Alijew: Diskussion um neuerliche Verhaftung

Dass die Angeklagten im Alijew-Prozess wieder in U-Haft sitzen, sorgt für Diskussionen. Vor allem der Umstand wird kritisiert, dass zwischen dem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) und der Festnahme eine Woche verstrichen ist.

Das OLG hatte einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Enthaftung des ehemaligen kasachischen Geheimdienstchefs Alnur Mussayev sowie des früheren Sicherheitsberaters von Rachat Alijew, Vadim Koshlyak, stattgegeben und dem Wiener Straflandesgericht die erneute Verhängung der U-Haft aufgetragen. Begründet wurde das mit Tatbegehungs- und Fluchtgefahr.

Verteidiger bezweifelt Fluchtgefahr

Die Verteidiger von Mussayev und Koshlyak, Martin Mahrer und Walter Engler, sowie Alijews langjähriger Rechtsvertreter Manfred Ainedter betonen seither, dass es mit der vorgeblichen Fluchtgefahr nicht weit her sein könne, wenn sich die Justiz eine Woche Zeit lasse, um den mit 1. Juni datierten OLG-Beschluss umzusetzen. Mussayev und Koshlyak wurden am 8. Juni gegen 6.15 Uhr festgenommen - mehr dazu in Alijew-Prozess: Fluchtgefahr bei Angeklagten (wien.ORF.at; 8.6.2015).

Prozess

APA/Roland Schlager

Vadim Koshlyak und Alnur Mussayev

Taktische Gründe bei Festnahme

Die Sprecherin des Straflandesgerichts, Christina Salzborn, erläuterte dazu am Donnerstag, der OLG-Beschluss habe das Graue Haus erst am Abend des 3. Juni per Fax erreicht. Da es sich um keine Haftsache handelte - Mussayev und Koshlyak waren am 29. April von einem Drei-Richter-Senat wegen mangelndem dringenden Tatverdacht auf freien Fuß gesetzt worden -, sei am Abend vor Fronleichnam und am Feiertag - dem 4. Juni - selbst die Sache nicht als dringlich eingestuft worden.

Die Polizei habe Mussayev und Koshlyak dann aber das gesamte Wochenende observiert und laufend Kontakt mit der Journalrichterin gehalten. „Aus taktischen Gründen wurden die beiden nicht am Samstag und Sonntag, sondern erst am Montag festgenommen“, erklärte Salzborn - mehr dazu in Alijew-Prozess: Angeklagte aus U-Haft entlassen (wien.ORF.at; 29.4.2015)

Dass das Erstgericht vom OLG korrigiert und zur Verhängung der U-Haft angehalten wurde, findet der langjährige Anwalt Alijews und nunmehrige Rechtsvertreter der Witwe des Ende Februar tot in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefundenen kasachischen Ex-Botschafters in Wien mehr als bedenklich - mehr dazu in Chronologie: Der Fall Alijew (wien.ORF.at).

Diskussion über Beweislage

„Es mutet merkwürdig an, wenn das OLG den Tatverdacht anders beurteilt, obwohl dieser Senat die Angeklagten und keinen einzigen Zeugen persönlich gesehen und gehört hat. Da wird der Grundsatz der Unmittelbarkeit im Strafverfahren völlig über Bord geworfen. Wenn das Schule macht, brauchen wir keine Hauptverhandlung mehr. Dann lassen wir Richter im stillen Kämmerlein entscheiden“, gab Manfred Ainedter zu bedenken.

Eine Hauptverhandlung habe ja gerade den Sinn, sich unmittelbar einen Eindruck von der Beweislage zu verschaffen. Dass das OLG dem nicht genüge tue, „ist ein Verstoß gegen einen ehernen Grundsatz unseres Rechtssystems“, meinte Ainedter. Überdies habe das OLG in seinem aktuellen Beschluss seitenweise Passagen aus vorangegangen Beschlüssen übernommen und „einfach hineinkopiert, um die früheren Beschlüsse aufrecht zu erhalten“, so Ainedter abschließend.

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