Sechsfachmörder: Auslieferung zulässig

Auch im zweiten Anlauf hat das Wiener Straflandesgericht am Mittwoch die Auslieferung eines angeblichen russischen Sechsfach-Mörders für zulässig erklärt. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig.

Es gebe keine „schwerwiegenden Gründe“, um der russischen Justiz die beantragte Überstellung des 45-Jährigen zum Zwecke der Strafverfolgung zu verweigern, stellte Richter Michael Spinn am Mittwochabend fest. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

In seiner Begründung verwies Spinn auf die „ständige Rechtsprechung“, wonach Menschenrechtsverletzungen in Russland nicht „ständige Praxis“ seien und nicht „systematisch“ vorkämen. „Der Nachweis, dass dem Betroffenen Menschenrechtsverletzungen drohen könnten, ist in der gegenständlichen Causa nicht zu erkennen“, erklärte Spinn. Man könne der russischen Justiz nicht grundsätzlich unterstellen, „dass sie unfaire Verfahren führen würde“. Es sei „in keiner Weise nachgewiesen“, dass Aslan G. in Russland mit Folter und Misshandlung rechnen müsse.

Angeklagter

ORF

Der 45-jährige Russe stand am Mittwoch in Wien vor Gericht

Landesgericht gab bereits grünes Licht

Das Landesgericht hatte bereits Ende Mai die Auslieferung für zulässig erklärt. Das Wiener Oberlandegericht (OLG) hob den entsprechenden Beschluss am 25. Juni allerdings aufgrund menschenrechtlicher Bedenken auf - mehr dazu in Mutmaßlicher Mörder: Auslieferung gestoppt.

Mehrere verlässliche Quellen hätten „wiederholte Verletzungen gegen Artikel 3 MRK (das Verbot der Folter, Anm.) durch den Zielstaat im Bereich des Strafvollzugs festgehalten“, stellte das OLG fest. Dem Erstgericht wurde daher aufgetragen, eine „diplomatische Zusicherung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation“ einzuholen, dass Aslan G. menschenrechtskonform behandelt wird. Diese „Garantierklärung“ wurde der Wiener Justiz mittlerweile übermittelt.

„Wieso schicken Sie mich in den sicheren Tod?“

Aslan G. hatte in seinem rund dreistündigen Schlusswort eindringlich gebeten, ihn nicht an Russland auszuliefern: „Lieber würde ich lebenslang in Österreich in U-Haft sitzen als eine Stunde in Russland verbringen zu müssen.“ Er gab sich überzeugt, dass er die Auslieferung nicht überleben wird. „Wie können Sie ruhig schlafen? Wieso schicken Sie mich in den sicheren Tod?“, fragte er den Richter.

„Für mich ist überhaupt nicht ersichtlich, dass und von wem er getötet werden sollte“, konterte dieser. Den 45-Jährigen erwarte in Russland ein Strafverfahren, „aber falls er verurteilt wird, kommt er in Strafhaft und nicht in die Hände des Geheimdiensts“, sagte Richter Michael Spinn. Er spielte damit auf die Darstellung des Russen an, der die wider ihn erhobenen Mordvorwürfe als konstruiert bezeichnet und behauptet, er sei bereits 2004 vom russischen Geheimdienst schwer gefoltert worden.

OLG muss erneut prüfen

Einem gerichtsmedizinischen Gutachten zufolge sind die Schilderungen der Misshandlungen mit den Narben am Körper des 45-Jährigen vereinbar. Der Sachverständige Christian Reiter konnte allerdings nicht feststellen, von wem Aslan G. gequält wurde und ob die beschriebenen Torturen „typisch“ für östliche Geheimdienste sind.

Christine Wolf, die Rechtsvertreterin des Russen, legte gegen die Entscheidung des Richters unverzüglich Beschwerde ein. Damit wird erneut das Wiener Oberlandesgericht (OLG) den Fall prüfen. Aslan G. bleibt bis dahin in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in Auslieferungshaft.

Festnahme am Hauptbahnhof

Der 45-Jährige war Ende Jänner im Zuge einer Zielfahndung am Hauptbahnhof festgenommen worden. Die russischen Behörden wollen dem gebürtigen Georgier, der die russische Staatsbürgerschaft besitzt, den Prozess machen. Ihrer Darstellung zufolge soll Aslan G. als Chef einer kriminellen Vereinigung zwischen November 2012 und Oktober 2013 sechs Personen von Mitgliedern seiner Bande mit Kalaschnikow-Sturmgewehren bzw. Maschinenpistolen beseitigen haben lassen - mehr dazu in Mutmaßlicher Sechsfachmörder verhaftet.

Bei zwei weiteren, angeblich von Aslan G. in Auftrag gegebenen und im Dezember 2012 und Juni 2013 verübten Anschlägen kamen die drei ins Visier geratenen Personen mit dem Leben davon. Der auf organisierte Kriminalität spezialisierten Mafia-Bande werden außerdem die Morde am nordossetischen Vizepremier Kasbek Pagijew und am Bürgermeister der Hauptstadt Wladikawkas, Witali Karajew, aus dem Jahr 2008 zur Last gelegt.

„So lange foltern, bis ich tot bin“

Aslan G. bestreitet vehement, an der Spitze einer mafiösen Vereinigung gestanden und Mordaufträge verteilt zu haben. Die Anschuldigungen gegen ihn seien politisch motiviert und von Moskau gesteuert. Der russische Staat habe ihm sein florierendes Unternehmen „weggenommen“.

Teilhaber der Firma seien teilweise beseitigt worden, ihn habe man fälschlicherweise zum Mörder gestempelt: „Wenn Sie befinden, dass ich die Todesstrafe verdiene, dann liefern Sie mich aus.“ Sollte die Auslieferung für zulässig erklärt werden, „dann wird man mich dort so lange foltern, bis ich tot bin. Und die österreichische Vertretung wird die Verständigung bekommen, dass ich an einem Herzinfarkt gestorben bin“, bemerkte Aslan G.

Er habe die ihm unterstellten Verbrechen nicht begangen. Die russische Generalstaatsanwaltschaft behaupte, er habe nicht weniger als 63 Morde zu verantworten, „aber es gibt keinen vernünftigen Grund, warum ich das notwendig gehabt hätte.“ Von den sechs Toten, um die es im Auslieferungsverfahren konkret geht, habe er einen einzigen gekannt. Dabei habe es sich um einen Staatsanwalt gehandelt, mit dem er freundschaftlich verbunden gewesen sei.