Vier Wochen U-Haft für gestohlenen Whiskey

Ein Rumäne, der Mitte März in Liesing beim Diebstahl von fünf Whiskeyflaschen erwischt wurde, bleibt bis zu seiner Verhandlung am 13. April - und damit vier Wochen - in U-Haft. Amnesty International (AI) kritisiert das Vorgehen der Justiz.

An sich hätte in dieser Sache am Montag die gesetzlich vorgesehene Haftprüfung stattgefunden. Wird jemand in U-Haft genommen, ist erstmals nach 14 Tagen zu überprüfen, ob die Haftgründe noch gegeben sind. Die für den Rumänen bereits anberaumte Haftverhandlung wurde allerdings kurzfristig abberaumt, weil die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich einen Strafantrag wegen gewerbsmäßigen Diebstahls eingebracht hatte und der Prozesstermin fixiert wurde.

Für den Angeklagten heißt das, dass er zumindest zwei weitere Wochen in der überbelegten Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt verbringen muss - mehr dazu in 1.200 Häftlinge: Josefstadt überfüllt (wien.ORF.at; 30.3.2015).

„Wochenlange U-Haft trotz überfüllter Gefängnisse“

Basis für diese, in ähnlich gelagerten Fällen in der Praxis gängige Vorgangsweise ist die Strafprozessordnung (StPO). „Nach Einbringen der Anklage ist die Wirksamkeit eines Beschlusses auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt“, heißt es im § 175 Absatz 5 StPO. Haftverhandlungen finden nach diesem Zeitpunkt nur mehr dann statt, „wenn der Beschuldigte seine Enthaftung beantragt und darüber nicht ohne Verzug in einer Hauptverhandlung entschieden werden kann“.

„Es ist mir unbegreiflich, wie man bei völlig überfüllten Gefängnissen eine wochenlange U-Haft in Kauf nimmt, ohne dass es dafür ein Delikt gibt, dass eine derart lange U-Haft-Dauer rechtfertigen kann. Ohne einen Ladendiebstahl verharmlosen zu wollen, es wäre undenkbar, dass ein Österreicher bei einmalig gestohlenen 150 Euro überhaupt in Haft genommen wird. Der Begriff der Gewerbsmäßigkeit wird hier von der Staatsanwaltschaft gezielt missbraucht“, kommentierte AI-Generalsekretär Patzelt am Dienstag das Schicksal des 25-Jährigen.

Darüber hinaus ortet Patzelt „eine schwere Menschenrechtsverletzung, wenn das zu erwartende Strafausmaß - eine teilbedingte Freiheitsstrafe, wobei der unbedingt zu verbüßende Teil just die Dauer der U-Haft ausmachen dürfte - nicht von der Schuld, sondern vom Terminkalender des zuständigen Richters abhängig gemacht wird“.

Tatbegehungs- und Fluchtgefahr

Aus menschenrechtlicher Sicht sei im gegenständlichen Fall ein „unerträgliches Ausmaß an Verfahrensökonomie“ betrieben und dem Betroffenen damit das Recht genommen worden, dass ein unabhängiger Richter die Notwendigkeit seiner weiteren Anhaltung in der gesetzlich vorgesehenen Frist sorgfältig prüft, gab Patzelt zu bedenken.

Der Rumäne war von einem Kaufhausdetektiv über eine Überwachungskamera beobachtet worden, wie er die Whiskey-Flaschen in einer Tasche verstaute. An der Kassa legte der Verdächtige dann lediglich eine Packung Toastbrot aufs Förderband, die er auch bezahlte. Als er danach das Geschäft verlassen wollte, hielt ihn der Detektiv an. Er dirigierte den 25-Jährigen in ein Büro, wo er den nicht bezahlten Alkohol aus der Tasche fischte. Da der Rumäne dafür keinen Kassenbeleg vorweisen konnte, verständigte der Detektiv die Polizei.

Diese nahm den Dieb noch im Supermarkt fest. Er wurde noch am selben Tag in die JA Wien-Josefstadt eingeliefert, wo die U-Haft verhängt wurde. Die Justiz ging dabei davon aus, dass sich der 25-Jährige mit dem Diebstahl eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen wollte und damit eine gewerbsmäßige Tatbegehung gegeben war. Als Haftgründe wurden Tatbegehungs- und Fluchtgefahr angenommen - mehr dazu in U-Haft für fünf gestohlene Whiskeyflaschen (wien.ORF.at; 24.3.2015).

Wegen „Arbeiterstrich“ in Wien

In seiner Beschuldigteneinvernahme hatte der bisher gerichtlich unbescholtene Mann erklärt, er wäre vor einem Monat nach Wien gekommen, um auf Baustellen zu arbeiten. Er habe sich tage- und stundenweise am „Arbeiterstrich“ verdingt und für ein paar Euro bei Landsleuten übernachtet. Zuletzt habe er aber keine Arbeit mehr gefunden. Als sein Zusammengespartes aufgebraucht war, habe er zunächst eine Jeanshose stehlen und am „Arbeiterstrich“ verkaufen wollen.

Weil dies nicht klappte, habe er von seinem letzten Geld das Toastbrot gekauft und dabei den Whiskey mitgehen lassen. Die Flaschen im Gesamtwert von 148,29 Euro wollte der Mann seinen Angaben zufolge verkaufen, um in seine Heimat zurückkehren zu können. Wenn er das Geld für eine Fahrkarte gehabt hätte, „wäre ich sofort heimgefahren“, gab er zu Protokoll.

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