Zielpunkt: „Sauerei vor Weihnachten“

Bei der ersten Betriebsversammlung zur Zielpunkt-Insolvenz hat Betriebsratschefin Brajinovic von einer „Sauerei vor Weihnachten“ gesprochen. Zielpunkt hat beim Handelsgericht Wien die Eröffnung eines Konkursverfahrens beantragt.

„Der Anlass ist scheiße.“ Mit diesen Worten hat Zielpunkt-Betriebsratschefin Snjezana Brajinovic am Montag die erste von mehreren Betriebsversammlungen eingeleitet. „Wir waren alle komplett geschockt. Das ist eine Sauerei jetzt vor Weihnachten“, sagte Brajinovic sichtlich bemüht, Tränen zu verbergen.

Zielpunkt-Insolvenz eingebracht

Der Insolvenzantrag für Zielpunkt wurde eingebracht. Die Gewerkschaft hat die Mitarbeiter informiert, welche Hilfe sie sich erwarten können.

Weitere Versammlungen in Bundesländern

Nach der ersten Betriebsversammlung in Wien wird es weitere auch in den Bundesländern geben. In erster Linie geht es zunächst darum, die Beschäftigten darüber zu informieren, wie sie zu ihrem Geld kommen. Zielpunkt zahlte die November-Gehälter und das Weihnachtsgeld nicht mehr aus. Das übernimmt nun der Insolvenzentgeltfonds (IEF).

Es sei wichtig, so rasch wie möglich alle erforderlichen Formulare auszufüllen, mahnte die Insolvenzexpertin der Arbeiterkammer, Karin Ristic, ein. Die Formulare würden vom Betriebsrat gesammelt eingereicht. „Wie lange müssen wir jetzt auf unser Geld warten?“, will eine Beschäftigte wissen.

Zielpunkt-Mitarbeiter bei Betriebsversammlung

APA/Helmut Fohringer

Betriebsversammlungen finden am Montag auch in den Bundesländern statt

Ristic vermutet, dass es „eher Wochen als Monate“ dauert. Aber genau könne sie es nicht sagen. Von den Banken gibt es die Zusicherung, dass alle Zielpunkt-Beschäftigten ihr Konto überziehen können, ohne Spesen zahlen zu müssen.

Verunsicherung durch Gerüchte

Auch wenn die Situation schrecklich sei, dürfe niemand eigenmächtig zu Hause bleiben, informierte die Gewerkschaft GPA-djp. „Keiner hört jetzt auf. Ihr dürft nicht einfach zu Hause bleiben“, betonte Betriebsrätin Brajinovic. Wer krank werde oder Urlaub habe, dürfe aber freilich auch jetzt daheim bleiben bzw. in den Urlaub fahren. Sollte die Filiale, in der man arbeitet, demnächst geschlossen werden, habe der Arbeitgeber das Recht, den Mitarbeiter in einer anderen Filiale einzusetzen. Welche Filialen wann schließen, dürfte der Masseverwalter in den nächsten Tagen bekanntgeben.

Zurzeit kursieren viele Gerüchte, die die Beschäftigten verunsichern. „Hört nicht auf das. Der Herr Pfeiffer (Georg; Chef des Zielpunkt-Eigentümers Pfeiffer, Anm.) hat schon viel gesagt. Fragt uns“, empfahl Mario Ferrari von der GPA-djp. So will Pfeiffer sich dafür einsetzen, dass den Mitarbeitern eine Prämie ausbezahlt wird, wenn sie bis zum Schluss arbeiten. „Das ist Blödsinn. Der Pfeiffer hat jetzt nichts mehr zu sagen. Das Sagen hat der Masseverwalter“, klärte Ferrari auf.

Betriebsversammlungen bei Zielpunkt

APA/Helmut Fohringer

Der Betriebsrat sei „geschockt“ gewesen, hieß es

Einkaufsgutscheine als Weihnachtsgeschenk

Für Aufregung sorgte auch die Aufzeichnungspraxis bei Zielpunkt. Laut Betriebsrätin kam es immer wieder zu Übertretungen der Ruhezeiten. Beschäftigte erzählten, dass nicht sie selbst die Stundenliste führten, sondern die jeweilige Filialleitung. Betriebsrat und Gewerkschaft forderten die Beschäftigen auf, ihre Stundenaufzeichnungen unbedingt selbst zu führen. „Jetzt habt Ihr nix mehr zu verlieren. Der Firma braucht Ihr nichts mehr zu schenken“, polterte Brajinovic.

