Jack-Unterweger-Film feiert Wien-Premiere

Johannes Krisch ist Jack Unterweger: Die Annäherung an den Serienmörder und „Häfenliteraten“ von Regisseurin Elisabeth Scharang feiert heute Österreich-Premiere. Ab Freitag ist der Film „Jack“ regulär in den Kinos zu sehen.

Eine Antwort, ob Unterweger schuldig ist oder nicht, gibt der Film nicht. „Die Frage überlasse ich gerne dem Publikum“, so Scharang, die das anhaltende Interesse an dem Fall überraschte. „Jeder hat eine Meinung zu Jack Unterweger, jeder!“

Regisseurin kannte Unterweger

Scharang will die Geschichte nicht nacherzählen. Anders als bei ihrem semi-dokumentarischen Fernsehfilm „Ein Patriot“ über den Briefbomber Franz Fuchs sei es ihr wichtig, sich mit einer freien Interpretation der Geschichte „der Person Jack Unterweger zu nähern“. Basierend auf fünf Eckdaten - „Jemand hat einen Mord begangen, saß lange im Gefängnis, hat geschrieben, kommt wieder raus, wird berühmt“ - nahm die Regisseurin reale Figuren lediglich als Inspiration her. Sie selbst habe Unterweger einst als Radioredakteurin kennengelernt und mit ihm drei Sendungen gemacht.

Jack

Petro Domenigg/filmstills.at

Burgtheater-Mime Johannes Krisch spielt Jack Unterweger

„Rolle, die sehr unangenehm ist“

Mit Johannes Krisch erarbeitete die Regisseurin die umstrittene Figur zwei Jahre lang. „Das ist eine sehr intensive Rolle, die sehr unangenehm ist, mit der lebt man sehr lang, aus der kann man auch nicht einfach raussteigen“, sagt sie. Für Krisch sei die Darstellung „eine große Herausforderung“; nach intensiver Recherche, im Laufe derer er viele Gutachten über Unterweger gelesen und Bildmaterial gesichtet habe, stecke er „mitten drin“ - und bringt nicht zuletzt aufgrund der frühen Ablehnung durch die Mutter Verständnis für diesen kaum greifbaren Menschen auf - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Jack

Petro Domenigg/filmstills.at

Birgit Minichmayr stellt die Gesellschaftsjournalistin Marlies dar

„Diese mütterliche Liebe, die man nicht bekommt, hat dann sehr große Auswirkungen auf das spätere Leben. Dieser Liebe läuft man immer wieder nach und sucht sie. Das kulminiert dann natürlich in einem Narzissmus“, so Krisch, der damit Unterwegers Anwandlung als berüchtigter Frauenheld erklärt.

Wiener Schickeria und Rotlichtmilieu

Das Filmpublikum lernt Unterweger (Johannes Krisch) als Mittzwanziger im Jahr 1974 kennen. Mit seiner Jugendliebe Charlotte (Sarah Viktoria Frick) bildet er ein berüchtigtes, räuberisches Liebespaar, das schon bald getrennt wird: Der gemeinsame Einbruch in einem Haus endet im grausamen Mord an der 18-jährigen Bewohnerin, für den Jack 1976 zu lebenslanger Haft verurteilt wird. In der Justizanstalt Stein beginnt er zu schreiben, gewinnt mit Gedichten und autobiografischen Romanen Verehrerinnen ebenso wie Fürsprecher in der Intellektuellenszene für sich.

Mörder und Poet

1976 wegen des Mordes an einer jungen Frau zu lebenslanger Haft verurteilt, erlangte der Steirer Jack Unterweger von der Haft aus mit Gedichtbänden und autobiografischen Romanen Berühmtheit. Nach 15 Jahren auf Bewährung entlassen, wurde Unterweger fixer Teil der Wiener Schickeria, begab sich auf Lesetour - und soll in der Zeit bis zu elf Prostituierte ermordet haben. Nach einer spektakulären Flucht wurde er 1994 vor Gericht wegen neunfachen Mordes schuldig gesprochen - und erhängte sich wenige Stunden später, bevor das Urteil rechtskräftig werden konnte.

1990 vorzeitig als „Paradefall eines resozialisierten Verbrechers“ bedingt entlassen, steigt Unterweger in der Wiener Schickeria schnell auf, inszeniert sich in TV-Sendungen und Magazinfotostrecken, ergattert Aufträge als Reporter im Rotlichtmilieu, dem er selbst einst angehört hat. Die Kontakte besorgt ihm Gesellschaftsjournalistin Marlies Haum (Birgit Minichmayr), die finanzielle Sicherheit liefert die verheiratete Architektin Susanne Sönnmann (Harfouch), die mit Jack eine Affäre beginnt. Doch als bald scheinbar von ein und demselben Täter ermordete Prostituierte aufgefunden und die Tatorte mit Unterwegers Lese- und Recherchereisen in Verbindung gebracht werden, kippt die öffentliche Meinung. Er flüchtet.

Scharang streift lediglich einzelne biografische Eckpfeiler, heftet sich an ihre Version des Jack Unterweger, spart dabei die Umwelt größtenteils aus, dichtet manches dazu und lässt vieles im Ungewissen - auch, ob Unterweger die ihm 1990 und 1991 angelasteten elf Morde an Prostituierten in Wien, Graz, Lustenau, Prag und Los Angeles tatsächlich begangen hat.

Soundtrack von Naked Lunch

Lediglich die zwischen Szenen gestreuten, atemberaubenden Bilder von Kameramann Jörg Widmer führen in den mit Nebelschwaden durchzogenen Wienerwald, wo die ersten Leichen gefunden wurden. Und an den potenziellen Tatort, einen verlassen Parkplatz, über den Hasen hoppeln. Widmer taucht Unterwegers Universum in ein aus der Zeit gefallenes Setting, und der pulsierende Soundtrack von Naked Lunch tut ein Übriges, um „Jack“ zu einem dichten, anmutigen, aber in seiner Künstlichkeit nur schwer einen Sog entwickelnden Psychogramm zu machen.

Veranstaltungshinweis

Filmpremiere „Jack“ in Anwesenheit von Johannes Krisch und Elisabeth Scharang, 19.30 Uhr, Gartenbaukino Wien

„Fakt ist: Ich weiß nicht, ob er die Morde begangen hat oder nicht“, meinte Scharang. Zu viele Fragen seien bei dem Indizienprozess, der 1994 nach dem nicht rechtskräftigen Schuldspruch in neun Fällen mit dem Selbstmord Unterwegers in seiner Zelle vorzeitig endete, offen geblieben. Eine Texttafel erinnert zum Filmende daran, entlässt den Zuseher mit dem Zweifel für den Angeklagten. Eher von Zweifeln und Misstrauen denn von Beweisen getrieben sind zuvor auch der fiktive Gefängnispsychologe (Paulus Manker) und zwei Kommissare (Birgit Linauer, Michael Fuith), die in Scharangs Annäherung eine untergeordnete Rolle einnehmen.

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