SPÖ-Coup lässt Koalition wackeln

Der SPÖ-Personalcoup und die damit endgültig verhinderte Wahlrechtsreform bringt die Koalition gehörig ins Wackeln. Ein vorzeitiges Ende von Rot-Grün wollte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) am Freitag nicht dezidiert ausschließen.

Sichtlich wütend reagierte Vassilakou am Freitag auf das Überlaufen des grünen Abgeordneten Senol Akkilic zur SPÖ kurz vor der Landtagssitzung zum Wahlrecht. „Die SPÖ klammert sich an ihre Macht und ihre Privilegien, und zwar jene Privilegien, die ihr das aktuelle Wahlrecht zuschanzt - um jeden Preis“, so Vassilakou. „Und sie scheut auch nicht davor, die allertiefste Schublade zu bedienen, die es in der Politik überhaupt gibt.“

Akkilic

APA/Herbert Pfarrhofer

Senol Akkilic saß am Freitag bereits bei seinen neuen Parteifreunden

Man werde in den nächsten Tagen in den grünen Gremien beraten, „was das für die weitere Zusammenarbeit heißt“, so Vassilakou. Ein vorzeitiges Koalitionsende wollte sie trotz mehrfacher Nachfrage nicht dezidiert ausschließen. Gleichzeitig sprach sie aber davon, dass man nun einen „Modus operandi“ für die Zusammenarbeit in den „nächsten Monaten“ finden müsse. Klubchef David Ellensohn gab ergänzend zu bedenken, dass eine Vorverlegung der Wahl nicht mehr ohne SPÖ-Zustimmung erfolgen könne und zudem ein Termin vor dem Sommer wegen diverser Fristen so gut wie nicht mehr machbar wäre.

Fixer Listenplatz für Akkilic bei SPÖ

Die SPÖ gab den Wechsel Akkilics am Freitag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz bekannt. Die Grünen erfuhren davon kurz davor per E-Mail. Damit hat die SPÖ im Landtag bzw. Gemeinderat nun 50 von 100 Stimmen - und damit gleich viele wie ÖVP, Grüne und FPÖ zusammen. So kann sie im Landtag verhindern, dass die anderen Parteien ein neues Wahlrecht durchboxen.

TV-Hinweis

Beitrag zur gescheiterten Wahlrechtsreform in der Mittags-ZIB zum Nachsehen in tvthek.ORF.at

Als Grund für seinen Wechsel nannte Akkilic, dass er bei der SPÖ „die so wichtige Integrationsarbeit“ fortführen könne und die Vorgehensweise der Grünen für eine Änderung der Geschäftsordnung im Landtag: „Es ist für mich ein elementarer demokratischer Grundsatz, dass alle den Regeln zustimmen, nach denen Politik gemacht wird. Da die Grünen diesen Grundsatz verlassen, muss ich mich von den Grünen trennen“, so Akkilic in einer Aussendung der SPÖ.

Pressekonferenz Akkilic

ORF

Bei einer Pressekonferenz wurde der Wechsel verkündet

Der 49-jährige Akkilic ist gebürtiger Türke, er war seit 1994 bei den Grünen und seit 2010 Abgeordneter. Bei den Vorwahlen der Grünen für die diesjährige Wien-Wahl landete er jedoch nicht mehr unter den ersten zwölf, also nicht mehr auf einem fixen Listenplatz - mehr dazu in Grüne: 94 Prozent für Vassilakou. Bei der SPÖ kann er nun seine politische Karriere doch noch fortsetzen - man versprach ihm einen sicheren Listenplatz.

Grüne Anträge endgültig abgeschmettert

Die Grünen wollten am Freitag im Landtag via Geschäftsordnungsänderung den Weg für ein neues Wahlrecht ebnen - mit Unterstützung der Stimmen von ÖVP und FPÖ - mehr dazu in Keine Vorentscheidung beim Wahlrecht. Möglich werden sollte die Reform dann mit einem Zusatzantrag, den ÖVP, FPÖ und Grüne dank gemeinsam 51 Mandaten gegen die SPÖ (49 Mandate) beschließen wollten. Mit dem Wechsel von Akkilic zur SPÖ wurde das nun vereitelt.

