Lebensgefahr im Lkw: Schlepper verurteilt

Im September ist ein Schleppertransport in Wien gestoppt worden, der nur mit Glück keine Menschenleben forderte. 24 Männer waren in einem zugeschweißten, fast luftdicht verschlossenen Kastenwagen befördert worden. Der Fahrer wurde verurteilt.

Der Mann - ein 30-jähriger Rumäne - fasste im Wiener Straflandesgericht wegen gewerbsmäßiger Schlepperei eine zweijährige Freiheitsstrafe aus. „Aus generalpräventiver Sicht kommt eine bedingte Strafnachsicht nicht in Betracht“, betonte Richterin Anna Morak. Der bisher unbescholtene Vater von sechs Kindern nahm nach Rücksprache mit Verteidigerin Christa-Maria Scheimpflug die Strafe an. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Aufgriff kurz nach A4-Tragödie

Eine Polizeistreife war in der Nacht auf den 1. September auf der Südosttangente (A23) auf den Citroen Jumper mit rumänischen Kennzeichen aufmerksam geworden. Der Kastenwagen wirkte überladen, außerdem war hinten eine auffällige Verriegelung angebracht - mehr dazu in Lebensgefahr im Lkw: Schlepper schweigt (wien.ORF.at; 1.9.2015).

Die Beamten entschlossen sich - sensibilisiert durch die vorangegangene Tragödie auf der A4 - zu einer Fahrzeugkontrolle. Sie lotsten den Transporter von der Autobahn und brachten ihn in der Anne-Frank-Gasse in Simmering zum Stehen - mehr dazu in A4-Drama: Zehn Opfer eindeutig identifiziert (wien.ORF.at; 23.9.2015).

Vergitterte Fenster, verschweißte Türen

Der Fahrer sprang dort unvermutet aus dem Kastenwagen und lief davon. Selbst als eine ihn verfolgende Polizistin einen Warnschuss ins Erdreich abgab, blieb er nicht stehen. Erst mit Hilfe eines beigezogenen Suchhunds konnte der 30-Jährige schließlich in einem nahe gelegenen Geräteschuppen aufgegriffen und festgenommen werden.

Als die Polizeibeamten den Kastenwagen näher untersuchten, stockte ihnen der Atem. Die Hecktüren war mit einem außen aufgeschweißten Schieberiegel versperrt und zusätzlich mit einem Vorhängeschloss gesichert. Die seitliche Schiebetür hatte man von innen verschweißt, die Fenster waren vergittert und ebenfalls verschweißt. Nach Entfernen des Vorhängeschlosses zählten die Polizisten auf der 3,35 Meter langen, 1,75 Meter breiten und 1,8 Meter hohen Ladefläche 24 junge Männer.

Flüchtlinge waren bereits bewusstlos

Einige der Afghanen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren waren zu diesem Zeitpunkt infolge des Sauerstoffmangels bereits bewusstlos zusammengebrochen. Die anderen wirkten infolge der längeren Fahrt, die für sie in völliger Dunkelheit und auf engstem Raum zusammengepfercht vonstattenging, verängstigt, als sie befreit wurden.

Die Flüchtlinge waren am vorangegangenen Abend in Ungarn von mehreren Männern, die offenkundig einer auf Schlepperei spezialisierten Bande angehörten, in den Kastenwagen gezwängt worden. Der 30-jährige Rumäne übernahm das Steuer. Er behauptete nun vor Gericht, man habe ihm einen Job in Frankreich versprochen. Er sei „mehr oder weniger gezwungen worden, das zu tun“.

Ein Bekannter habe ihm aufgetragen, den Kleintransporter nach Frankreich zu bringen. Ihm sei gesagt worden, im hinteren Bereich befänden sich vier oder fünf Arbeiter, die er mit nach Frankreich nehmen müsse. Es handle sich dabei um „Burschen, die trinken und Drogen nehmen“. Er solle sie nicht weiter beachten. Daran habe er sich gehalten, gab der Angeklagte zu Protokoll. Dass der Wagen schwer beladen war, erklärte er damit, er habe geglaubt, auch Baumaterial und Zement zu transportieren.

Teure Flucht mit Schleppern

Die 24 jungen Afghanen haben mittlerweile Österreich wieder verlassen. Die meisten von ihnen wollten nach Deutschland. Zwei von ihnen wurden dort im Rechtshilfeweg als Zeugen vernommen. Die Richterin verlas ihre Angaben zur Gänze und ließ diese auch dem Angeklagten Wort für Wort übersetzen. Die beiden Burschen - 19 und 20 Jahre alt - hatten für ihre Flucht aus Afghanistan jeweils über 10.000 US-Dollar bezahlt. Einer von ihnen war als Armee-Angehöriger von den Taliban bedroht worden. Über den Iran gelangten sie in die Türkei, wo ihnen Räuber ihr letztes Geld und weitere Habseligkeiten abnahmen.

In Ungarn angelangt, landeten sie in einem Flüchtlingsheim, ehe sie - so ihre Aussagen - von der Polizei aufgegriffen und ausgesetzt wurden. Mittels Mobiltelefon gelang es den Afghanen, wieder in Kontakt mit ihren Schleppern zu kommen, die sie schließlich mit anderen Flüchtlingen in den Citroen Jumper einluden. Während der Fahrt hätten etliche Männer das Bewusstsein verloren, während sich andere erbrachen, berichteten die beiden Zeugen. „Ich bin zu 100 Prozent davon ausgegangen, dass ich da nicht mehr lebend rauskomme“, gab der 19-Jährige zu Protokoll.

Polizei ermittelt gegen weitere Täter

Dem Wiener Landeskriminalamt (LKA), das in dieser Sache ermittelt, ist die Identität von zumindest zwei weiteren an der gegenständlichen Straftat beteiligten Tätern bekannt. Die Chancen, dass auch sie zur Verantwortung gezogen werden können, stehen offenbar nicht schlecht, wie am Rand der Verhandlung in Erfahrung zu bringen war.