Schmusechor lehrt das Schmusen

In dieser Jahreszeit wird gern und andächtig gesungen, vom Frieden in der Welt. Der Wiener Schmusechor entkräftet das verstaubte Image, das Chören anhaftet und hat eine klare Botschaft: „Abschmusen statt abschieben“.

„Ich sage, wenn wir auf der Bühne stehen, immer dazu, dass das Publikum gerne näher zusammen rücken darf, und auch mehr Körperkontakt teilen darf“, sagt die Leiterin des Schmusechors, Verena Giesinger, gegenüber wien.ORF.at. Das Repertoire des Chors reicht von Klassik bis Pop, von Beethoven bis Kanye West. „Meistens sind es Lieder mit viel Gefühl und Leidenschaft.“

Schmusechor beim Europa Festival, Arena Wien

Maximilian Löschner

Der Schmusechor in der Arena Wien beim Europa Festival

„Beides leidenschaftliche Tätigkeiten“

Was in einem Zimmer einer Wohngemeinschaft als kleine Gesangsrunde begann, umschließt nun etwa 30 Mitglieder. Das Potpourri aus jungen Musikgenießern hat innerhalb kürzester Zeit einen Chor entstehen lassen, der auf der Straße, in der U-Bahn oder in Beisln singt. Den Namen des Schmusechors erklärt Giesinger: „Ich denke das erklärt sich von selber, denn singen und schmusen sind beides sehr leidenschaftliche Tätigkeiten und wir denken, dass man diese wunderbar miteinander verbinden kann.“

Aus dem Lied „Schmusen“:

Warum willst du nicht mit mir schmusen, das frage ich mich schon die ganze Zeit, was ist denn das für eine Unart, oder ist es einfach nur Schüchternheit?

Interaktives Schmuseevent

Nach ihrem Auftritt beim Galeriefestival „Perspektiven Attersee“ im Sommer buchten die Veranstalter des Waves Vienna Festivals den Chor für einen Auftritt im Theatersaal des Cafe Prückel. Dort wurden Anfang des Jahres zwei Frauen, die sich küssten, des Lokals verwiesen - mehr dazu in Kuss: Lesbisches Paar aus Prückel verwiesen. „Als uns die Location verraten wurde, war auch schnell klar warum. Wir konnten es einfach nicht dabei belassen, nur ein Konzert dort zu singen“, so Verena Giesinger.

Der nahe liegenden Titel „Schmusen“, im Original von der österreichischen Sängerin Monica Reyes, wurde als eigenes Arrangement aufgeführt. Beim Auftritt gab es neben dem Gesang auch ein publikumsübergreifendes Schmuseevent, bei dem auf der Bühne geschmust wurde. Das Publikum war teils begeistert, teils geschockt. „Ich denke das zeigt, dass das gleichgeschlechtliche Schmusen noch nicht zur Normalität gehört und das möchten wir ganz dringend ändern“, so Giesinger.

Schmusechor in der Arena Wien

Fabiola Hagen

Der Schmusechor in der Arena Wien beim Europa Festival

Abschmusen statt Abschieben

„Ich hab mir nicht gedacht, dass wir den Chor dafür verwenden werden, politisch aktiv zu werden“, sagt Giesinger. Der Schmusechor trägt seit dem Auftritt beim Europa Festival in der Arena Wien T-Shirts mit dem Aufdruck: „Abschmusen statt Abschieben“ – mehr dazu in Festival für ein anderes Europa. „Die Message ist eine ganz deutliche. Wir möchten gern für mehr Integration einstehen, für mehr Offenheit und gegen Grenzen“, so Giesinger.

Veranstaltungshinweis:

Schmusechor singt bei: „Schmu. Schmuckes zum Schmusen“,
28. November, 16.00 Uhr, Praterstraße 16

Sie erklärt, warum es für den Chor wichtig ist, sich in dieser Debatte zu positionieren: „Wir haben gemeinsam beschlossen, dass wenn wir schon die Möglichkeit bekommen auf einer Bühne zu stehen, diese auch nutzen, um uns einzusetzen." Aufgrund des positiven Feedbacks und der hohen Nachfrage werden die T-Shirts auch zum Verkauf angeboten und die Hälfte des Reinerlöses an die Initiative Train of Hope gespendet.

Schmuschor beim Waves Vienna, Cafe Prückel

Matthias Borowski

Der Schmusechor beim Waves Vienna im Cafe Prückel

Singen ist gesund und macht glücklich

„Wichtig ist uns, dass das Singen Spaß macht und dass man gemeinsames Singen zelebrieren kann und auch mit Party verbinden kann“, sagt Giesinger. Das wöchentliche Treffen zur Probe ist ein fixer Bestandteil im Leben der Chorsängerinnen und -sänger. Neben den Auftrittsstücken wird auch immer auf die musikalische Freiheit und Weiterbildung geachtet, mit Improvisationen oder Stimmtrainings.

„Natürlich überwiegt bei den Proben das Singen. Das Schmusen ist eher eine Haltung oder Einstellung“, so ein Sänger des Schmusechors. Manche Stücke werden a-capella, andere mit Begleitung von Klavier und Schlagzeug gesungen. Nach den Konzerten gibt es jedes Mal viele Anfragen, ob noch Mitglieder aufgenommen werden können. „Dem Publikum macht es einfach Spaß uns zu zu hören und zu sehen. Sie lassen sich von unserer Energie mitreißen“, so Giesinger.

Lea Felizitas Helm; wien.ORF.at

Links: