Malariatherapie: Heftige Kritik der Opfer

„Man wollte die Opfer nicht hören und hat sie nicht gehört.“ Mit diesen Worten kritisieren Opfer der Malariatherapie die am Mittwoch veröffentlichte Studie einer Historikerkommission. Die Fälle wurden nur anhand der Akten aufgearbeitet, ohne die Betroffenen zu fragen.

Der Anwalt Johannes Öhlböck vertritt 15 Personen, die zwischen 1961 und 1968 in der „Klinik Hoff“ an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie mit dem Malariaerreger infiziert wurden. Sie waren damals zwischen 15 und 18 Jahren alt. Drei davon sind mittlerweile verstorben, darunter der Musiker Peter Schleicher, der lange mit Wolfgang Ambros auf der Bühne stand.

Der Anwalt und seine Klienten waren in die Studie nicht eingebunden. Von der Präsentation der Ergebnisse am Mittwoch erfuhren sie erst vom ORF. „Dass man das als Betroffener so ausgerichtet bekommt, dazu sage ich besser nichts“, meint Öhlböck. Die Opfer wollten sich in die Aufarbeitung der Thematik einbringen. „Ein Großteil der Opfer lebt noch und hat eine sehr konkrete Erinnerung.“ Mehrmals habe man versucht, sich einzubringen, stieß aber immer wieder auf Ablehnung bei den Leitern des Forschungsprojekts.

Entschädigungszahlungen möglich

„Man wollte die Opfer hören und hat sie nicht gehört. Die Aufarbeitung kann nicht nur aufgrund von Akten erfolgen, sondern indem man sich Opfer auch anhört", sagt Öhlböck. Seine Mandanten seien der Grund gewesen, warum es die Kommission überhaupt gab. Vor drei Jahren wandten sie sich an Ö1, um die Geschichte publik zu machen.

Der Rektor der MedUni schloss Entschädigungszahlungen an die Betroffenen am Mittwoch nicht aus. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Öhlböck. Er kritisiert aber auch das Verjährungsrecht bei Unrecht gegen Kinder. „Man sollte sich sehr genau überlegen, ob das nicht geändert gehört.“

Psychiaterin ortet „Weißwaschen“

Bis in die 1970er Jahre wurden psychisch Kranke mit Malaria infiziert, um sie zu behandeln. Nirgends wurde diese heute verpönte Therapie so lange und breit praktiziert wie in Wien. Allerdings sei sie damals zulässig gewesen, erklärten nun Historiker - mehr dazu in Malariatherapie in Wien „Sonderfall“.

Dass keine Opfer befragt wurden, kritisierten auch die Psychiaterin Elisabeth Brainin und der Medizinhistoriker Michael Hubenstorf. Brainin sprach im Ö1-Interview am Donnerstag von einem „Weißwaschen von Dingen, die eigentlich nicht in Ordnung waren“. Sie war aus Protest aus dem Beirat der Historikerkommission ausgetreten.

Noch im Beirat sitzt Hubenstorf, doch auch er übte an der Präsentation der Ergebnisse Kritik: „Ein Teil der Historiker in dieser Kommission wird das vielleicht unterschreiben, ein andere Teil aber ganz und gar nicht.“ Brainin und Hubenstorf schlossen nicht aus, dass durch das offizielle Forschungsergebnis Entschädigungszahlungen verhindert werden sollten - mehr dazu in oe1.ORF.at

Ohne Diagnose mit Malaria infiziert?

Am schwersten wiegt, dass Menschen womöglich ohne Diagnose infiziert wurden, nur um den Malaria-Erreger durch ihren Körper am Leben zu erhalten. Dazu musste alle drei Tage mit Malaria infiziertes Blut von einem Patienten in den nächsten gespritzt werden. In einer Stellungnahme der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Forschungsprojekts, die Ö1 zugespielt wurde, heißt es, dass Patienten der Klinik am Steinhof ausdrücklich „als Stammträger“ an die Wiener Universitätsklinik für eine Malaria-Therapie überstellt worden seien. Medizinische Begründungen seien nicht gefunden worden.

„Auch junge alkoholkranke Männer und wehrdienstpflichtige Soldaten bilden eigene Gruppen, die aus medizinisch nicht immer eindeutigen Gründen einer Malariatherapie unterzogen wurden“, schreiben die Forscher in der Stellungnahme weiter. In der Psychatrie seien Therapien immer wieder als Sanktion eingesetzt worden, so die Psychiaterin Brainin: „Wenn Patienten ihrer Therapie großen Widerstand entgegengesetzt haben, hat man ihnen Therapien verabreicht, die besonders unangenehm waren. Das ist eine Fragestellung, die meiner Meinung nach gar nicht untersucht wurde.“

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