Rechnungsabschluss: Streit um Schulden

Bei der Debatte um den Rechnungsabschluss 2014 geht es im Gemeinderat um den Schuldenstand der Stadt. Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) bekräftigte die Strategie, weiter Schulden zu machen. Die Opposition übte heftige Kritik.

Bis die Finanzkrise und ihre Folgen - etwa hohe Arbeitslosigkeit und geringes Wirtschaftswachstum - überstanden seien, „bekenne ich mich zur maßvollen Aufnahme von Fremdmitteln“, betonte Brauner. „Investieren muss möglich sein“, erklärte sie.

Diese Investitionen sollen jedoch nicht in den laufenden Betrieb, sondern vielmehr in „bleibende Werte“ wie etwa Infrastruktur, Schulen oder Spitäler investiert werden. Allerdings erlaubt der Stabilitätspakt derzeit ab 2016 keine Neuverschuldung mehr - um weitere Schulden zu ermöglichen, müssten die Kriterien gelockert werden.

Gebührenstopp gegen Finanzkrise

2014 habe man die Vorgaben des Stabilitätspakts jedenfalls „mehr als erfüllt“, denn das Maastricht-Ergebnis beträgt gut 102 Mio. Euro. Dennoch hat Wien im vergangenen Jahr 258,18 Mio. Euro neue Fremdmittel aufgenommen. Damit erhöhte sich der Schuldenstand auf 4,893 Mrd. Euro. Die Schuldenquote beträgt daher laut Brauner 5,9 Prozent des Bruttoregionalprodukts. „Die kritische Grenze wäre mehr als das Zehnfache“, betonte die Finanzchefin.

2014 flossen die meisten Mittel in Gesundheit (1,973 Mrd. Euro) und Soziales (1,506 Mrd. Euro), Bildung (1,38 Mrd. Euro) und Kinderbetreuung (729 Mio. Euro) sowie in den Wohnbau (682 Mio. Euro). Mit jeder einzelnen Investition - etwa in den Ausbau von Bus, Bim und U-Bahn - schaffe man auch Arbeitsplätze, erklärte Brauner.

Auch sonst versuche man alles, um die Auswirkungen der Finanzkrise abzudämpfen. Etwa auch durch den Gebührenstopp, zu dem die rot-grüne Regierung heute den Antrag einbringen wird. Das Valorisierungsgesetz wird für 2015 und 2016 ausgesetzt: Wasser, Abwasser, Müllabfuhr oder Parkpickerl werden nicht teurer, auch bei den Wiener Linien sollen die Preise nach Möglichkeit gleich bleiben. Damit wolle man auch die Effekte der Steuerreform unterstützen: „Wir haben Wien gut durch die Krise gesteuert.“

Laut FPÖ hat Stadt 15 Mrd. Euro Schulden

Die Wiener Oppositionsparteien hatten den Rechnungsabschluss schon im Vorfeld kritisiert. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sieht einen Schuldenstand von rund 15 Mrd. Euro für Wien als „Gesamtkonzern“. Das sei deutlich mehr als die rund fünf Mrd. Euro, die im Rechnungsabschluss ausgewiesen sind. Berücksichtige man die ausgegliederten Unternehmen, dann betrage die Pro-Kopf-Verschuldung in Wien 8.606 Euro.

Der Wiener ÖVP-Obmann Manfred Juraczka forderte im Gemeinderat einen Kurswechsel in der Wiener Wirtschaftspolitik. Die Stadt müsse transparenter und effizienter verwaltet werden. Er hatte bereits im Vorfeld einen Schuldenstopp, eine Entlastung der Arbeitgeber, Tourismuszonen mit Sonntagsöffnung und ein Sparpaket gefordert - mehr dazu in Schuldenstopp in Wien wackelt (wien.ORF.at; 10.6.2015).

ÖVP: Frankenkredite als „Schock“

Laut ÖVP-Klubobmann Fritz Aichinger mache sich auch der „währungspolitische Schock“ von Jänner, also die Aufhebung der Parität Euro und Schweizer Franken, bemerkbar. Der Schuldenstand erhöhe sich allein dadurch um 277 Mio. Euro, wie die ÖVP darlegte.

Das wies Fritz Strobl, Wirtschaftssprecher der SPÖ, zurück: „Es wurden keine Verluste gemacht. Hören sie auf, die Leute zu verunsichern und beschäftigen Sie sich mit den Fakten. Fakt ist: Der Buchwert der Schweizer Franken ändert sich täglich“, richtete Strobl der Opposition aus - mehr dazu in Franken-Kredite: Stadt ändert Strategie (wien.ORF.at; 29.1.2015).

Beschluss ohne Opposition

David Ellensohn, Klubobmann der Wiener Grünen, verteidigte am Montag die Investitionen in Gesundheit, Pflege, Bildung und Wohnbau. Gerade Kindergärten und Schulen seien „die Gerechtigkeitschance“, mit welcher die Stadt sozialen Aufstieg ermöglichen könne, so Ellensohn. Der Rechnungsabschluss wird mit den Stimmen von SPÖ und Grünen beschlossen werden. Die Opposition wird dem Abschluss nicht zustimmen.

Debatte im Zeichen des Wahlkampfs

Der Wahlkampf für die Gemeinderatswahl im Oktober hat die Debatte zum Rechnungsabschluss bereits überschattet. Während der Rede von FPÖ-Klubobmann Gudenus grifft die unmittelbar hinter ihm sitzende Finanzstadträtin zum sogenannten „Blaubuch“ - also jener kürzlich präsentierten Broschüre, in der die SPÖ mit den Freiheitlichen abrechnet - mehr dazu in Häupl schwört Partei gegen FPÖ ein.

Gudenus zeigte sich im Gemeinderat erbost: „Das ist eine Ignoranz der Stadträtin, die heuer abgewählt wird.“ Brauner zitiere aus Blaubüchern, finde dies lustig während gleichzeitig die Menschen in Armut versinken würden. „Das ist Ihnen völlig egal“, konstatierte Gudenus, der in der Debatte prompt einen Misstrauensantrag gegen Brauner einbrachte.

Suspendierung nach NEOS-Aktion

Wenig begeistert von den Ausführungen der Finanzstadträtin zeigte sich am Montag auch ein kleines NEOS-Grüppchen auf den Besucherrängen: Schon zu Beginn der Rede protestierten sie auf den Besucherrängen lautstark mit einem Transparent, auf dem der Wiener Wahlkampfslogan „G’scheite Kinder statt g’stopfte Politiker“ zu lesen war.

Kurz danach machten weitere pinke Polit-Aktivisten auf sich aufmerksam: Ebenfalls per Schreien und mit einem Plakat, auf dem diesmal „Aufbegehren!“ zu lesen war. Die Rufer wurden von der Rathauswache zum Gehen aufgefordert. Brauner ließ sich davon nicht beirren: „Auf kein Wiedersehen in diesem Haus“, schickte sie den NEOS nach.

Der Mitarbeiter der Rathauswache, der die pinken Galerie-Besucher unsanft daran gehindert, gegen die Finanzpolitik der Stadt zu demonstrieren, ist vom Dienst abgezogen worden. Der Mitarbeiter habe „überreagiert“, begründete ein Sprecher der Magistratsdirektion. Mit der Rathauswache werde es nun „sensibilisierende“ Gespräche zum Umgang mit solchen Vorfällen geben, wurde betont. Grundsätzlich sind politische Proteste bzw. Aktionen auf der Besuchergalerie per Geschäftsordnung verboten.

Link: