„Mahü“: Letzter Stein zerbrach am Boden

Am Freitag ist auf der neu gestalteten Mariahilfer Straße symbolisch der letzte Stein verlegt worden. Dafür wurden von den Ehrengästen zwei Anläufe benötigt, denn der erste Schlussstein ging unabsichtlich zu Bruch.

Per Vakuumsauger sollte am Freitag symbolträchtig der letzte Stein ins neue Pflaster der verkehrsberuhigten Mariahilfer Straße bugsiert werden. Allerdings fehlte es an Haftung, der Stein fiel und brach. Erst im zweiten Versuch gelang es der versammelten Politikerschar, die „Mahü“ endgültig zu beschließen. Dennoch zeigte sich vor allem Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) hörbar erleichtert.

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Bericht von Radio-Wien-Reporter Thomas Kickinger

Der notwendige zweite Anlauf kann durchaus als symptomatisch für die Geschichte der neuen Wiener Mariahilfer Straße gesehen werden: Waren doch nach der ersten Vorstellung des Projekts viele - darunter vor allem Wirtschaft und Opposition - gegen die Umwandlung der Einkaufsmeile in eine Begegnungs- und Fußgängerzone. Auch der Koalitionspartner SPÖ stürzte sich nicht gleich mit vollem Elan in die Mahü-Neugestaltung. Erst das Votum der Anrainer in den Bezirken Mariahilf und Neubau besiegelte die neue Mariahilfer Straße.

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Finale mit Panne

Der erste Schlussstein auf der Mariahilfer Straße Neu ist zu Bruch gegangen. Vassilakou nahm es mit Humor: „Scherben bringen Glück.“

Budget wird um rund 500.000 Euro unterschritten

Der Gegenwind ist auch an Vassilakou nicht spurlos vorüber gegangen. „Das eine oder andere graue Haar, das in den vergangenen zwei Jahren dazu gekommen ist, hat sicher mit der Mahü tun“, betonte sie. Noch könne sie gar nicht wirklich begreifen, dass die Mariahilfer Straße endgültig fertig sei. Und das im Zeitrahmen und billiger als ursprünglich angenommen. Noch ist zwar nicht alles genau abgerechnet, der Projektkoordinator Peter Lux geht von einer voraussichtlichen Budgetunterschreitung von 500.000 Euro aus. Insgesamt waren für den mehr als einjährigen Umbau 25 Millionen Euro veranschlagt worden.

„Es ist ein gelungenes Projekt, das mich sehr glücklich macht“, sagte Vassilakou. Die Mahü sei aber auch „Lernerfolg“ gewesen. Denn jetzt wisse man, wie man zukünftige Projekte dieser Größenordnung angehen werde. Rückblickend wäre es etwa sinnvoll gewesen, einen kleinen Abschnitt der Einkaufsmeile gleich neu zu gestalten, um ein konkreten Anschauungsobjekt als Entscheidungsgrundlage zu haben. Die Mahü soll jedenfalls nicht die letzte Tat sein: „Es gibt viele Wünsche auf Bezirksebene nach Neugestaltungen“, meinte Vassilakou.

Mariahilfer Straße nach Umgestaltung

ORF

Die Schanigärten sind in die Mitte gerückt

„Wie Weihnachten und Ostern“

„Für mich ist das wie Weihnachten und Ostern zusammen“. Das waren die Worte von Vassilakou, als im März des Vorjahres die Abstimmung über die Verkehrsberuhigung mit einem „Ja“ endete. Das Votum fiel auch für Radfahrer und für Querungen aus. Die Grünen hatten damit ihr Prestigeprojekt durchgebracht. Jetzt wird es auch rechtzeitig vor der Wahl fertiggestellt.

„Mahü“ in Zahlen

  • 1,6 Kilometer Länge, davon 432 Meter Fußgängerzone
  • 87 Sitzgelegenheiten, sechs Lounges
  • 27 zusätzliche Bäume
  • vier Wassertische
  • 116 Lampen
  • 232 Radbügel
  • 100 Bauarbeiter pro Tag

Die Stimmung hat sich gedreht, vor allem seit die Straße nach der ersten Umbauphase im Vorjahr in neuem Zustand sichtbar wurde. Die Wienerinnen und Wiener dürften die neue Mariahilfer Straße langsam liebgewinnen. „Ich bin von der Provinz, es ist sehr schön, wenn man auf die Straße da gehen kann“, sagt etwa ein Pensionist aus dem Waldviertel. „Ich begrüße das sehr, man kann jetzt bummeln und heraußen sitzen“, meint ein anderer Niederösterreicher zu wien.ORF.at.

