54 Tonnen Lebensmittel vor Mülltonne gerettet

Freiwillige Food Saver sammeln jeden Tag Lebensmittel bei Händlern ein und deponieren sie in für jedermann zugänglichen Kühlschränken. 54 Tonnen Lebensmittel sind dank der Food Saver auf dem Tisch gelandet anstatt im Müll.

Durchschnittlich werfen der Wiener und die Wienerin jährlich rund 40 Kilogramm an Lebensmitteln weg. In Österreich landen jedes Jahr über 157.000 Tonnen an angebrochenen und original verpackten Lebensmitteln allein von Haushalten im Müll. Andrea Beltrame hat sich vor zwei Jahren zum Ziel gesetzt, daran etwas zu ändern. Sie gründete gemeinsam mit anderen die Initiative Food Sharing, die Idee kommt aus Deutschland. Food Saver, auf Deutsch „Essensretter“, holen Lebensmittel, die ansonsten weggeschmissen werden würden, bei Supermärkten, Reformhäusern oder Bäckereien ab.

Das Essen bringen sie dann zu Fair-Teilern. Das sind Kühlschränke, an denen sich jeder bedienen kann, auch Nicht-Mitglieder. Zehn Fair-Teiler gibt es in Wien, diese stehen in Cafés, Geschäften, in einer Volkshochschule und bei zwei Privatpersonen zu Hause. Zugänglich sind sie während der Öffnungszeiten der Betriebe. Österreichweit gibt es 41 Fair-Teiler. 80 Händler beteiligen sich an Food Sharing.

Food Sharing Fahrrad

ORF / Laura Schrettl

Über 54.000 Kilo Lebensmittel konnten in eineinhalb Jahren vor der Mülltonne gerettet werden. Jeden Tag wird Essen bei Händlern abgeholt und zu den Kühlschränken gebracht. Dabei handelt es sich um Lebensmittel, die die Betriebe nicht mehr verkaufen dürfen: Produkte, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, falsch etikettierte Ware oder Ware mit Lieferschäden. Generell gilt es laut Beltrame zu beachten, nur die Sachen zu verteilen, die der Abholer auch selber noch essen würde.

Kühlschrank lockt bis zu 70 Leute am Tag

400 Food Saver holen in Wien Lebensmittel von Händlern ab, dabei können sie so viel Essen wie sie möchten mit nach Hause nehmen und an Freunde und Familie oder auch an Obdachlose verteilen. Abgeholt wird alles, von einer Semmel bis zu zahlreichen Kisten. „Gestern haben wir beim Supermarkt Denns zum Beispiel über 70 Kilo an Lebensmittel abgeholt“, sagt Beltrame. „Es ist immer eine Überraschung, man weiß nie was einen erwartet. Ich fahre aber auch nur wegen einem Kipferl los“, sagt Food Saver Walter Albrecht.

Walter fährt jeden Tag mit seinem Lastfahrrad zu den Händlern und holt Lebensmittel ab. Diese verteilt er dann in die Kühlschränke, den Großteil lagert er in seinem eigenen Fair-Teiler in seiner Garage am Wienerberg in Favoriten. „Es kommen jeden Tag circa fünf, sechs Leute zu mir. Letzten Samstag waren es sogar 70 Leute“, sagt Albrecht. Er macht die Abholungen in seiner Freizeit, vormittags geht er seinem Job nach. „Es braucht schon viel Ehrgeiz und Motivation dafür.“

Food Sharing

ORF / Laura Schrettl

Walter Albrechts Fair-Teiler in seiner Garage am Wienerberg

„Ernähre mich fast nur von Food Sharing“

Zum Supermarkt einkaufen gehen die beiden fast gar nicht mehr. „Ich ernähre mich fast nur noch von den Lebensmitteln von Food Sharing“, sagt die Mitgründerin. „Ich auch“, stimmt Albrecht zu. Die meisten Personen sind aus dem ethischen Aspekt dabei. Dass sie zusätzlich noch Geld sparen, ist laut Beltrame ein guter Nebeneffekt.

„Es machen die unterschiedlichsten Menschen mit, Studenten, Pensionisten oder auch alleinerziehende Mütter. Aber die meisten haben schon eher wenig Geld,“ sagt Beltrame. Das bestätigt Albrecht: „Zu mir kommen meistens Bedürftige, Menschen die wenig Geld zur Verfügung haben. Obdachlose kommen fast keine.“ Laut Beltrame nehmen sie auch das Angebot aus den Kühlschränken nicht wahr. „Wenn ich mit einem vollen Rucksack an einem Obdachlosen vorbei gehe, gebe ich ihm natürlich etwas“, sagt Beltrame.

Die Food Saver fahren auch zu Bauern und holen dort das Gemüse, das der Bauer in den Supermärkten nicht verkaufen kann. Einige Gruppen ernten - in Absprache mit den Bauern - auf den Feldern auch das Gemüse, das der Bauer zurückgelassen hat.

Food Sharing

ORF / Laura Schrettl

Andrea Beltrame im Fair-Teiler im Argus Fahrradgeschäft

In Verhandlung mit großen Supermärkten

Gestartet hat die Plattform in Wien mit einem Essensaustausch unter Privatpersonen. Hier tauschen Food Sharer Essen, das zu viel gekauft wurde oder wegen eines Urlaubs oder Umzugs nicht mehr verwendet werden kann, in virtuellen Essenskörben miteinander aus. Dabei wird angegeben, welche Lebensmittel man nicht mehr braucht und wo diese abzuholen sind. Über 1.600 Food Sharer teilen in Wien ihr Essen miteinander.

Laut Beltrame bestehen 80 Kooperationen mit Händlern in Wien. „Betriebe dürfen auch schlechte Ware abgeben, das Aussortieren übernehmen die Food Saver. Die Betriebe sind dabei rechtlich abgesichert,“ sagt die Mitgründerin. „Kooperationen mit großen Supermärkten sind schwierig, aber wir sind gerade mit ein paar beim Verhandeln. Es wäre wünschenswert, wenn sich mehr anschließen würden. Wir möchten auch noch mehr Menschen bewegen, bei Food Sharing mitzumachen. Wichtig ist, dass bei den Konsumenten bald ein Umdenken passiert.“

Die zehn Fair-Teiler in Wien

Food Sharing Fair-Teiler

Food Sharing

Food Sharer und Fair-Teiler Kühlschränke gibt es in ganz Österreich. Geld fließt bei Food Sharing keines, Mitglieder und Organisatoren arbeiten ehrenamtlich. Auch wenn sich Food Sharing öffentlich von Dumpstern - das bedeutet Lebensmittel aus Mülltonnen zu holen - abgrenzen möchte, kann laut Beltrame gerne „Dumpster-Essen“ in die Fair-Teiler gelegt werden.

Laura Schrettl, wien.ORF.at

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