Großer Showdown im Alijew-Prozess

Showdown im Alijew-Prozess: Staatsanwälte, Opfervertreter und Verteidiger hielten am Mittwoch ihre Plädoyers. Wegen Doppelmordes angeklagt sind zwei Ex-Weggefährten von Rachat Alijew. Die Urteile gibt es am Freitag.

Seit Mitte April müssen sich der ehemalige Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, Alnur Mussajew, sowie mit Wadim Koschljak, der ehemalige Sicherheitsberater des früheren kasachischen Botschafters in Wien, Rachat Alijew, als mutmaßliche Beteiligungstäter vor Geschworenen verantworten.

Ausgang nach 30 Verhandlungstagen offen

Alijew wäre als Hauptangeklagter im Zentrum der Vorwürfe der Anklage gestanden - er wurde jedoch am 24. Februar erhängt in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefunden. Auf Basis eines Gutachtens des Rechtsmedizinischen Instituts in St. Gallen sowie weiterer Sachverständigen-Expertisen geht die Justiz von Selbstmord aus - mehr dazu in Alijew: Gutachten bestätigt Suizid.

Nach 30 Verhandlungstagen ist der Ausgang völlig offen, sagen die meisten Prozessbeobachter. Der Prozesstag am Mittwoch fand bei brütender Hitze im Gerichtssaal statt. Zuhörer, Verteidiger und Angeklagte versuchten, sich mit Fächern abzukühlen. Die Staatsanwälte listeten in ihren Schlussvorträgen detailliert auf, warum sie überzeugt sind, dass Alijew und die beiden verbliebenen Angeklagten die Entführungen und Morde zu verantworten haben. Die meiste Zeit ihres mehr als einstündigen Plädoyers widmete Staatsanwältin Bettina Wallner den Widersprüchen in den Aussagen der Angeklagten, insbesondere jenen von Mussajew.

Prozess

APA/Roland Schlager

Mussajew (rechts) und Koschljak

Es habe zwar widersprüchliche Zeugenaussagen gegeben, räumten die Ankläger ein. Das liege aber daran, dass viele Zeugen bei ihrer ersten Einvernahme kurz nach der Tat von der Finanzpolizei eingeschüchtert gewesen seien, da diese damals unter der Kontrolle Alijews gewesen wäre. Außerdem sei bei der Übersetzung vom Russischen ins Deutsche etwas verlorengegangen.

Alijew sei ein machtbesessener, von Ehrgeiz getriebener Mensch gewiesen, sagte die Staatsanwältin. Die beiden Angeklagten hätten seinen Befehlen gefolgt. Die Ankläger glauben nicht, dass Beweise gefälscht wurden. Dann wäre der kasachische Geheimdienst dilettantisch vorgegangen, so die Ankläger. Verteidiger Walter Engler ist hingegen überzeugt, „dass von Kasachstan Beweise manipuliert wurden", sagte er gegenüber dem ORF-Radio.

Verteidiger: Prozess von Kasachstan gesteuert

Es gebe keinen einzigen Sachbeweis für die Beteiligung der Angeklagten am Doppelmord, hielten die Verteidiger entgegen. Der Prozess sei vom kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew bzw. dem KNB gesteuert. Einer der Verteidiger, Martin Mahrer, garnierte sein Plädoyer gar mit Passagen aus Schillers „An die Freude“ oder Goethes „Faust“. Das Verfahren sehe er als „Angriff auf die österreichische Rechtsstaatlichkeit“. Mit „krimineller Energie“ und entsprechendem Kapital übe Nasarbajew im Weg des Gerichtsverfahrens „Rache“, weil sich sein vormaliger Schwiegersohn Alijew von ihm abgewandt habe.

Anwalt der Witwen rechnet mit Alijew ab

Der Rechtsvertreter der beiden Witwen, Gerald Ganzger, rechnete in seinen Schlussworten mit Alijew ab. Er bezeichnete Alijew als „mächtigen eitlen Mann“, dessen Wort „Gesetz“ gewesen sei. Mit seinem Suizid habe er sich „der irdischen Gerechtigkeit, Ihrem Urteil entzogen.“ Er zeigte sich von der Anklage überzeugt. „20 Top-Juristen des Landes“ hätten sie bestätigt, so Ganzger.

Die Verteidigungslinie der verbliebenen Angeklagten, die vorgeblichen Beweise wären von kasachischer Seite konstruiert worden, „hält dem Realitätscheck nicht stand“, konstatierte Ganzger. Er forderte die Geschworenen auf, die Angeklagten freizusprechen, falls sie der Überzeugung seien, es „mit einer irre geleiteten Staatsanwaltschaft, gefälschten Beweisen, dunklen Mächten im Hintergrund“ zu tun zu haben. Falls dem aber nicht so sei, seien die beiden Angeklagten schuldig zu erkennen.

„Ich lege mein Leben in ihre Hände“

Mit den Schlussworten der Angeklagten wurde die Verhandlung am Mittwoch geschlossen. „Das ist ein politischer Fall. Im kriminellen Sinn bin ich unschuldig“, sagte Mussajew. „Ich bin ein Staatsfeind in Kasachstan. Meine Gegner haben unbeschränkte Möglichkeiten. Ich habe meine Heimat, meine Freunde, meine Wurzeln verloren“, meinte Koschljak. Dessen ungeachtet sei er froh, seine Kinder in Österreich aufwachsen zu sehen. „Ich lege mein Leben und die Zukunft meiner Familie in ihrer Hände. Möge Gott Ihnen dabei helfen.“

Die Geschworenen nehmen am Freitag um 9.00 Uhr ihre Beratungen über die Schuldfrage auf. Wie lange sie benötigen werden, um den ihnen vorgelegten, umfangreichen Fragenkatalog beantworten zu können, ist nicht absehbar. Für die Angeklagten geht es im Fall von Schuldsprüchen um zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

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