Filzmaier: „Riskante Häupl-Strategie“

Als „riskant“ hat Politikwissenschafter Peter Filzmaier die Strategie von Michael Häupl (SPÖ) in der TV-„Elefantenrunde“ bezeichnet. Häupls Motto sei gewesen: „Lasst die Kinder streiten, ich bin derjenige, der sich zurücklehnen kann.“

Am Montagabend fand die TV-Diskussion der Spitzenkandidaten statt. Beim Flüchtlingsthema habe das Motto „Alle gegen Strache“ der FPÖ geholfen, sagte Filzmaier im Ö1-Morgenjournal: „Denn das ist jenes Wunschthema, das sie sowieso im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte haben will, auch weil es bundespolitische Bezüge ermöglicht. Und die Bundesregierung hat ein mittelmäßiges bis mäßiges Image, das der Oppositionspartei FPÖ hilft.“ Bei anderen Themen, von Arbeitsplätzen bis Verkehr, war die Anti-FPÖ-Haltung der anderen Parteien weniger von Nutzen für deren Spitzenkandidaten Heinz-Christian Strache - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Asylthema: „Jeder bedient Stammpublikum“

Beim Thema Flüchtlinge gab es konkrete Angriffe in Richtung FPÖ. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zeigte Strache ein Foto, auf dem man FPÖ-Funktionäre gegenüber einer Flüchtlingsfamilie demonstrieren sieht. „Es war offensichtlich in der Fernsehdiskussion das Ziel, nicht nur von Michael Häupl, sondern auch von allen anderen Kandidaten, Heinz-Christian Strache auch etwas zu provozieren“, so Filzmaier - mehr dazu in Asylfoto: „Kurier“ klagt Strache (wien.ORF.at; 11.6.2015).

Peter Filzmaier

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Peter Filzmaier analysierte die „Elefantenrunde“ in den Sofiensälen

Strache habe „wiederum betont staatsmännisch“ auftreten wollen. Da laut Filzmaier beim Flüchtlingsthema die Positionen bezogen sind, habe jeder „sein eigenes Stammpublikum bedient, also Wähler der eigenen Partei“. Laut Filzmaier ist ein Stimmwechsel von „überzeugten linken Roten und bei den strammen eher rechteren Blauen nicht mehr möglich“ - mehr dazu in Duell Häupl - Strache im Mittelpunkt.

Häupl-Strategie: „Lasst die Kinder streiten“

Häupl verfolgte laut Filzmaier eine besondere Strategie. Er sei nicht, wie beispielsweise der Landeshauptmann von Oberösterreich, Josef Pühringer (ÖVP), in Zweierkonfrontationen gegangen. „Denn wenn man als Bürgermeister versucht, den Amtsinhaberbonus zu nutzen, dann will man nicht jemanden sozusagen zu sich auf das Podest des Amtes heben und als gleichwertig bezeichnen“, so Filzmaier. Häupl habe außerdem den Eindruck erweckt, nach dem Motto „Lasst die Kinder streiten, ich bin derjenige, der sich zurücklehnen kann“ zu agieren. Laut Filzmaier sei das „in einer sehr knappen Wahlkampfsituation doch auch wieder riskant“.

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne), ÖVP-Spitzenkandidat Manfred Juraczka und NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger versuchten neben dem „Duell Häupl gegen Strache“ nicht unterzugehen. Sie hätten um Aufmerksamkeit gekämpft, so Filzmaier. Die Grünen hätten sich gegenüber der FPÖ „betont offensiv“ gezeigt, um einerseits ihre Kernschicht anzusprechen, andererseits wohl auch, um „rot-grüne Wechselwähler, die am klarsten gegen Blau sind, gewinnen“ zu können.

Bei NEOS war es das Thema Korruption. Dass eine neue Partei die etablierte Politik kritisiert, ist für Filzmaier jedoch „wenig überraschend“. Es gab auch „skurrile Einzelbeispiele“, etwa als Meinl-Reisinger als Beispiel für Standortpolitik einen „Kasnudelproduzenten“ ins Gespräch brachte. Schwierig bei der Positionierung hatte es laut Filzmaier die ÖVP. „Bei der Flüchtlingspolitik ist man eher gegen Strache, bei den anderen Themen gegen NEOS und die Grünen. Das ist aber auch logisch, denn das Dilemma der ÖVP ist, dass man in all diese Richtungen von relativ weit rechts bis links-liberal Stimmen verlieren könnte.“

Analyse des Politologen Peter Filzmaier

Die Konfliktlinie „Häupl gegen Strache“ stand bei der TV-Diskussion im Mittelpunkt, sagte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.

„Kuriose Argumentation der Grünen“

Das Rennen um den ersten Platz bei der Wahl ist laut Filzmaier insofern inszeniert, weil es letztlich um politische Mehrheiten für eine Koalition geht. „Das ist unabhängig davon, wer Erster wird. Da können auch drei, vier, fünf Punkte Differenz sein. Mehrheiten sind zu finden. Hier hat es die SPÖ leichter, weil sie mehr Varianten zur Hand hat als die FPÖ.“ Diese könne theoretisch „wohl nur mit der ÖVP koalieren“.

In Richtung Grüne sagte Filzmaier: „Es ist mathematisch von den Grünen wirklich etwas kurios argumentiert: Wer Rot-Grün will, muss unbedingt Grün wählen. Denn die Gesamtzahl der Stimmen für diese beiden Parteien SPÖ und Grüne bleibt ja gleich, auch wenn jemand Rot wählt. Da ändert sich nichts.“

Parteien versuchten Nichtwähler anzusprechen

Es sei kommunikationspsychologisch nachgewiesen, dass die eigenen Anhänger eine selektive Wunschwahrnehmung haben, also den jeweils eigenen Kandidaten sowieso am besten sehen, meinte Filzmaier. Wer bei der TV-Konfrontation gewonnen habe, könne nicht leicht beantwortet werden. Laut Filzmaier müsste man nicht nur fragen, ob man jemanden gut gefunden habe, sondern auch: „Werden Sie ihn wählen, und das nicht gestern Abend, sondern in fünf Tagen am Wahlabend?“ Entscheidend sei auch, ob diese Person ansonsten Nichtwähler gewesen wäre oder eine andere Partei gewählt hätte.

Filzmaier: „Es gibt einerseits die Gruppe der Unentschlossenen in sechsstelliger Zahl, und es gibt vor allem auch einen Austausch mit der Gruppe der Nichtwähler. Hier hat die SPÖ bei den letzten Wahlen eher schlecht abgeschnitten, die FPÖ eher gut." Für Filzmaier wird nicht die Gruppe der Wechselwähler das „Duell Häupl - Strache“ entscheiden, sondern die Gruppe der Nichtwähler.

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