Schwuler Prinz Eugen: Das „andere“ Sightseeing

Prinz Eugen war schwul, und „Luziwuzi“ hat im Männerbad gefummelt: „Queere Führungen durch die Innenstadt“ kombinieren die Geschichte der Stadt mit Fakten über Schwule, Lesben und Transgender-Personen. wien.ORF.at hat teilgenommen.

„Dürfen Heteros auch mitgehen?“, fragt Gabi Lamprecht, eine Touristin aus Stuttgart. „Ja, klar. Es muss kein Test ausgefüllt werden“, antwortet ihr Andreas Brunner, der die „Queere Führung durch die Wiener Innenstadt“ anlässlich des Song Contest leitet. Beim Rathaus hat sich ein kleines Grüppchen versammelt, um 11.00 Uhr geht es los. „In den 80er Jahren war der Song Contest tot. Dann erhob ihn die schwule Trash-Community zum Kult. Jetzt ist er eine eigene Kunstform geworden“, begründet Brunner den Schwerpunkt der Sightseeing-Tour.

Hinweis

Regenbogenhauptstadt Wien. Queere Führungen durch die Wiener Innenstadt: bis Samstag täglich von 11.00 bis 13.00 Uhr

Denn: Bei der Stadttour wird Wissenswertes aus der Geschichte Wiens mit Schwulen-, Lesben- und Transgender-Fakten (LGTB) erweitert. Das Rathaus dient gleich als erste Station: „Es war das erste offizielle Gebäude, in dem ein Aids-Charity-Event stattfand. So ist es in die LGTB-Geschichte eingegangen“, so Brunner. Doch auch der Park davor ist bekannt dafür, dass er in Zeiten vor dem Internet als Schwulentreff gedient hat. „Es ist mitunter auch gleich zur Sache gekommen. Die Stadt Wien hat nur regelmäßig die Büsche gestutzt, um den Blickschutz zu mindern, mehr hat sie aber nie gemacht.“

Prominente Schwule von Nazis verschont

Die Gruppe bewegt sich Richtung Burgtheater weiter und überquert dabei die Straße, die von den neuen Ampelpärchen geregelt wird - mehr dazu in Ampelpärchen bleiben hängen. Brunner erzählt von Raoul Aslan, der kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges die Direktion des Burgtheaters übernahm: „Es war ein offenes Geheimnis, dass er schwul war. Auch die Nazis wussten es. Aber Prominente waren bei den Nazis geschützt und wurden nur festgenommen, wenn sie in flagranti erwischt wurden.“

Neue Wiener Ampelmännchen

APA / Roland Schlager

Neue Wiener Ampelpärchen

Nächste Station der Führung ist das Sisi-Denkmal im Volksgarten. Denn: „Sie ist die heimliche Ikone von Schwulen und Lesben. Es gibt das Gerücht, sie sei lesbisch gewesen wegen ihrer zweifelhaften Beziehung zu Männern. Zur Schwulenikone machten sie aber ihr Scheitern und ihr Wandeln zwischen Glamour und Tragik. Die heutigen Sisi-Filme und –Musicals haben ein Übriges getan“, so Brunner. Durch den Volksgarten geht es zum Theseustempel. Davor steht die 1922 von Josef Müllner geschaffene Bronzeskulptur „Der Sieger“, die heute „wegen ihrer heroischen Männlichkeit als eine Art schwule Ikone der Stadt gilt“.

Kaiserin Elisabeth in schwarzem Kleid auf Korfu. Gemälde von Friedrich August Kaulbach

Bundesmobilienverwaltung

War Sisi lesbisch?

„Prinz Eugen, der schwule Ritter“

Beim Mahnmal für Deserteure hinter dem Garten verweist Brunner auf die schwulen NS-Opfer, die bis heute nur temporäre Mahnmale erhalten haben, derzeit etwa auf dem Naschmarkt - mehr dazu in Mahnmal auf Zeit für homosexuelle NS-Opfer. Es geht weiter zum Reiterstandbild von Prinz Eugen vor der Hofburg.

Brunner erzählt: „Ich habe schon als Kind gepfiffen: ‚Prinz Eugen, der schwule Ritter‘. In der Ausbildung zum Touristenführer hat es stets geheißen, dass das nicht erwähnt werden muss. Es passt eben vielen nicht, dass der größte österreichische Feldherr schwul gewesen sein soll. Fakt ist aber: Er war nie verheiratet und hat sich stets in männlicher Gesellschaft wohler gefühlt. Sein Erfolg soll gar aus der Nähe zu den männlichen Soldaten herrühren.“

Burgdirektor: Erster „schwuler“ Roman

Bekannter ist unterdessen, dass Erzherzog Ludwig Viktor alias „Luziwuzi“, der jüngste Bruder von Kaiser Franz Joseph, schwul war: Einmal endete etwa ein missglückter Annäherungsversuch in der Badeanstalt der Weihburggasse mit einer Ohrfeige für den Erzherzog und anschließend der Verbannung vom Wiener Hof.

Auf dem Michaelerplatz ist die nächste Station. Hier befand sich bis 1888 das alte Burgtheater. Der letzte Direktor war Adolf von Wilbrandt. Er gilt als der Verfasser des ersten „schwulen“ Romans der deutschen Literatur. „Fridolins heimliche Ehe“ handelt von einem Professor, der sich in seinen heterosexuellen Schüler verliebt.

Architekten der Staatsoper waren auch schwul

Ein paar Schritte weiter ragt das Denkmal von Kaiser Joseph II. vor der Augustinerkirche empor. „Er hat 1787 die Todesstrafe für Homosexuelle abgeschafft. Unter Kaiser Franz Joseph drohten dann später ein bis fünf Jahre Kerker“, so Brunner. In der Augustinerkirche zeigt Brunner das Grabdenkmal von Maria-Christina, dem fünften Kind von Maria Theresia. Es war das erste öffentliche Denkmal für eine Frau in Wien.

Auch die Wiener Staatsoper wird in der Tour erwähnt. Denn: Das verantwortliche Architektenpaar soll schwul gewesen sein, haben die beiden doch stets zusammengearbeitet, gemeinsam gewohnt und starben kurz nacheinander. Bei der Oper endet auch die Tour nach etwas mehr als zwei Stunden. Die Teilnehmer zeigen sich begeistert und in ihren Erwartungen erfüllt. „Ich wollte die Zeit zwischen Life Ball und Song Contest nutzen und die Stadt einmal auf diese Weise erkunden. Das ist gelungen“, sagt etwa Franz Schnabl, der mit seiner Frau unterwegs ist.

Public Viewing auf dem Rathausplatz

Auch Markus Gehrmann, der mit seinem Freund aus Deutschland extra für den Song Contest angereist ist, hat „die Kombination aus Geschichte und LGTB gut gefallen“. Jetzt freuen sie sich schon auf die Juryshows, die sie live verfolgen werden. Die anderen Shows werden sie sich auf dem Rathausplatz ansehen - mehr dazu in Song Contest: Fans trotzten dem Regen.

Lisa Rieger, wien.ORF.at

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