„Es ist viel gemütlicher, weil man nicht aufpassen muss, man geht links, rechts, von dem her ist das toll“, sagt eine Passantin. „Ich vermisse die Autos, der Bus fährt Umwege. Ich hab nie etwas gegen die Autos gehabt“, meint ein anderer Einkäufer. Befürchtungen, wonach die Menschen nicht in der Mitte der Straße gehen werden, weil sie an den Schaufenstern bummeln wollen, bewahrheiteten sich nicht.

Wenige Beschwerden wegen Radrowdys

Auch die Ängste vor rasenden Radfahrern haben sich großteils gelegt. Radfahrer dürfen in den Begegnungszonen mit 20 km/h und in der Fußgängerzone mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Bisher gab es bei der Mobilitätsagentur vier Beschwerden wegen Radrowdys auf der „Mahü“, die Polizei führt keine eigene Statistik dazu. Der ÖAMTC schlägt vor, dass Radfahrer bei hoher Frequenz absteigen und schieben müssen. „Leider halten sich nicht viele daran, das führt zu Konflikten“, sagt Bernhard Wiesinger vom ÖAMTC.

Mariahilfer Straße nach Umgestaltung

ORF

Die Menschen gehen nicht nur am Rand der Straße

Wirtschaft klagt über Rückgänge

Etwas anders sieht das auch jetzt noch bei etlichen Geschäftsleuten aus, die von Anfang an skeptisch waren. „Bei den meisten Betrieben sind die Umsätze gravierend zurückgegangen. Man wird immer wieder gefragt, ob es Sieger gibt. Ich kann nur sagen ‚es gibt Gott sei Dank Überlebende‘“, sagt Erwin Pellet von der Wirtschaftskammer. Genau beziffern lassen sich die Verluste noch nicht, auch weil die Umbauphase eine Ausnahmesituation war. Gerngross-Leiter Günther Meier sieht die Umgestaltung positiv. „Wir sind guter Dinge. Wir sehen das Projekt als ein gutes Projekt an. Der Erfolg auch in anderen Einkaufsstraßen in anderen Ländern hat gezeigt, dass es die umsatzstärksten Einkaufsstraßen sind.“

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Wirtschaftskammer klagt über Einbußen

Die Wirtschaftskammer klagt gegenüber „Wien heute“ über massive Umsatzeinbußen. Der Gerngross-Chef sieht die Umgestaltung positiv.

Die Parkgaragenbetreiber in der Nähe der Mariahilfer Straße klagten vor allem während des Umbaus, wo die Zufahrt noch zusätzlich erschwert wurde, über Umsatzeinbußen. Michael Elbl, der mehrere Garagen betreibt, sprach von einem Minus von 70 Prozent. WIPARK hingegen fuhr in der Garage Windmühlgasse im sechsten Bezirk ein Plus von 20 Prozent ein - mehr dazu in „Mahü“: Schlechte Auslastung bei Parkgaragen. Jetzt hofft man, mit Informationskampagnen, alte Auto-Stammkunden wieder zurückzuholen. Wirklich valide Zahlen wird es hier aber genauso wie bei den Geschäften erst in zwei bis drei Jahren geben.

Durch die verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße ist der Verkehr im 6. und 7. Bezirk zurückgegangen. Jetzt sollen weitere Einbahnen den Durchzugsverkehr reduzieren. Das Ausweichen vom Gürtel soll so unbequem wie möglich werden, sagte der Verkehrsplaner Harald Frey im wien.ORF.at-Interview - mehr dazu in „Mahü“: Neue Einbahnen gegen Verkehr. Einige Straßen sind seither stärker belastet - mehr dazu in Einzelne Verkehrsprobleme wegen „Mahü“. Frey lehnt auch die Forderung der Wirtschaft nach

Mariahilfer Straße nach Umgestaltung

ORF

Blick in die Fußgängerzone

Feier am Samstag: 13 A zweigeteilt

Am Samstag wird die Mariahilfer Straße dann zur Feierzone. Viele Geschäftsleute nehmen an dieser Feier aktiv teil und tragen zum Programm bei - für die Grünen ein Zeichen, dass sich die Skepsis bei vielen Kaufleuten gelegt hat.

Auf die Besucherinnen und Besucher warten Sport und Musik - mehr dazu in Mariahilfer Straße wird zur Feierzone. Während der Feier werden auch die Begegnungszonen für den Verkehr gesperrt. Der 13 A wird daher zweigeteilt zwischen Alser Straße und Neubaugasse/Westbahnstraße bzw. zwischen Hauptbahnhof und Neubaugasse (U3) geführt.

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