Schauspieler kritisieren Migranten-Klischee

Putzfrauen, Bösewichte oder „Menschen von der Straße“: Schauspieler mit Migrationshintergrund fühlen sich diskriminiert, da sie in Österreich aufgrund ihres Namens oder Aussehens meist für sogenannte Ausländerrollen besetzt werden.

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Einen „Heimat fremde Heimat“-Beitrag dazu sehen Sie on Demand in der ORF TVthek.

Murathan Muslu hat keine Schauspielausbildung, er kommt aus der Baubranche. Ein befreundeter Regisseur brachte ihn vor drei Jahren zum Film. Heuer wurde Muslu für seine Rolle in „Risse im Beton“ zum besten österreichischen Filmschauspieler gekürt. Der Newcomer stach Konkurrenten wie Tobias Moretti aus. Einige Kritiker vergleichen ihn mit dem jungen Marlon Brando.

Bisher hat Muslu „den ausländischen Bösewicht" oder „den Mann von der Straße“ verkörpert. „Ich würde gerne auch Aufträge bekommen, wo ich versuche, nicht mit Migrationshintergrund zu spielen“, so Muslu. Doch das scheint in Österreich nicht so einfach sein.

Murathan Muslu

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Muslu möchte künftig auch „Österreicher“ spielen

Max Reinhardt Seminar will mehr Vielfalt

Das Max Reinhardt Seminar in Wien gehört zu den renommiertesten Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum. Zum Vorsprechen kommen Hunderte Spielwütige, doch nur zwölf werden pro Jahrgang aufgenommen. Eine der Besten ist Mercy Otieno aus Kenia. Die 27-Jährige ist bisher die erste und einzige Schülerin mit dunkler Hautfarbe am Max Reinhardt Seminar.

Das kritisiert auch Anna Maria Krassnigg, die Regie unterrichtet. Laut Krassnig möchte das Reinhardt Seminar seine Tore für mehr migrantische Schauspieler öffnen. Denn Schauspieler mit Migrationshintergrund sind in der österreichischen Theaterwelt Mangelware. Krassnig: „Wir nehmen die Besten. Wir wählen nicht nach Typ aus. Wir sind aber froh, wenn aus diesen Besten die Vielfalt so bunt wie möglich ist.“

Mercy Otieno

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Otieno ist die einzige dunkelhäutige Schülerin im Max Reinhardt Seminar

Castingfaktoren: Aussehen und Familienname

Zeynep Buyrac studierte am Konservatorium in Wien. Nun arbeitet die gebürtige Türkin freiberuflich und spielt hauptsächlich in der Freien Theaterszene wie dem Werk X. „Eigentlich hab ich bis jetzt nur einmal eine Türkin gespielt.-Das war bei ‚Gegen die Wand‘ und das war immerhin die Hauptrolle. Und da hab ich sie auch gern gespielt“, so Buyrac.

Beim Film machte sie andere Erfahrungen. Denn dort wird in der Regel typgerecht besetzt und Schauspieler werden oft nach ihrem Aussehen gecastet. Die 32-Jährige wurde schon oft für klischeehafte Migrantenrollen angefragt und hat solche auch gespielt: „Wenn ich jetzt zum hundertsten Mal die türkische Putzfrau spielen sollte, dann werde ich sagen: Nein, Danke! Wenn ich das einmal in fünf Jahren spiele, dann ist es okay.“ Buyrac ist überzeugt: „Würde ich Anna Müller heißen, würde wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, mich jetzt im Film und Fernsehen als Türkin zu besetzen“, sagt Buyrac.

Sejnep Bujratsch

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Buyrac wird wegen ihres Namens für Migrationsrollen vorgeschlagen

Branche setzt auf Klischees

Die Filmbranche in Österreich ist klein, Jobs für Schauspieler sind rar. Filmemacher sind abhängig von Fördergeldern, die Auflagen sind schwierig zu erfüllen. Geht es um Team- oder Ensemblebesetzung, reden viele Menschen mit. Entscheidungen fallen meist subjektiv aus.

Peter Zawrel war viele Jahre Leiter des Filmfonds Wien. Er kritisiert, dass in der Branche immer noch stark auf Klischees gesetzt wird. „Wenn ich einen Tatort produziere, mit dem ich eine möglichst hohe Quote erreichen will, dann habe ich die Wahl, folge ich den Klischees oder breche ich Klischees, um damit zu provozieren. Das kann ich auch machen. Aber dazu brauche ich einen gewissen Mut“, so Zawrel.

Fragen der Zumutbarkeit?

Laut Murathan Muslu fragten sich die Leute bei der Premiere von „Risse im Beton“, warum in dem Film „nur Ausländer“ mitspielen. „Entschuldigung, wenn ich mir einen amerikanischen Film ansehe, interessiert es mich 0,0001 Prozent, von wo Robert De Niro herkommt. Das ist egal.“ Über den Grund dieser scheinbar „österreichischen Reaktion“ kann man nur mutmaßen. Peter Zawrel: „Eine fast schon zynische Antwort auf diese Frage wäre, dass man offenbar den österreichischen oder deutschsprachigen Zuschauern weniger zumuten kann, als beispielsweise dem französisch sprechenden Zuschauern.“

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