Jamsession wird inoffizielles Festival

Es sollte eine gemütliche Straßenmusiksession unter Freunden am Donaukanal werden. Jedoch hat sich das Facebook-Event „Down under the Bridge“ verselbstständigt und mit über 12.000 Zusagen für Samstag in ein inoffizielles Festival verwandelt.

„Wir haben an 20 Leute gedacht, die kommen werden“, sagt der Singer-Songwriter David Stellner im Gespräch mit wien.ORF.at. Gemeinsam mit Isaac Thompson und dem Künstler iO! hatte er die Idee, mit anderen Straßenmusikern am Donaukanal unter der Rossauer Brücke ihre Songs zu performen. Dazu hat er ein Event auf Facebook erstellt. „Es war ein kleiner Marketing-Gag, der jetzt groß geworden ist“, sagt Stellner.

David Stellner Straßenmusiker

Magdalena Bloder

Singer-Songwriter David Stellner

„Es ist keine offizielle Veranstaltung“

„Es soll ein Aufruf sein, schaut’s euch die Leute nicht nur an dem Tag an, sondern besucht auch ihre Konzerte oder nehmt sie auf der Straße mehr wahr“, sagt Stellner. Neben den neun Acts, die auf Facebook angekündigt sind, hat Stellner rund 50 zusätzliche E-Mail-Anfragen von Künstlern bekommen, die ebenfalls am Samstag spielen wollen. „Ich kann ihnen nicht verbieten, dass sie kommen. Ich habe aber schon gesagt, dass sie friedlich und freundlich sein müssen.“

Angst, dass die Situation eskalieren könnte, hat er aber nicht. „Es ist nach wie vor keine offizielle Veranstaltung. Es passiert ja nicht mehr als sonst, außer dass viele glauben, dabei sein zu müssen“, sagt Stellner. Bühne, Verstärker und Bierverkauf gibt es am Samstag nicht. „Wenn die Polizei kommt, ziehen wir eben ein paar Meter weiter.“ Zur Sicherheit werden die Musiker aber alle ein wenig Geld für eventuelle Strafen eingesteckt haben.

Straßenmusiker müssen Platzkarten beantragen

Denn damit mehr Leute den Musikern zuhören können, spielen Stellner und die anderen ein paar Meter entfernt von der offiziellen Stelle, wo Straßenmusik laut Straßenkunstverordnung offiziell erlaubt ist. Seit 2012 gibt es neue Bestimmungen für die Straßenmusikszene - mehr dazu in Lärmgrenzwert für Straßenkünstler.

So müssen Straßenkünstler für die Innenstadt, die die Bezirke eins bis sechs umfasst, bei der MA 36 eine Platzkarte für 6,54 Euro beantragen. Die Kartenausgabe erfolgt einmal pro Monat jeweils für den Folgemonat. Laut MA 36 werden dabei rund 100 Platzkarten vergeben. „Das ist wie ein Arbeitsplan, der bestimmt, wann ich wo stehen darf“, sagt Simon Lewis, der auch am Samstag spielen wird.

Platz unter der Brücke

Isaac Thompson

Unter der Rossauer Brücke werden die Musiker am Samstag spielen

„Wir betteln nicht, sondern machen Kunst“

Auch „Orte für die Darbietung akustischer Straßenkunst ohne Platzkarte“ sind in der Straßenkunstverordnung angeführt. „Die freien Plätze sind komplett überlaufen, Probleme mit anderen Künstlern sind vorprogrammiert“, weiß iO! aus Erfahrung. Für jene Spielorte gilt zudem, dass man über 16 sein muss, nur Spenden verlangen darf und ohne Verstärkeranlagen spielen muss.

„Oft habe ich den Eindruck, dass ich einen Störfaktor darstelle, obwohl ich eine Genehmigung habe“, sagt der Künstler iO!. „Ich hoffe, dass sich das Bild von Musikern, die auf der Straße stehen, ändert. Wir betteln nicht, sondern machen Kunst.“ Zurzeit gibt es nach Angaben der MA 36 circa 120 Straßenmusiker in Wien.

Straßenmusiker

Kornelius Pesut

Seit 2012 gibt es neue Bestimmungen für Straßenkünstler

„Wir haben einen großen Fehler gemacht“

Auch Klaus Werner-Lobo, Kultur- und Menschenrechtssprecher der Grünen Wien, ist das Problem bekannt. „Ich bekomme massenhaft Beschwerden von Straßenmusikern. Die Polizei und die MA 36 sind zu kunstfeindlich“, sagt Werner-Lobo gegenüber wien.ORF.at. „Das ist für Wien nicht würdig, die Straßenkunst ist ein wichtiger Teil.“

Seiner Meinung nach „wäre es die Aufgabe von Stadträtin Ulli Sima, die Straßenkunst als Bereicherung zu begreifen. Viele Musiker wandern dann ab, das ist nicht nur ein künstlerischer Verlust, sondern auch ein wirtschaftlicher“. Dass er selbst an der Entscheidung der Bestimmungen 2012 beteiligt war, streitet er nicht ab. „Wir haben damals einen großen Fehler gemacht. Wir hätten gleich die Künstler miteinbeziehen sollen.“

An eine rasche Änderung der Situation glaubt der grüne Kultur- und Menschenrechtssprecher jedoch nicht. „Das wird dann Teil der Koalitionsverhandlungen sein. Wir wollen das Thema von der MA 36 in die Kulturabteilung verschieben, die haben ein offenes Gespür dafür.“

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