dabei gleichermaßen interessiert“, sagt sie.

Der Trend, die Vergangenheit in die Gegenwart zu bringen, spiegelt sich auch in der Mode wider. Beinahe jedes Wochenende findet ein Flohmarkt statt bei dem „Vintage“-Kleidung angeboten wird. Auch in diversen Auslagen finden sich Kleider aus jener Zeit oder Kleider, die damalige Schnitte neu interpretieren. So hat sich zum Beispiel auch der Shop „Goldstück Vienna“ im siebenten Bezirk auf die 50er spezialisiert.

Mosaiksteinchen am Studentenheim

Die 60er haben auch im öffentlichen Verkehr Spuren hinterlassen. Das Jonas-Reindl am Schottentor oder der Karlsplatz erinnern ihre Passanten stets durch ihr Erscheinungsbild an diese Zeit. Die Handschrift von Kurt Schlauss, dem Architekten der ersten U-Bahn-Station in Wien am Karlsplatz, ist bei genauem Hinschauen in ganz Wien zu finden.

Studentenwohnheim Pfeilgasse

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Studentenwohnheim in der Pfeilgasse 3a

Er hat verschiedene Brücken, wie etwa die achtspurige Praterbrücke über die Donau, sowie Wohnhäuser entworfen. Unter anderem stammt auch das Studentenheim in der Pfeilgasse 3a in der Josefstadt von ihm. Bei der Inbetriebnahme Mitte der 60er hat es als die modernste Einrichtung dieser Art in Österreich gegolten. Heute verweisen die Form des Hauses, die Fenster und die kleinen Mosaiksteinchen an der Fassade unweigerlich auf die Entstehungszeit.

Greißlerei musste zusperren

In der Innenstadt ist das ehemalige Kerzengeschäft Retti am Kohlmarkt von Hans Hollein ein markanter Verweis auf die 60er. Nicht weit von Holleins kleinem Monument befindet sich das „Cafe Korb“. Dunkle Holzsesseln, Tischchen mit weißen Ablageflächen, gehäkelte Vorhänge und für die Zeit typische Luster charakterisieren das Cafe und ermöglichen ein Eintauchen in die 60er.

Persönlichkeiten, die das Weltgeschehen jener Zeit geprägt haben, sind auch heute noch im Stadtbild präsent. So erinnert in der Rotenturmstraße in der Innenstadt eine Gedenktafel an John F. Kennedy. Menschen mit kleinen Geschäften haben es da schon schwieriger bis in die Gegenwart präsent zu bleiben. So kämpfte Renee Ott, die seit über 50 Jahren einen Feinkostladen betrieben hat, bis vor kurzem gegen die große Konkurrenz anderer Supermärkte. Mittlerweile ist ihr Laden jedoch geschlossen – mehr dazu in Facebook-Initiative für Greißlerin (wien.ORF.at; 25.06.2013).

Wien noch heute von jener Zeit beeinflusst

Auch wenn es heute kaum noch originale Spezialläden aus jener Zeit gibt: Wer die 50er und 60er herbeisehnt, ist in Wien dennoch nie weit davon entfernt. Ein Ausflug zum Tichy in Favoriten, ein Spaziergang beim Donauturm im Donaupark, ein Badetag im Theresienbad oder ein Besuch im Wien Museum lassen stets an ihre Entstehungszeit erinnern.

Lisa Rieger, wien.ORF.at

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