Graffiti aus Flakturm erinnern an Zwangsarbeit

Die Wiener Flaktürme sind durch Zwangsarbeit in der NS-Zeit entstanden. Das dokumentieren auch Graffiti an den Innenwänden des Leitturms im Arenbergpark. Ab Donnerstag sind diese in einer Schau im Künstlerhaus zu sehen.

„Wenn wir heute nicht bewusst an die Zwangsarbeiter erinnern, verweist im Wiener Stadtbild nichts mehr auf sie. Diese Menschen sollen nicht vergessen werden“, sagte Ute Bauer-Wassmann, Leiterin des interdisziplinären Forschungszentrums Architektur und Geschichte (iFAG). Im April jährt sich die Befreiung Wiens vom Nationalsozialismus zum 70. Mal. Aus diesem Anlass will die Architekturhistorikerin den bisher wenig beachteten Aspekt der Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus im Rahmen einer Ausstellung in den Fokus rücken.

Per Zufall hat sie während einer Kunstausstellung 2006 Graffiti an den Innenwänden des Leitturms im Arenbergpark entdeckt. „Vom Keller bis zum Dach haben wir dann alles gescannt und fotografisch festgehalten“, sagte Bauer-Wassmann gegenüber wien.ORF.at. Dabei stieß sie auf über 240 Graffiti, die die Anwesenheit von Zwangsarbeitern aus Europa und der Sowjetunion dokumentieren. Davon sind nun 40 ausgewählte Graffiti als Fotos in der Ausstellung zu sehen.

Graffiti mit Bleistift, Kohle oder Kreide aufgetragen

Die Graffiti und Zeichnungen wurden mit Bleistift, Kreide oder Kohle auf die Ziegel- und Stahlbetonwände oder auf Einbauteile aus Holz aufgetragen. Auch Ritzungen im Verputz oder in Wandanstrichen fand das Forscherteam des iFAG.

Ausstellungshinweis
„Graffiti im Flakturm - Spuren der Zwangsarbeit in Wien“, von 3. April bis 6. Mai, in der Passagegalerie im Künstlerhaus.

„Inhaltlich handelt es sich um Datumsangaben, Namen, Initialen und Ortsangaben. Auch Rechenbeispiele, wo es um Bauzahlen geht, oder Zeichnungen von Flugzeugen und Panzern haben wir gefunden“, sagte Thomas Pototschnig, der auch dem Forscherteam angehört.

Leitturm im Arenbergpark ist einziger Gedächtnisort

„Die meisten Graffiti sind den französischen und italienischen Zwangsarbeitern zuzuordnen“, sagte Bauer-Wassmann. So finden sich beispielweise französische Parolen wie „Vive Paris“ oder „Vive la France“ an den Wänden. „Auch Zivilisten während des Fliegeralarms und die Wehrmacht fertigten Graffiti an“, sagte Bauer-Wassmann.

Derartige Graffiti finden sich aber nur im Leitturm im Arenbergpark. „Dieser Flakturm wurde sehr früh gebaut und hatte dadurch auch die längste Nutzungsdauer. Auch hat er keine Nachrüstung erfahren. Manche Flaktürme wurden dann vom Bundesheer genutzt und ausgemalt. Dabei wurden viele Graffiti zerstört“, sagte Pototschnig.

Flakturm

Interdisziplinäres Forschungszentrum Architektur und Geschichte - iFAG

567.000 ausländische Zwangsarbeiter

Der Anteil ausländischer Zwangsarbeiter auf dem Gebiet des heutigen Österreichs betrug laut iFAG im September 1944 über 25 Prozent, das sind 567.000 Personen. „Es gab zum Beispiel keine Absturzsicherungen und Zementarbeiter bekamen keinen Atemschutz. Dadurch sind Langzeitschäden in der Lunge entstanden, die nie entschädigt wurden“, sagte Pototschnig. „Auch wurde den Zwangsarbeitern noch zusätzlich Geld abgenommen, weil sie in Lagern untergebracht waren.“ Nach Pototschnigs Schätzungen soll es rund 170 Zwangsarbeiterlager in Wien gegeben haben.

Innenansicht des Flakturms

Interdisziplinäres Forschungszentrum Architektur und Geschichte - iFAG

Künstlerhaus als temporärer Gedenkraum

Gedenktafeln findet man an keinem der sechs Flaktürme. „Die Zwangsarbeiter kehrten nicht an den Ort zurück und nach dem Krieg herrschte Konkurrenz unter den Überlebenden. Jene aus den KZ-Lagern waren natürlich mehr Opfer als Zwangsarbeiter und daher hat sich diese Gruppe nicht wirklich etabliert“, sagte Bauer-Wassmann. „Wir müssen aber aktiv etwas für das Gedenken an jene Menschen machen.“ Die Passagegalerie im Künstlerhaus soll daher als temporärer Gedenkraum fungieren.

Neben den Graffiti fand das Forscherteam insgesamt 870 Gegenstände aus der Zeit. „Zahnpastatuben, Zigarettenpackungen, Notizblöcke, Fotonegative sowie Abschusslisten haben wir bei unserer Bestandsaufnahme entdeckt“, sagte Pototschnig. Gespräche mit Zeitzeugen setzen derzeit ihre Forschungsarbeiten fort.

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