Für schallendes Gelächter unter den rund 350 anwesenden Beschäftigten sorgte die Ankündigung der Betriebsrätin, dass ausgerechnet heute alle Mitarbeiter von Pfeiffer ein Weihnachtsgeschenk bekommen. Dieses enthalte auch einen Zehn-Euro-Einkaufsgutschein. „Wir würden die Gutscheine gerne an den Eigentümer schicken mit einem netten Brief“, sagte Brajinovic.

Zielpunkt-Filiale

APA/Herbert Pfarrhofer

Im Vorjahr hat Zielpunkt einen Verlust von 11,7 Mio. Euro geschrieben

210 Mio. Euro an Insolvenzschulden

Wie die Kreditschützer am Vormittag mitteilten, belaufen sich die Insolvenzschulden (Passiva) auf mehr als 210 Mio. Euro. Von der Insolvenz sind insgesamt 2.700 Mitarbeiter betroffen. Die Lebensmittelkette soll geschlossen und liquidiert werden.

Laut den KSV-Kreditschützern belaufen sich die Passiva auf 237 Mio. Euro und die Aktiva auf 33,5 Mio. Euro. Creditreform beziffert die Insolvenzschulden mit 214 Mio. Euro und das Vermögen mit 11,3 Mio. Euro. Das freie Vermögen beläuft sich auf 11,3 Mio. Euro, bestätigen die Zielpunkt-Anwälte Ulla Reisch und Ernst Chalupsky am Montag in einer Aussendung - mehr dazu in Zielpunkt meldete Insolvenz an (news.ORF.at).

Keine Unimarkt-Expansion nach Wien

In der ORF-Sendung „im Zentrum“ wies Georg Pfeiffer, Chef der Pfeiffer-Gruppe und von Zielpunkt, Vorwürfe, er wolle von der Zielpunkt-Insolvenz profitieren, etwa durch die Übernahme attraktiver Standorte, von sich: „Pfeiffer als nationaler Anbieter im Lebensmitteleinzelhandel ist Geschichte.“

Die Pfeiffer Handels GmbH habe schon im Mai den Kauf der Immobilien, in denen Zielpunkt eingemietet ist, von der Gruppe Tengelmann eingefädelt. Damit habe man die Mieten für Zielpunkt senken wollen. Die 68 im Paket enthaltenen Immobilien seien von unterdurchschnittlicher Qualität, bei 30 werde man keinen oder nur schwer Nachmieter finden, sagte Pfeiffer. Die wenigen guten Standorte seien in Wien, und eine Expansion dorthin sei „für Unimarkt definitiv auszuschließen“.

Pfeiffer verwahrte sich auch gegen den Vorwurf, man habe absichtlich für die Insolvenz den Zeitpunkt Ende November, also vor der Auszahlung von Weihnachtsgeld, gewählt: „So etwas kann man nicht timen.“ Auch dass Zielpunkt-Gutscheine nicht ausbezahlt werden, bedauere er, aber „da gibt es juristisch null Spielraum“, beteuerte er.

Katzian: Keine Alternative gesucht

Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Gewerkschaft GPA-djp, warf Pfeiffer hingegen vor, nicht einmal probiert zu haben, gemeinsam mit der Gewerkschaft nach einer Alternative zur Insolvenz zu suchen. Für Katzian ist es nun aber wichtiger, Arbeitsplätze zu erhalten, als eine weitere Konzentration im Wiener Einzelhandel zu verhindern. Wenn die zwei großen (Spar und Billa, Anm.) künftig 67 statt 66 Prozent Marktanteil hätten, dann „ist mir das wurscht, wenn 1.000 Leute Arbeit kriegen“.

Katzian glaubt Pfeiffer nicht, dass er erst vor zwei, drei Wochen draufgekommen ist, dass Zielpunkt nicht fortgeführt werden kann und behält sich rechtliche Schritte vor - mehr dazu in Zielpunkt: Gewerkschaft prüft Anzeige.

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