Die Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung wurden von den Grünen gar nicht mehr eingebracht. Der Zusatzantrag zur Änderung der Mandatsermittlung wurde von Landtagspräsident Harry Kopietz (SPÖ) nicht zur Abstimmung zugelassen, für einen Resolutionsantrag gab es keine Mehrheit. Akkilic stimmte nämlich für die SPÖ und wurde dafür im Plenum ausgebuht. Einstimmig hingegen wurden die beiden höchstgerichtlich angeordneten Gesetzesreparaturen angenommen. Sie betreffen die Streichung der Nachfrist für Wahlkarten und das Aus für den Wahlrechtsentzug bestimmter Strafgefangener.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Häupl im Landtag

Häupl bietet neue Gespräche an

SPÖ-Landesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler untermauerte am Freitag erneut, dass die rot-grüne Koalition aufgrund dieser Angelegenheit nicht platzen werde. Sollten die Grünen trotz allem ihre Wahlrechtsanträge einbringen, bedeute das aber für die Zukunft sehr wohl, dass die Zusammenarbeit schwieriger werde.

Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bot den Grünen unterdessen die Wiederaufnahme der Gespräche zu einer Reform des Wahlrechts an. „Schauen wir, dass wir einen Kompromiss erzielen“, so Häupl. Laut dem Bürgermeister ist jedenfalls noch Zeit: Damit eine etwaige neue Regelung bei der Wahl im Oktober gilt, müsste ein Beschluss spätestens bei der Landtagssitzung im Mai fallen.

„Das kann wohl nur ein vorgezogener Aprilscherz sein“, reagierte Vassilakou darauf brüsk. Anders als die Grünen habe die SPÖ die vergangenen vier Jahre offenbar nicht ehrlich verhandelt. Eine zweite Auflage von Rot-Grün sieht die Vizebürgermeisterin aber durchaus möglich. Allerdings werde man Schlüsse aus den jetzigen Geschehnissen ziehen - sprich darauf pochen, „dass wesentliche Punkte gleich erledigt werden und nicht an Verhandlungsgruppen delegiert werden“.

Grafik Wahlrecht

APA

Für die „Absolute“ reichten etwa 2001 schon 46,9 Prozent der Stimmen

Grüne weiterhin optimistisch

Im Landtag räumte Ellensohn ein, dass er Zweifel gehabt habe, ob es eine Mehrheit für ein faires Wahlrecht geben werde. Die Reformanträge werde man trotzdem einbringen. Grundsätzlich zeigte er sich in Sachen Wahlrechtsreform weiterhin optimistisch, wobei „wir heute realistischerweise keinen Fortschritt machen werden“. Allerdings brauche die SPÖ wohl auch nach der Wien-Wahl im Herbst einen Koalitionspartner, und sowohl Grüne als auch ÖVP würden in den Verhandlungen auf eine Änderung der Mandatsverteilung bestehen.

FPÖ vermutet „grünes Scheinmanöver“

Der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka sprach in seiner Rede im Landtag am Freitag angesichts des Wechsels von Akkilic von „wenig appetitlichen Vorgängen“. „Wenn persönliches Fortkommen wichtiger ist als politische Inhalte, dann haben wir ein Problem“, so Juraczka. Die Wiener FPÖ vermutete gar ein "grünes Scheinmanöver“. Die Grünen haben nach Ansicht von Klubchef Johann Gudenus Akkilic den Roten überlassen, um die Wahlrechtsreform nicht beschließen zu müssen. Gleichzeitig könnten die Grünen aber weiterhin sagen, dass sie das gerne tun würden.

Links: